Gebäudebezogene Obergrenzen für Treibhausgas­emissionen als Ziel-, Planungs- und Nachweisgröße

Entwicklung von Anforderungsniveaus und Absenkpfaden für THG-Emissionen

Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen setzt die Beachtung und Einhaltung planetarer Grenzen der Belastbarkeit des Ökosystems [1] voraus, die sich mit wissenschaftlichen Methoden bestimmen lassen. Ein wesentliches Teilziel ist die Begrenzung der globalen Erwärmung. Notwendig ist hierfür eine dramatische Verringerung der Treibhausgasemissionen. Sowohl global als auch national können ca. 40 % der Treibhausgasemissionen bei sektorübergreifender Betrachtung dem Bau- und Gebäudebereich zugeordnet werden, der damit einen wesentlichen Einfluss auf die Erreichbarkeit von Klimaschutzzielen hat [2, 3]. Wie lassen sich jedoch aus einem globalen Budget an Treibausgasemissionen, dessen Einhaltung die Begrenzung der globalen Erwärmung noch erlaubt, Planungsziele für konkrete Bauvorhaben ableiten? Welche Möglichkeiten und Ansätze gibt es für eine Entwicklung von Anforderungsniveaus sowie Absenkpfaden bei Treibhausgasemissionen und welchen Stand haben unsere Nachbarländer erreicht? Empfohlen wird, die Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden in das Ordnungsrecht zu integrieren sowie einen Zeit- und Stufenplan in Richtung klimaneutraler Gebäudebestand zu entwickeln.

1 Treibhausgasemissionen als Ziel-, Planungs- und Nachweisgröße

Bei Bauvorhaben ist es üblich, konkrete Projektziele im Sinne vereinbarter oder vorausgesetzter Merkmale und Eigenschaften bereits in Vorüberlegungen und der Aufgabenstellung zu definieren, planungsbegleitend hinsichtlich ihrer Erreichbarkeit zu überprüfen, diese in Variantenvergleichen und der Konstruktionsoptimierung zu nutzen sowie bei Fertigstellung das Erreichen der Ziele gegenüber Bauherren und Dritten, darunter Banken und Wertermittler, nachzuweisen. Ein wesentlicher Zwischenschritt ist die Genehmigungsplanung, bei der die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen bzw. der Vorgaben von Förderprogrammen nachzu­weisen ist. Eine Grundlage für die Formulierung von Zielen ist die DIN 18205:2016 zur Bedarfsplanung. Neben Anforderungen an die technische, funktionale, soziokulturelle und ökonomische Qualität ist vorgesehen, Ziele für die ökologische Qualität, darunter den Klimaschutz, festzulegen.

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass bei der Verfolgung von Zielen idealerweise Ziel, Indikator und Messgröße eine Einheit bilden. Ziel des Klimaschutzes ist die Begrenzung der ­Treibhausgasemissionen. Der geeignete Indikator ist die Summe verursachter Treibhausgasemissionen, zusammengefasst im Treib­hauspotenzial und angegeben als CO2-Äquivalente. Obwohl in den Nachhaltigkeitsbewertungssystemen BNB, DGNB, NaWoh und BNK dieser Indikator seit vielen Jahren genutzt und aktuell im Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) sowie im Förderprogramm Klimafreundlicher Neubau (KFN) verwendet wird, wurde die Ergänzung von Anforderungen zur Begrenzung des nicht erneuerbaren Primärenergieaufwands durch Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Ordnungsrecht noch nicht vollzogen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Schritt nun bevorsteht. Durch die Verbindlichkeit und die notwendige Rechtssicherheit von gesetzlichen Anforderungen stellen sich nun Fragen nach sowohl angemessenen als auch zukunftsfähigen Anforderungsniveaus neu.

2 Grundlagen für die Entwicklung von Anforderungsniveaus

Für die Entwicklung von Anforderungsniveaus zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen im Betrieb, bei Herstellung, Errichtung und Erhalt bzw. im vollständigen Lebenszyklus von Gebäuden stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Gemäß ISO 21678:2020 Sustainability in buildings and civil engineering works – Indicators and benchmarks – Principles, requirements and guidelines wird zwischen einem Bottom-up-Ansatz und einem Top-down-Ansatz unterschieden. Der Bericht Benchmarking and Target-setting for the Life Cycle-based Environmental Performance of Buildings des gerade abgeschlossenen IEA EBC Annex 72 liefert weitere Erläuterungen [4].

