Holzstrohbau Haus St. Wunibald, Benediktinerkloster Plankstetten

Holz aus dem klostereigenen Forst und Stroh von den ökologisch bewirtschafteten Feldern des Klosters

Die im Jahre 1129 gegründete Benediktinerabtei Plankstetten gehört zu den ältesten erhaltenen Klosteranlagen Bayerns (Bild 1). Eindrucksvoll zeugt davon noch heute die romanische Krypta unter der Klosterkirche. Der überwiegende Teil des jetzigen Gebäude­bestands stammt aus der Barockzeit. Wie bei den Jahresringen eines alten Baums, so lässt sich auch hier die wechselvolle Bau- und Veränderungsgeschichte eindrucksvoll nachvollziehen und macht das Kloster Plankstetten zu einem herausragenden Zeugnis abendländischer Klosterbaukunst. Im Jahr 2008 hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Klosteranlage mit Kirche zum Denkmal von nationaler Bedeutung erklärt. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahrhunderten Teile des Klosters verändert und renoviert. Eine grundlegende Gesamtsanierung der Klosteranlage erfolgte jedoch nicht. Im Jahr 1998 wurde mit der Generalssanierung der Benediktinerabtei Plankstetten in drei Abschnitten begonnen.

1 Benediktinerabtei Plankstetten

Das Hauptziel war und ist die Sicherung und Erhaltung der Gebäude durch die Sanierung der historischen Holzkonstruktionen, Decken und Dächer sowie die Trockenlegung der vom Hangwasser durchfeuchteten Fundamente. Das Kloster Plankstetten ist seit jeher nicht nur Wohn- und Wirkungsstätte einer lebendigen benediktinischen Mönchsgemeinschaft, es ist ebenso ein Zen­trum der Begegnung für die gesamte Region. Deshalb ging es ­neben den Erfordernissen der Denkmalpflege auch um die Verbesserung der Nutzungsbedingungen und um ein klares Orientierungskonzept für das Gesamtensemble. Dabei steht eine zeit­gemäße und authentische Unterbringung, Bewirtung und Versorgung der vielfältigen Gäste im Vordergrund, sind doch Seminarhaus, Gastwirtschaft und Klosterhofladen die tragenden wirtschaftlichen Säulen des Klosterbetriebs. Der Wunsch der Klostergemeinschaft war von Anfang an, dass alle notwendigen Bau- und Erweiterungsarbeiten möglichst nachhaltig und unter Verwendung nachwachsender, ressourcenschonender Baustoffe ausgeführt werden. Als erster Baustein des zweiten Bauabschnitts wurde das Seminargebäude Haus St. Wunibald gebaut. Im Westen des Klostergeländes entstand ein zeitgemäßes, ökologisch zukunftsweisendes Seminarhaus für die stetig wachsende Zahl an Gästen. Mit den Gästezimmern des Seminarhauses, der Kindertagesstätte mit Garten und Spielplatz und den Räumen für die Pfarrverwaltung wurde hier ganz bewusst auf eine generationsverbindende Nutzung geachtet. So ist ein offener Ort für vielfältige Begegnungen entstanden. Mit der Beauftragung regionaler Handwerksbetriebe wird das Kloster seiner sozialen Verantwortung in der Region gerecht und sorgt für eine Wertschöpfungskette, die durch kurze Wege nicht nur der Umwelt, sondern auch der Stärkung der regionalen Struktur zugutekommt.

2 Haus St. Wunibald

Das neue Gebäude reagiert auf die dort vorhandene Topografie und schmiegt sich im Westen der ehemaligen Wirtschaftsgebäude an den ansteigenden Hang. Der Baukörper nimmt sich zurück, der historische Klosterkomplex dominiert weiterhin das Sulztal. Zwischen Neubau und den Wirtschaftsgebäuden mit der barocken Prälatur entsteht ein spannungsvoller geschützter Außenraum für die Kindergartenkinder. Neubau und Bestand werden über ein neues Kellergeschoss, in dem sowohl die umfangreiche Gebäudetechnik als auch die Küche der Klosterschenke untergebracht sind, verbunden (Bild 2). Der Hang drohte abzurutschen und auf die darunterliegenden historischen Gebäude zu drücken. Durch das Sockelgeschoss konnte der instabile Hang oberhalb des Klosters gesichert werden.

