Innovation aus ­Verantwortung

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Ein Gespräch mit Wolfgang Rieder, Eigentümer Rieder Gruppe

Herr Rieder, Ihr Unternehmen bietet nachhaltige und ganzheitliche Lösungen für Fassaden aus Glasfaserbeton und hat sich 2019 die CO2– Neutralität bis 2025 zum Ziel gesetzt. Darf man da mal die Halbzeit-Frage stellen?

Bild 1 Wolfgang Rieder, Eigentümer Rieder Gruppe
Quelle: Maggie Janik

Wir haben uns einer schonungslos ehrlichen Selbstanalyse im Hinblick auf Nachhaltigkeit unterzogen und den gesamten CO2-Fußabdruck des Unternehmens akribisch ermittelt, um wichtige Hebel für eine CO2-positive Strategie herauszuarbeiten. Die Bauindustrie verschuldet 35 % des globalen CO2-Abfalls, Zement ist für 8 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Angesichts der katastrophalen Perspektiven durch die Klimakrise wird viel zu wenig vonseiten der Baubranche unternommen. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, da Beton heute noch zum Großteil aus Zement hergestellt wird. Unsere Ist-Analyse 2019 ergab einen Ausstoß von ca. 7100 t CO2 jährlich. Detaillierte Daten und saubere Messungen, eine regelmäßige Dokumentation und die jährliche Erstellung eines Green Reports zeigen uns die Ergebnisse auf. Durch unsere Zero Waste Strategy – also 1/3 Substitution, 1/3 effiziente Prozesse, 1/3 Offset-Maßnahmen – betrug der CO2-Austoß im Jahr 2021 ca. 4515 t. Das heißt, dass das Unternehmen bis dato trotz steigendem Output bereits 29 % im Vergleich zu 2019 einsparen konnte.

Wie sehen Sie die Bedeutung des CO2-Themas für die Nachhaltigkeit insgesamt? Könnte es sein, dass der Diskurs hier etwas monothematisch abläuft?

Das Thema Nachhaltigkeit ist ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema, welches vielfältige Komponenten mit sich trägt. Der CO2-Ausstoß ist nur ein Teil davon, dem wir unter anderem essenziellen Fokus schenken.

Die Rieder Gruppe hat bei ihrer neuen Firmenzentrale glemm21 stark auf das Bauen im Bestand gesetzt und sich das Projekt deutlich mehr als bei komplettem Neubau kosten lassen. Wollen Sie uns erläutern, warum?

Die Investitionen mit mehr als 20 Millionen Euro in den nachhaltigen Rieder Campus mit neuer Firmenzentrale und einer Fertigungshalle als Hybridbau sind die größten in der bisherigen Unternehmensgeschichte. Im glemm21 entstehen neue Büros, eine Musterwerkstatt, eine Showküche mit neuer Ausstellungsfläche und ein Café sowie ein F&E-Turm und ein Maker-Lab. Ziel ist es, eine umfangreiche Servicezentrale für nachhaltige Fassaden­lösungen zu bieten. Mit der Renovierung des Bestandsgebäudes statt der Errichtung eines Neubaus haben wir uns bewusst dafür entschieden, mit gutem Beispiel in Sachen Nachhaltigkeit im Bauen voranzugehen. Der Umbau wird von einem Institut begleitet, um exakt zu messen, wie viel CO2 eingespart werden konnte – bis jetzt waren es, im Vergleich zu einem Neubau, über 300 t. Bei der Überlegung, neu zu bauen oder nicht, war ich hin- und hergerissen. Es war ein echter Prozess mit vielen Widerständen. Es ist ein gesellschaftliches Thema, denn braucht es immer etwas Neues oder kann Bestehendes neu eingesetzt werden? So werden beispielsweise im neuen Büro alte Böden und Lärmschutzabsorber als Baumaterialien verwendet. Aus den alten Werken meines Großvaters und Vaters haben wir Stützen aus dem Jahr 1958 wiederverwendet. Auch der Umstieg von Ölheizung auf eine Pelletheizung punktet hinsichtlich effizienter Verbrennung und des nachwachsenden Brennstoffs Holz. Zudem wird durch den Einsatz von fibreC bionics ein energiesparendes Heiz- und Kühlsystem installiert. Je nach Bedarf kann mittels fibreC bionics geheizt oder gekühlt werden. Unser zentrales Ziel ist es, bis 2025 CO2-neutral zu wirtschaften. Ab 2030 wollen wir eine positive CO2-Bilanz erreichen. Dafür wird derzeit unter anderem an der Entwicklung eines zementreduzierten und in weiterer Folge zementfreien Betons gearbeitet. Das neue Headquarter wird mit den ersten zementreduzierten Fassadenplatten in der Farbe pine-green und der Textur slate verkleidet.