Beim Bottom-up-Ansatz geht man von der schrittweisen Verschärfung bereits vorhandener Anforderungsniveaus aus. Dabei – und dies ist eine für Deutschland bereits untersuchte Möglichkeit – können u. a. Anforderungen zur Begrenzung des Aufwands an nicht erneuerbarer Primärenergie in Anforderungen zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen umgerechnet werden. Einen weiteren Ausgangspunkt liefert die Analyse von Kennwerten bereits realisierter Gebäude nach dem Best-in-Class-Ansatz bzw. die Ermittlung der Kennwerte für ausgewählte Typvertreter. Dieses Vorgehen ermöglicht eine Orientierung an der technischen und/oder wirtschaftlichen Machbarkeit. Es erlaubt insbesondere die Festlegung von Grenzwerten. Bei diesen Grenzwerten handelt es sich um einzuhaltende Mindestanforderungen im Sinne einer Obergrenze für noch zulässige Treibhausgasemissionen. Auf diese Weise entstanden die Anforderungswerte für Nachhaltigkeitsbewertungssysteme, für das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) und damit auch für das Förderprogramm Klimafreundlicher Neubau (KFN).

Beim Top-down-Ansatz werden die Anforderungen unter Berücksichtigung der ökologischen Tragfähigkeit des Ökosystems abgeleitet. Er wird daher zum Teil auch als Budget-based-Ansatz bezeichnet. Ein Ausgangspunkt ist die Forderung nach Gebäuden, die zunächst im Betrieb oder später im vollständigen Lebenszyklus keine Treibhausgasemissionen verursachen (treibhausgasneutral) oder diese mit zulässigen bzw. anerkannten Mitteln vollständig ausgeglichen werden können (netto-treibhausgasneutral). Es handelt sich um ein universelles Anforderungsniveau, das für sämtliche Gebäude- und Nutzungsarten an allen Standorten anwendbar ist, zu seiner Erfüllung jedoch jeweils spezifische Maßnahmen erfordert. Diese Vorgehensweise eignet sich für die Definition mittelfristiger Zielwerte. Für aktuelle Planungsvorgaben ist der Sprung von aktuellen Anforderungen in Richtung Treibhausgasneutralität jedoch zu groß. Benötigt werden Zwischenschritte in Form eines Zeit- und Stufenplans, worauf in diesem Beitrag nochmals einzugehen ist. Eine Möglichkeit ist die Ableitung von Zielwerten aus einem (Rest-)Budget an Treibhausgasemissionen, welches die Begrenzung der globalen Erwärmung noch zulässt. Dabei treten jedoch methodische Fragen auf. Nur das globale Budget an Treibhausgasemissionen lässt sich mit wissenschaftlichen Methoden und Modellen unter Beachtung und Angabe von Unsicherheiten bestimmen. Bei einer Aufteilung auf Länder, volkswirtschaftliche Sektoren, Handlungs- und/oder Bedürfnisfelder ergeben sich zu lösende Verteilprobleme. Ein Beispiel ist das Klimaschutzgesetz in Deutschland. Dessen KSG-Sektoren, die sich im Bereich der Gebäude auf die Begrenzung der direkten Emissionen konzentrieren, sind für die Ableitung von Anforderungswerten für Gebäude nicht geeignet. In älteren Studien ging das Umweltbundesamt davon aus, dass für Deutschland ein Restbudget von ca. 1 t Treibhausgasemissionen pro Kopf und Jahr einen Orientierungs- bzw. Zielwert darstellen kann. Später wird in diesem Beitrag diskutiert, ob und wie sich hieraus Anforderungen zumindest an den Betrieb von Wohnbauten ableiten lassen.