Nach heutigem Stand ist der Neubau das größte strohgedämmte Gebäude in Süddeutschland. Neben 30 Gästezimmern beherbergt der Erweiterungsbau des Klosters zusätzlich einen Kindergarten (Bild 3) sowie Räume für die Pfarrverwaltung. Unter dem Leitspruch Schöpfung bewahren hat sich das Kloster Plankstetten zu einem nachhaltig ausgerichteten Unternehmen entwickelt (Bilder 4, 5). Im Sinne dieser ökologischen Grundeinstellung wurde der Neubau – und später auch die Sanierung der vorhandenen Klosterbauten – mit ökologisch und baubiologisch unbedenklichen Materialien geplant und gebaut. Die Spannrichtung der Tragstruktur wurde quer zum Gebäude angelegt, sodass ohne Veränderung dieser Tragstruktur ein zukünftiger Rückbau der Gästezimmer problemlos möglich wäre: Eine heute noch nicht bekannte Nutzung in einer neuen Raumstruktur wäre ohne großen Aufwand realisierbar; das dabei anfallende Material kann recycelt oder wiederverwendet werden.

3 CO2-neutrale Baustoffe aus regionaler Herstellung

Soweit baukonstruktiv möglich, wurden nur CO2-neutrale Baustoffe aus regionaler Herstellung verwendet. Zudem sollte durch die gezielte Auswahl von dauerhaften, gut alternden Materialien der Lebenszyklus der Gebäude verlängert werden.

Der Neubau ist als Holzständerkonstruktion geplant. Die Fassaden bestehen aus vorgefertigten Holzrahmenelementen, in deren Gefache Strohkleinballen gepresst wurden (Bild 6). Das Stroh für die Dämmung konnte von den regional bewirtschafteten Feldern des Klosterguts verwendet werden.

Kurze Transportwege konnten so gesichert werden. Für die Herstellung der Baustrohballen kam möglichst goldgelbes, langhalmiges Getreidestroh aus Weizen und Roggen zum Einsatz. Im Wachstum entzieht das Stroh der Atmosphäre CO2. Die Herstellung der Strohdämmballen verbraucht nur minimale Energiemengen. Das Stroh dämmt hervorragend und lagert für die gesamte Nutzungsdauer CO2 im Gebäude ein. Es bildet keine Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmittelpflanzen und entsteht als Nebenprodukt im ablaufenden landwirtschaftlichen Ernteprozess. Zudem wächst es jährlich nach. Ein weiterer Vorteil von Stroh ist der einfache Rückbau durch Kompostierung. Stroh speichert außerdem Wärme und bewirkt so einen guten Wärmeschutz. Für ein gesundes und angenehmes Raumklima wurde an den Innenwänden Lehmputz verwendet: er ist feuchteregulierend, nimmt Schadstoffe auf und hat positive Auswirkungen auf das Raumklima und das Behaglichkeitsgefühl der Gäste (Bild 7).

Für ein gutes Raumklima wurde besonderer Wert auf die Verwendung schadstofffreier Baustoffe gelegt. Die Fassade wurde mit Leinölfarbe gestrichen (Bild 8), die Böden nur gelaugt, die Wände diffusionsoffen gestrichen. Auf Klebstoffe wurde weitestgehend verzichtet. Die Deckenhölzer sind mit Holzdübeln verbunden und der Lehm innen direkt auf das Stroh geputzt sowie das Gebäude außen mit Holz verschalt. Für die Herstellung der genannten Baustoffe wurde wenig Energie benötigt. Das Gebäude erreicht mit seiner Dämmung aus Stroh annähernd den Passivhausstandard und benötigt in der Nutzungszeit kaum Heizenergie (Bild 9).

Die im Klosterwald geschlagenen und im Sägewerk gesägten Baumstämme wurden nach ihrer Trocknung von einer nahe gelegenen Zimmerei abgebunden und verarbeitet. In Rückgriff auf die im historischen Bestand vorhandenen Mann-an-Mann-­Decken wurden vorgefertigte, 3,35 m breite Deckenelemente aus nebeneinanderliegenden, miteinander verdübelten Deckenbalken eingebaut (Bild 10). Um Spannweiten von über 10 m zu ermöglichen, wurden die Decken mit Aufbeton versehen und als Holz-Beton-Verbunddecken ausgeführt. Neben den ökologischen Vorteilen der Konstruktion erzeugen die Balken mit ihren Kernen und Rissen eine sehr schöne Deckenuntersicht. Zur Verwendung kamen insgesamt 500 massive Balken, die Wertschöpfung verbleibt so zum größten Teil bei den ausführenden regionalen Firmen.