Wollen Sie uns Zero Waste und scrapcrete als Teil Ihres Engagements gegen den Ökozid erläutern?

Eine wichtige Strategie lautet Zero Waste, also die Rohstoffminimierung und Abfall- und Reststoffvermeidung in der Produktion und Logistik – sowohl im Pre- als auch im Post-Consumer-Bereich. Kurz gesagt, alles Initiativen, die zum Ziel einer CO2-Neutralität führen. Und zu scrapcrete: Um den Verschnitt bei der Produktion der öko-skin-Betonlatten zu reduzieren, haben wir ein neues Produkt entwickelt, die öko skin pixel. Es hat durch die Kleinteiligkeit eine andere Ästhetik, wirkt nicht so perfekt. Ein Demonstrationsobjekt, an dem wir es an der Fassade erproben, ist in Planung. In Zusammenarbeit mit einem Partner entwickeln wir ein digitales Werkzeug. Diese Software wird auf den Bestand des Verschnitts zugreifen und projektbezogene Gestaltungsmöglichkeiten für Fassaden generieren. Zudem arbeiten wir an einem Kreislaufsystem, sprich der Rücknahme unserer Produkte, um sie wieder in den Produktionskreislauf zurückzuführen. Das wirft klarerweise logistische und technische Fragen auf, zumal unser Produkt auf Beständigkeit ohne Qualitätsverlust ausgelegt ist.

Stichwort Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Welche Chancen räumen Sie BIM dabei ein?

BIM ist ein Tool von vielen. Wir setzen auf unseren neu entwickelten 3D-Konfigurator, den wir im Frühjahr launchen werden. Bei diesem neuen Beratungstool, welches den R2R-Ansatz widerspiegelt, wird ein parametrisches 3D-Modell eingesetzt, um auf intuitive Weise dem User zu zeigen, welche vielfältigen Designmöglichkeiten mit den Produkten von Rieder möglich sind. Diverse Downloads und Exportfunktionen werden das Arbeiten mit Rieder nachhaltiger, effizienter und schneller gestalten.

Was verstehen Sie unter Durchgängigkeit von der Beratung bis zur Baumontage?

Die Fassadenspezialisten und ihr etabliertes Netzwerk stehen Architekten und Planern in allen Projektschritten von der frühen Planungsphase bis hin zur Umsetzung unterstützend zur Seite. R2R – Rendering to Realisation – bezeichnet den integrativen Ansatz von Rieder zur Entwicklung einer gesamtheitlichen Lösung für Gebäudehüllen.

Holzhybrid ist kein neues Thema, erfährt bei Ihrem Unternehmen aber neue Ansätze unter anderem im Fassadenbau. Können Sie das auch im Hinblick auf Ihr aktuelles Projekt EDGE am Berliner Südkreuz ein wenig ausführen?

Holz und Beton erweisen sich beim EDGE Suedkreuz Berlin als unschlagbares Team in Sachen ökologischer Bauweise. Das von Tchoban Voss Architekten geplante Bürogebäude mit Glasfaserbetonplatten von Rieder ist in vielerlei Hinsicht ein Aushängeschild für den Wandel, der sich bei den Ansprüchen an neue Bauten vollzieht, und zeigt, dass nun endlich und endgültig eine neue Zeit für das Entwickeln von Immobilien gekommen ist. Hunderte Wandelemente und über 1000 Deckenelemente wurden in Holz-Betonbauweise werkseitig vorgefertigt, auf die Baustelle geliefert und vor Ort miteinander verbunden. Für die Fassade dieses größten Holzhybridgebäudes Deutschlands kamen die concrete-skin-Glasfaserbetonplatten zum Einsatz. Die leistungsfähigen, nur 13 mm dünnen Elemente überzeugten durch optische Vorzüge in Bezug auf die Gestaltungsvielfalt als auch durch technische Faktoren wie das vergleichsweise geringe Gewicht sowie die hohen Umwelt- und Gesundheitsstandards. Für die beteiligten Unternehmen sieht genau so die Zukunft des Hochbaus aus: ressourcenschonend, zeitsparend und nachhaltig für Mensch und Umwelt.

www.rieder.cc

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