3 Systemgrenzen von Anforderungswerten

Die Bestimmung, Veröffentlichung und Anwendung von Anforderungswerten, zum Teil auch als Benchmarks bzw. Grenz- und Zielwerte bezeichnet, reicht nicht aus. Auch unter Hinweis auf ISO 21678:2020 Sustainability in buildings and civil engineering works – Indicators and benchmarks – Principles, requirements and guidelines bilden sie mit den Datengrundlagen, Berechnungs- und Bewertungsmethoden sowie den Systemgrenzen einer Betrachtung eine untrennbare Einheit. Entsprechende Hintergrundinformationen müssen vorliegen und zugänglich sein. Hinweise hierzu liefern der Bericht des IEA EBC Annex 72 Context-specific Assessment Methods for Life Cycle-related Environmental Impacts caused by Buildings [5] sowie eine Veröffentlichung des BBSR [6]. Danach ist u. a. zu unterscheiden, (1) ob sich Anforderungswerte zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen beziehen auf den Betrieb, den Betrieb und die Nutzung, den Erstaufwand für die Herstellung und Errichtung (upfront emissions) bzw. die Treibhausgasemissionen für den gebäudebezogenen grauen Anteil insgesamt oder den vollständigen Lebenszyklus, (2) welche Bauwerksteile mit welchem Detaillierungsgrad zu berücksichtigen sind, (3) ob absolute oder auf Flächen und Zeiträume bezogene Anforderungen formuliert werden, (4) ob statische oder dynamische Betrachtungen erfolgen, (5) wie der Umgang mit gebäudeintegrierter Erzeugung von Solarstrom und den potenziell vermiedenen Emissionen durch an Dritte gelieferte Energie erfolgt, (6) nach Art und Umfang der Berücksichtigung der Emissionen aus Kältemitteln. In Deutschland gelten hierfür die zum QNG veröffentlichten Bilanzierungsregeln [7]. Zur Vereinheitlichung der Datengrundlagen wurden für frühe Phasen der Planung Rechenwerte vorgegeben. Es handelt sich um Auszüge aus der frei zugänglichen Datenbank ÖKOBAUDAT. Hersteller- und produktspezifische Angaben zu umweltrelevanten Daten bei Bauprodukten aus qualitätsgesicherten Umweltproduktdeklarationen (EPD) lassen sich bei einer abschließenden Ökobilanz zum Zeitpunkt der Fertigstellung im Zustand wie gebaut nutzen. Dies entspricht dem Vorgehen bei Energieausweisen, die den tatsächlich realisierten Zustand abbilden. Der künftige Umgang mit spezifischen Werten in einer Genehmigungsplanung oder bei einem Förderantrag befindet sich noch in der Diskussion [8]. Unterschiedliche Vorgehensweisen in einzelnen Ländern (und Organisationen) erschweren die Vergleichbarkeit von Anforderungswerten zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen bei Gebäuden. In [9] werden die Anforderungswerte für Dänemark als Zeit- und Stufenplan angegeben. Weitere Hinweise liefert u. a. eine Studie von Rambøll [10].

4 Stand der Diskussion inkl. Rückblick und Ausblick

Ansätze zur Formulierung von Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden gehen u. a. zurück auf die Schweiz und auf Deutschland. In der Schweiz wurden entsprechende Werte als SIA 2040 im Jahr 2011 veröffentlicht und zuletzt 2017 aktualisiert. In Deutschland enthielten die Nachhaltigkeitsbewertungssysteme BNB und DGNB von Anfang an entsprechende Grenz-, Referenz- und Zielwerte und waren damit Vorreiter. NaWoh und BNK griffen dies anschließend auf. Heute konzentriert sich die heimische Diskussion auf die Anforderungswerte von QNG und KFN für Wohn- und Nichtwohnbauten. Im Zusammenhang mit Förderprogrammen erreichen sie bereits eine Verbindlichkeit. Förderprogramme sind in Deutschland meist der Testfall für die Einführung gesetzlicher Anforderungen. Länder wie Frankreich und Dänemark sind hier schon weiter und haben entsprechende Anforderungen verbindlich eingeführt, in weiteren skandinavischen Ländern steht dies bevor.

In der internationalen Diskussion konzentrieren sich die Anstrengungen derzeit auf die wissenschaftliche Untersuchung von Größe und Beeinflussbarkeit der gebäudebezogenen (grauen) Treibhausgasemission inkl. der Möglichkeiten zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen für Herstellung und Errichtung (upfront emissions als Teil der embodied emissions). Diesen wird derzeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt, gehen sie doch sofort zulasten des noch zur Verfügung stehenden Budgets an Treibhausgasemissionen. Emissionen, die künftig durch Erhalt und Ersatz von baulichen Konstruktionen und/oder technischen Systemen bzw. durch Betrieb und Nutzung verursacht werden, können durch Dekarbonisierungsmaßnahmen noch beeinflusst werden.