4 Auseinandernehmbar und wiederverwendbar

Die Bauteile des Neubaus sind auseinandernehmbar und wiederverwendbar. Wand und Dachkonstruktionen können sortenrein rückgebaut werden: Die Holz-Strohkonstruktion mit Lehmputz ist unbehandelt und kann wiederverwendet werden. Gipsfaserplatten und Holzfaserdämmplatten können recycelt werden. Stroh und Lehmputz können kompostiert, das Stroh zurück auf das Feld gebracht und eingeackert werden. Die Dachkonstruktion aus Holz mit Strohdämmung und inkl. Dachschalung und Edelstahldeckung können wiederverwendet oder recycelt werden.

5 Brandschutz

Das Haus St. Wunibald ist aufgrund der baulichen Verbindung mit den historischen Gebäuden als Sonderbau in die Gebäudeklasse 5 nach BayBo einzuordnen. Eine Umsetzung als Strohballenbau war deshalb nur mit erheblichem Aufwand und der Stellung sowie Genehmigung einiger Abweichungen im Brandschutznachweis möglich. In der Gebäudeklasse 5 ist die Verwendung von normalentflammbaren Dämmstoffen in Außenwänden i.d.R. nicht erlaubt. Aufgrund der Hanglage befindet sich auf jedem Geschoss ein direkter Fluchtweg ins Freie, im weitesten Sinne ähnelte der Bau also einem Gebäude der Gebäudeklasse 3. Als Hauptkompensation wurde zudem eine auf die Leitstelle aufgeschaltete Brandmeldeanlage umgesetzt. Der Aufbau der Außenwände war dennoch wesentlicher Bestandteil des Brandschutzkonzepts. Die Außenwände wurden konsequent frei von jeglichen Installationen gehalten und sind geschossweise gekapselt, die Holzfassaden mit Brandschürzen aus Stahl ausgeführt. Die Gefachdämmung aus normalentflammbarem Baustroh ist beidseitig durch eine nichtbrennbare Schicht gekapselt, innenseitig mit Lehmputz und ­außenseitig mit einer Gipsfaserplatte. Stroh ist seit 2006 ein bauaufsichtlich anerkannter Baustoff in Deutschland. Regelwandaufbauten von F30B bis F90B sind in der Strohbaurichtlinie des Fachverbands Strohballenbau Deutschland e.V. beschrieben.

6 Maßstab

Stroh ist ein uralter Baustoff. Als ältester Strohballenbau in Europa gilt die Maison Feuillette. Im französischen Montargis errichtete Émile Feuillette 1920 ein Wohnhaus mit Strohballen in den Außenwänden. Die Verwendung von Stroh als Dämmstoff findet heute beim Bau von Einfamilienhäusern immer größere Beliebtheit. Die Planung und Umsetzung in einem größeren Maßstab war für die Planer des neuen Mehrzweckgebäudes mit den unterschiedlichen Nutzungen eine neue Herausforderung.

7 Material und Ausführung

In der heutigen Landwirtschaft werden fast ausschließlich Großballen gepresst, die durch die Größe ungeeignet für die Verwendung als Baumaterial sind. Für das Haus St. Wunibald (Bild 11) verwendete man deshalb für die Dämmung der Wände Kleinballen im Maß 36 cm x 72 cm x 50 cm. Die Ballengröße landwirtschaftlicher Maschinen ist nicht veränderbar und kann deshalb nicht auf ein Normalmaß angepasst werden. Daraus ergab sich das neue Rastermaß von 72,5 cm der Holzständerbauweise. Ein wichtiger Aspekt, da der übliche Achsabstand der Ständer um 10 cm überschritten wird und dies Auswirkungen auf die Ausführung der außenseitigen Beplankungen hat. Nach einer Qualitätskontrolle des Strohs wurden Großballen in insgesamt 2500 Kleinballen umgepresst. Gefertigt wurden die Strohballen auf dem Klostergut Staudenhof. Eine mobile Strohpresse entstaubte, formte und verdichtete das Stroh. Anschließend wurden die Strohballen als Baustoff geprüft und ausgewiesen. Wichtig hierbei ist eine ausreichende Dichte der Strohballen, die Mindestrohdichte von 85 kg/m3 darf nicht unterschritten werden.