Es ist bemerkenswert, dass Initiativen zur Erfassung und Begrenzung der gebäudebezogenen (grauen) Treibhausgasemissionen in Ländern ohne gesetzliche Anforderungen u. a. von Ingenieur- und Architektenorganisationen (u. a. Royal Institute of British Architects – RIBA, Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein – SIA) sowie Städten und Städtenetzwerken (u. a. London, Toronto/Carbon Neutral City Alliance – CNCA, C40 cities) ausgehen. Angegeben werden Orientierungswerte, Anforderungswerte und Zielwerte. Während ein Teil der Benchmarks sich auf ein Jahr eines Betrachtungszeitraums bezieht (kg CO2e/m²a) und damit auch der Erstaufwand auf einen Zeitraum aufgeteilt wird, veröffentlichen andere Quellen absolute Werte für den gebäudebezogenen Anteil in kg CO2e/m². Ein Beispiel liefert RIBA (Tab. 1).

RIBA Metriken für nachhaltige EntwicklungAktuelle 
Anforderungen (Neubau)
Ziele 2025 Ziele 2030
Laufender Energieverbrauch a)
kWh/m2a
120 < 60 < 35
Graue Emissionen b) – kg CO2e/m2 1200 < 800 < 625
a) Module B6.1, B6.2, B6.3 für regulierten und unregulierten Energieverbrauch
b) Module A1–A5, B1–B5, C1–C4, komplettes Gebäude inkl. Haustechnik und Kältemittelleckagen
Tab. 1 Anforderungs- und Zielwerte für Wohnbauten nach RIBA [11]

Werden die Anforderungen und Zielwerte von RIBA zur Begrenzung der gebäudebezogenen Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus neu zu errichtender Wohnbauten auf einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren bezogen, ergeben sich folgende Werte: aktuell 24 kg CO2e/m²a – Ziel 2025 16 kg CO2e/m²a, Ziel 2030 12,5 kg CO2e/m²a. Im Vergleich mit Anforderungsniveaus in Dänemark oder den Orientierungswerten der SIA in der Schweiz, die im weiteren Textverlauf vorgestellt werden, sind die Werte deutlich weniger streng, beinhalten jedoch einen klaren Absenkpfad.

Beispiele für Anforderungswerte aus der Schweiz vom SIA können den Tab. 2, 3 entnommen werden.

 Primärenergie nicht-erneuerbar Treibhausgas­emissionen
 kWh/m2 kg CO2e/m2
Wohnen Neubau Umbau Neubau Umbau
Richtwert Erstellung 30 20 9,0 5,0
Richtwert Betrieb60 70 3,0 5,0
Anforderung Erstellung + Betrieb 90 12,0 10,0
Tab. 2 Anforderungs- und anteilige Richtwerte für allgemeine Wohnbauten, SIA 2040 [12]

  Primärenergie
nicht erneuerbar
Treibhausgas­emissionen
 kWh/m2 kg CO2e/m2
Wohnen Neubau Umbau Neubau Umbau
Richtwert Erstellung 30 20 9,0 5,0
Richtwert Betrieb 90 100 6,0 8,0
Anforderung Erstellung + Betrieb 120 15,0 13,0
Tab. 3 Anforderungs- und anteilige Richtwerte für Wohnen mit Belegungsvorschriften, SIA 2040 [12]

Deutlich wird, dass für Wohnungen mit Belegungsvorschriften – entspricht dem sozialen Wohnungsbau in Deutschland – die Anforderungen an den Betrieb schwächer ausfallen. Hintergrund ist eine Betrachtung der Treibhausgasemissionen pro Kopf. Hier wirken sich kleinere Wohnflächen günstig aus. Indirekt ergeben sich so Bezüge zu einer Suffizienzstrategie. Dieser Ansatz könnte und sollte auch in Deutschland diskutiert werden.

Dänemark hat sowohl gesetzliche Anforderungen als auch freiwillige Zielwerte zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im ­Lebenszyklus von Gebäuden in einem Zeit- und Stufenplan veröffentlicht (Bild 1). Angegeben werden zu unterschreitende Werte, die sowohl den gebäudebezogenen als auch den betriebsbedingten Anteil umfassen. Im Unterschied zu Deutschland wird der Nutzerstrom nicht berücksichtigt. Damit sind die Anforderungen nicht vergleichbar.

In Dänemark existiert für Projekte mit schwierigen Baugrundverhältnissen bzw. sonstigen Besonderheiten ein System von Zuschlägen bei den flächenbezogenen Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen.

Zieht man von den in Deutschland im QNG bei neu zu errichtenden Wohnbauten verwendeten Anforderungen der Unterschreitung von 24 kg CO2e/m²a (QNG PLUS) bzw. 20 kg CO2e/m²a (QNG PREMIUM) jeweils den Anteil des Nutzerstroms mit ca. 11 kg CO2e/m²a ab, ergeben sich mit 13 kg CO2e/m²a und 9 kg CO2e/m²a vergleichbare Größenordnungen. Deren praktische Erreichbarkeit wird derzeit in einem im Rahmen von ZUKUNFT BAU geförderten Projekt untersucht [14]. Beim Vergleich entsprechender Angaben sollte die jeweilige Bezugsfläche inkl. entsprechender Definitionen zusätzlich geprüft werden.

5 Ein Gedankenexperiment

Die Ableitung von spezifischen Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden unterschiedlicher Nutzungsart im Sinne eines Zwischenschritts auf dem Weg zur universellen Anforderung der Netto-Treibhausgasneutralität bereitet vor dem Hintergrund ungelöster Verteilfragen beim globalen Budget Probleme. Eine Orientierung kann an Werten des SIA erfolgen (Tab. 2 – SIA 2040). Im Sinne eines Gedankenexperiments und Diskussionsbeitrags wird nachstehend ­zunächst die Möglichkeit erörtert, Anforderungen an den betriebs- und nutzungsbedingten Teil zu formulieren.

In Deutschland liegen gemäß CO2-Rechner des Umweltbundesamts die Treibhausgasemissionen bei 10,5 t CO2e/Kopf * a. Davon entfallen auf Wohnen und Strom ca. 2,5 t CO2e/Kopf * a, die sich auf ca. 2,0 t CO2e/Kopf * a für Wärme und 0,5 t CO2e/Kopf * a für (Nutzer-)Strom aufteilen lassen [15]. Wird im Sinne eines persönlichen Budgets das Minderungsziel von ca. 1 t CO2e/Kopf * a für Treibhausgasemissionen insgesamt anteilig auf Wärme und Strom übertragen – zu Treibhausgasemissionen der Lebensstile siehe [16] –, ergibt sich ein Budget von ca. 50 kg CO2e/Kopf * a für Strom und ca. 200 kg CO2e/Kopf * a für die Wärmeversorgung beim Wohnen. Auf dieser Basis lässt sich abschätzen, ob und wie die Budgets an Treibhausgasemissionen erreichbar sind.

Bei Strom ergibt sich die Notwendigkeit einer Versorgung mit Emissionsfaktoren unter 200 g/kWh Strom (Geothermie, Deponiegas, Windkraft, PV) in Kombination mit einem stromsparenden Verhalten.

Bei Wärme und damit beim direkten Betrieb der Wohnbauten müssen bei üblichen Wohnflächen pro Kopf die Werte für flächenbezogene Treibhausgasemissionen von ca. 3 kg CO2e/m²a unterschritten werden, bei Wohnflächen um 25 m²/Kopf können die Werte für flächenbezogene Treibhausgasemissionen noch bei bis zu 6 kg CO2e/m²a liegen. Die Werte liegen in der Größenordnung von Empfehlungen des SIA und sind ein Beispiel dafür, wie sich Klimaschutz und Suffizienz kombinieren lassen.

Die Frage, ob sich auf ähnlichem Wege Anforderungswerte für den gebäudebezogenen Anteil an den Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Gebäuden ableiten lassen, wird derzeit intensiv diskutiert. Einen interessanten Ansatz liefert die Stadt Toronto [17] – ein weiteres Beispiel für Städte als Schrittmacher. Dort wird eine Begrenzung der gebäudebezogenen grauen Treibhaus­gasemissionen von 350 kg CO2e/m² bzw. 250 kg CO2e/m² für Herstellung und Errichtung im Sinne von upfront emissions ­vor­gegeben. Aufgeteilt auf den in Deutschland üblichen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren ergeben sich Anforderungswerte zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen für den baulich-technischen Erstaufwand von 7 kg CO2e/m² bis 5 kg CO2e/m². Darin sind die Treibhausgasemissionen für Ersatz und zum Ende der Nutzungsdauer noch nicht enthalten. Werden diese einbezogen, nähert man sich den vom SIA angegebenen Richtwerten für Neubauten. Einen weiteren Diskussionsbeitrag zur Ableitung von Anforderungswerten zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen sowohl im Lebenszyklus als auch für den gebäudebezogenen Anteil liefert eine Studie [18]. Hier folgen die Autoren einem Top-down- bzw. einem Budget-based-Ansatz und zeigen auf, dass diese Vorgehensweise zu sinnvollen Ergebnissen führt. Voraussetzung sind allerdings wissenschaftlich abgesicherte Angaben zum globalen Restbudget an Treibhausgasemissionen und die Lösung des Verteil- und Zuordnungsproblems. Vergleichbare Überlegungen spielten bereits bei der Erarbeitung der Angaben in der SIA 2040 eine Rolle.