Die Zwischenlagerung der Ballen in Scheunen sicherte die Trockenheit des Baustoffs. Grundsätzlich richtete sich die besondere Aufmerksamkeit bei der Ausführung auf den Witterungsschutz. Noch wichtiger als bei einem klassischen Holzbau ist es, die vorgefertigten Holzstrohbauelemente vor Nässe und UV-Licht zu schützen. Schimmelbildung und Ungeziefer wären sonst mögliche Folgen. Die Wände bestehen aus zwei miteinander verschraubten, je 18 cm tiefen Holzrahmen, in welche die 36 cm dicken Strohballen gepresst wurden. Produziert wurden die vorgefertigten Wandelemente in der Werkhalle der Zimmerei. Stroh ist als Dämmstoff ein schweres Material. So verwendeten die Handwerker für die Vorfertigung der Wandelemente spezielle Tische, um sicherzustellen, dass die einseitigen Beplankungen der Wände das Gewicht tragen können. Die Zwischenlagerung erfolgte in einem eigens dafür aufgestellten Bierzelt. Bei gutem Wetter mussten die nässeempfindlichen Holz-Strohelemente rasch angeliefert, aufgestellt und montiert werden. Mit einer aufwendigen temporären Planenabdeckung schützte man den Rohbau bis zur weiteren Verkleidung. 4 cm starker Lehmputz wurde nach der Montage der Wandelemente auf der Baustelle in mehreren Lagen aufgebracht. Das Gebäude besteht aus 100 strohgefüllten Wandelementen, 25 Massivholz-Deckenelementen und 30 strohgedämmten Dachelementen. Sowohl beim Rohbau als auch bei der Inneneinrichtung wurde ausschließlich Fichtenholz, das zu 100 % aus dem eigenen Klosterforst geschlagen wurde, verwendet. Rund 500 Bäume wurden dafür sorgfältig ausgewählt.

8 Fassade

Rund 900 m2 Holzverschalung wurden am strohgedämmten Neubau verbaut. Die klar geordneten Fassaden geben sich ebenfalls sehr zurückhaltend. Der Neubau soll in den Hintergrund zu der historischen Klosteranlage treten und sich in seinem Erscheinungsbild an bestehenden landwirtschaftlichen Nutzgebäuden anlehnen. Deshalb wurde für den Neubau – im Gegensatz zu den verputzten Hauptgebäuden – eine Holzfassade gewählt. Die Fassadenfläche besteht aus sägerauem Fichtenholz, das mit einer vorvergrauenden Lasur beschichtet wurde (Bild 12). Die in der Klosterschreinerei hergestellten Fenster der Gästezimmer sind als Sitznischen ausgebildet. Die vertikalen Fichtenlamellen vor den Fenstern dienen als Absturzsicherung vor den Lüftungsflügeln. Die Fichte ist eine Holzart, die in ausreichendem Umfang aus dem klostereigenen Forst zur Verfügung steht und mit einer vorvergrauenden Behandlung als Fassadenschalung sehr gut geeignet ist.

9 Dach

Gewählt wurde ein hinterlüftetes Dach aus Edelstahl in Doppelstehfalzdeckung. Das Dach hat eine Gesamtfläche von 640 m2 und eine Neigung von 4°. Der Neubau sollte in der Höhe die Klosteranlage nicht überschreiten. Daher wurde im Gegensatz zu den bestehenden Steildächern ein gering geneigtes Dach geplant. Das Dach ist als Kaltdach mit strohgedämmter Geschossdecke und aufgeständertem Sparrendach zur Herstellung der Dachneigung ausgebildet. Der Brandschutz fordert, dass die darunterliegenden Zimmertrennwände entweder bis unmittelbar unter die Dachhaut geführt werden oder ein raumabschließender feuerhemmender Abschluss errichtet wird. Um die Feuerwiderstandsklasse REI30 zu erreichen, wurde die strohgedämmte Konstruktion unterseitig zweilagig verkleidet (OSB- und GKFI-Platte) und die Zimmertrennwände daran angeschlossen.

Auszeichnungen

  • Bayerischer Klimaschutzpreis 2022
  • Förderpreis Nachwachsende Rohstoffe 2021
  • Anerkennung Balthasar Neumann Preis 2023
  • Anerkennung Deutscher Holzbaupreis 2023
  • Preis Holzbauplus 2023

Literatur

  1. FNR [Hrsg.] Strohgedämmte Gebäude [Broschüre]. Gülzow-­Prüzen: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., S. 10.

Autor:innen

Robert Härtl, info@hirnerundriehl.de

Martin Hirner, info@hirnerundriehl.de

hirner & riehl architekten und stadtplaner, München
www.hirnerundriehl.de

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