Deutlich wird, dass die derzeit im QNG PREMIUM benannten Anforderungen aktuell anspruchsvoll sind. Es ist sinnvoll, die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus über eine Gesamtvorgabe zu begrenzen. Für die Planung ist es zusätzlich möglich und sinnvoll, diesen Wert durch Nebenanforderungen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen für den Betrieb (für das Modul B6.1 vo­raussichtlich über das künftige GEG ohnehin gegeben) und Richtwerte zum gebäudebezogenen Anteil (mit Orientierungswerten zum Erstaufwand als Davonposition) zu ergänzen. Dies ist jedoch eine Momentaufnahme. Benötigt wird ein Stufen- und Zeitplan in Richtung von Gebäuden mit ausgeglichenen Emissionsbilanzen (netto-treibhausgasneutral), der den an Planung und Bau Beteiligten stets die Möglichkeit bietet, sich zwei Jahre auf die nächste Verschärfung vorzubereiten und eine mittelfristige Strategie zu entwickeln. Eine Orientierung am Vorgehen Dänemarks (Bild 1) ist möglich. In Deutschland wird dann zusätzlich ein Absenkpfad für die Treibhausgasemissionen des Nutzerstroms benötigt.

6 Was ist zu tun?

Aktuell lässt sich noch nicht genau absehen, ob, wann, wie und welche Anforderungen zur Begrenzung der Treibhausgas­emissionen im Betrieb oder im Lebenszyklus in Deutschland in das Ordnungsrecht aufgenommen werden. Um einen Einfluss auf Gebäude, die 2045 noch große Teile des dann insgesamt treibhausgasneutralen Gebäudebestands bilden, ausüben zu können, sollten derartige Anforderungen jedoch ab 2025 eingeführt werden. Dies erlaubt einerseits eine Vorbereitungsphase, die u. a. zur Vervollständigung der Datengrundlagen, zur Bereitstellung von Hilfsmitteln sowie zur Aus- und Weiterbildung der am Bau Beteiligten genutzt werden kann, und unterstützt andererseits das Erreichen eines klimaneutralen Gebäudebestands. Im Interesse der Einhaltung des Gesamtbudgets, welches die Begrenzung der globalen Erwärmung mit angemessener Sicherheit noch bewirkt, sollten Gebäude mit ausgeglichener Emissionsbilanz deutlich vor 2045 erreicht werden [19].

Vertreterinnen und Vertreter der planenden Berufe, der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie der sonstigen Auftraggeberschaft müssen dies jedoch nicht abwarten und können bereits heute Anforderungen an die Klimafreundlichkeit sowohl vorgeben als auch in der Planung berücksichtigen. Noch wird dies mit einer finanziellen Förderung belohnt. Im Idealfall können sie aus einem zu erarbeitenden Zeit- und Stufenplan künftige Anforderungswerte ablesen und so den gesetzlichen Anforderungen entweder voraus sein oder sich genau auf diese vorbereiten. Wenn diese besondere Art der Wahrnehmung von Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft ein Ausdruck des Wertewandels in Richtung Nachhaltigkeit ist, wird eine Anpassung der Immobilienwertermittlungsverordnung notwendig. Die Klimafreundlichkeit als Teil der Zukunftsfähigkeit soll und muss einen Einfluss auf den Immobilienwert haben – auch dafür werden Bewertungsmaßstäbe benötigt. Aber das ist schon ein neues Thema …


Literatur

  1. BMUV (2021) Planetare Belastbarkeitsgrenzen BMUV [online]. Berlin: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/integriertes-umweltprogramm-2030/planetare-belastbarkeitsgrenzen [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  2. BBSR (2020) Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland [online]. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum­forschung. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2020/bbsr-online-17-2020.html [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  3. GlobalABC (2022) Global status report for buildings and construction [online]. Paris: Global Alliance for Buildings and Construction. https://globalabc.org/resources/publications/2022-global-status-report-buildings-and-construction [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  4. IEA (2023) Benchmarking and Target-setting for the Life Cycle-­based Environmental Performance of Buildings [online]. Inter­national Energy Agency Energy in Buildings and Communities (IEA EBC) Programme. EBC_Annex_72_Benchmarking_for Environmental_Performance_of_Buildings_2023.pdf [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  5. IEA (2023) Context-specific Assessment Methods for Life Cycle-
    related Environmental Impacts caused by Buildings
    [online]. International Energy Agency Energy in Buildings and Communities (IEA EBC) Programme. B_Luetzkendorf et al 2022_Assessment Methods for Buildings_v2.pdf
  6. BBSR [Hrsg.] (2021) Klimaschutz im Gebäudebereich [online]. BBSR-Veröffentlichungen. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2021/bbsr-online-33-­2021.html [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  7. BBSR (2023) Bilanzierungsregeln des QNG für Wohngebäude [online]. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. QNG_Handbuch_Anlage-3_Anhang-311_LCA_­Bilanzregeln-WNG_v1-3.pdf [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  8. Hauke, B. (2023) Nachhaltigkeitsbewertung für alle. nbau Nachhaltig Bauen 2, H. 2, S. 3. https://www.nbau.org/2023/04/25/nachhaltigkeitsbewertung-fuer-alle
  9. Weidner, S. (2023) Nachhaltigkeit in Dänemark. nbau Nachhaltig Bauen 2, H. 2, S. 53–58. https://www.nbau.org/2023/02/26/nachhaltigkeit-in-daenemark
  10. Rambøll (2022) Towards embodied carbon benchmarks for buildings in Europe [online]. Kopenhagen: Rambøll. EU-ECB-5-all-in-one-report.pdf [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  11. RIBA (2021) RIBA 2030 Climate Challenge Version 2 [online]. London: The Royal Institute of British Architects. www.architecture.com [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  12. SIA (2017) SIA-Effizienzpfad 2040 (Korrigenda C1). Zürich: Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein.
  13. Buro Happold (2022) How Denmark leads the way in decarbonis­ing construction [online]. Buro Happold. www.burohappold.com/news/how-denmark-leads-the-way-in-decarbonising-the-construction-industry/#
  14. ZUKUNFT BAU (2022–2024) Klimafreundliche Wohnbauten (Projekt) [online]. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. https://www.zukunftbau.de/projekte/forschungsfoerderung/1008187-2250 [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  15. UBA [Hrsg.] CO2-Rechner des Umweltbundesamtes [online]. Tübingen: KlimAktiv. https://uba.co2-rechner.de/de_DE [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  16. UBA (2014) Klimaneutral leben [online]. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimaneutral-leben [Zugriff am: 18. Juni 2023]
  17. City of Toronto (2023) Toronto Green Standard Update: Advancing Net Zero Emissions in New Development [online]. Toronto, City Planning. https://www.toronto.ca/legdocs/mmis/2023/ph/bgrd/backgroundfile-235868.pdf [Zugriff am: 19. Juni 2023]
  18. CCREM (2023) From global emission budgets to decarbonisation pathways at property level [online]. Wörgl: Institut für Immobilienökonomie. https://www.crrem.eu/wp-content/uploads/2023/01/CRREM-downscaling-documentation-and-assessment-methodology_Update-V2_V1.0-11-01-23.pdf [Zugriff am: 19. Juni 2023]
  19. SRU (2022) Wieviel CO2 darf Deutschland maximal noch ausstoßen? [online]. Berlin: Sachverständigenrat für Umweltfragen. https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf?__blob=publicationFile&v=30 [Zugriff am: 19. Juni 2023]

Autor:in

Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lützkendorf
thomas.luetzkendorf@kit.edu
Obmann DIN Normenausschuss NA 005-01-31 AA Nachhaltiges Bauen als Spiegelgremium für die Normungsarbeiten bei ISO TC 59 SC17 und CEN TC 350 etc.
Karlsruher Institut für Technologie Fachgebiet Immobilienwirtschaft
www.oew.kit.edu

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