1. Symposium Nachhaltige Europäische Bauwende
Am 22. Juni fand in Bielefeld das 1. Symposium Nachhaltige Europäische Bauwende statt. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach hob die Wichtigkeit der Bauindustrie für die Erreichung der Klimaschutzziele hervor und freute sich über den breiten Diskussionsansatz des Symposiums. Nachfolgend erläuterte Thomas Lauritzen, bei Schüco für den Bereich Nachhaltigkeit verantwortlich, mit zahlreichen Beispielprojekten Nachhaltigkeit als Aufgabe der Industrie und berichtete vom geschlossenen Wertstoffkreislauf bei Aluminium.
Technik, Forschung und Gesellschaft im Kontext von Klimaschutz und Bauwende war das Thema von Prof. Jan Wörner, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaft. Es gibt kein Silver Bullet, keine Universallösung und auch keinen zweiten bewohnbaren Planeten. Die Anforderungen ans Bauen sind zahlreich, doch ein Dreiklang aus Nachhaltigkeit, Qualität und Bezahlbarkeit muss das Ziel bleiben. Für diese anspruchsvollen Aufgaben brauchen wir interdisziplinäre Forschung, Entwicklung und Umsetzung. Wichtigste Aussage warvielleicht, dass alles Werben in der Bevölkerung um Akzeptanz für nachhaltig Bauen, alles Abholen oder Mitnehmen zu kurz gesprungen sei. Jan Wörner forderte vielmehr eine aktive Trägerschaft, ein Mitgestalten im Sinne einer Fahrgemeinschaft. Dass die Bereitschaft dazu vorhanden ist, zeige der TechnikRadar 2023.
Daran schloss Andreas Mucke, der den Circular Valley Accelerator in Wuppertal leitet, an und zeigte, wie Kreislaufwirtschaft mit vielen Start-ups – auch aus der Baubranche – gefördert und in der Region verankert werden kann. In der Diskussion wurden schließlich die positive Kommunikation von Veränderung sowie das gemeinsame Handeln hervorgehoben.
Der Bottroper OB Bernd Tischler läutete die Themenrunde Kommunen & Verwaltung ein und berichtete von den Erfolgen der Energiewende von unten in seiner Stadt. Seit 2010 wurde der Gebäudebestand mit einer Rate von 3 % energetisch modernisiert und die CO2-Emissionen halbiert. Basierend auf Gemeinsamkeit und positiver Stimmung in Bottrop führten v. a. niedrigschwellige Angebote wie Beratung und Förderung zum vorbildhaften Ergebnis.
Um zum Handeln zu kommen, benötigen wir Strukturen, stellte der Dortmunder Klimaschutzmanager Dirk von Bracht fest und berichtete von kommunalen, klimaneutralen Baustandards, die als Muster für andere Kommunen dienen könnten. Gebraucht ist das neue Cool waren sich OB Tischler und von Bracht einig und betonten die Wichtigkeit des Gesprächs mit den Menschen.
Von der Konstruktion zum klimafreundlichen Bauen startete Christian Wrede von Bollinger+Grohmann die Planerrunde. Mit der enormen Absenkung der Treibhausgasemissionen im Betrieb würden die konstruktionsbedingten Emissionen künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Decken, aber auch Fundamente und Wände brächten dabei den Löwenanteil. Das größte Einsparpotenzial liege in der Planungsphase, wo jeweils angemessene, auch neue Materialien eingesetzt und der Materialverbrauch gesenkt werden müsse. DAS nachhaltige Material gäbe es nicht, alle Materialien hätten Vor- und Nachteile. Letztlich müsse immer eine projektbezogene Ökobilanz die jeweils beste Lösung aufzeigen.
Philipp Castrupp von RKW Architektur+ ergänzte, dass mit der Umnutzung bestehender Gebäude graue Emissionen eingespart werden können, und ebenso mit Baustoffen aus dem Bestand. Beide waren sich einig, dass eine höhere CO2-Bepreisung den Wettbewerb für klimafreundliche Lösungen unterstützt.
Auch für den Geschäftsführer und Chief Sustainability Officer der Goldbeck GmbH Dr. Michael Six ist CO2 die zweite Währung am Bau – über CO2/m² werde hart verhandelt. Reduktionsmöglichkeiten seien hier maximale Ressourceneffizienz, innovative Dekarbonisierungsstrategien, Holz als Teillösung oder Ressourcenpässe für zirkuläres Bauen. Aber auch Biodiversität und Flächenrecycling seien wichtige Themen.
Thomas Bader, Geschäftsführer Leipfinger-Bader, plädierte dafür, gebrauchte Baustoffe nicht als Abfall, sondern als Ausgangspunkt für neue Produkte zu begreifen, wie z. B. Kaltziegel. Der Baubedarf übersteigt jedoch das Aufkommen an gebrauchten Baustoffen. Als Haupthindernis sehe er die zögerliche Politik und das Kirchturmdenken. Dr. Six merkt an, dass grüne Lösungen oft noch teurer seien und Regularien eher bremsten denn unterstützten.
Beim abschließenden Round Table mit Moderator und nbau Chefredakteur Dr. Bernhard Hauke kamen noch einmal Thomas Lauritzen, Christian Wrede, Andreas Mucke, Dr. Michael Six und Philipp Castrup zusammen.
Zuerst drehte sich die Diskussion um Kreislaufwirtschaft. Thomas Lauritzen hielt fest, dass Aluminium ob seines Werts immer recycelt werde, aber die Hälfte der Produktion finde in China statt und auch andere Industrien konkurrierten um gebrauchtes Alu. Michael Six ergänzte, dass bei Stahl Recycling eher eine Frage der verfügbaren Menge sei und es für Beton noch keine wirtschaftliche Lösung gäbe. Wichtig seien aber günstige politische Rahmenbedingungen. Die ortsnahe Logistik der Recyclingwirtschaft müsse verbessert werden, schließlich seien Rohstoffe überall knapp und Recycling müsse sich wirtschaftlich lohnen, warf Andreas Mucke ein.
Dann fragte Bernhard Hauke, was wir heute schon umsetzen können. Mittel und Wege für ressourcenschonendes Bauen haben wir, so Christian Wrede, aber wir müssen endlich so planen, dass das wieder auseinanderbaubar ist. Hier hielt Thomas Lauritzen entgegen, dass Architektur weiterhin zweckmäßige Gebäude zum Ziel habe und Klimaneutralität dabei ein wichtiger Aspekt sei. Oft stelle sich aber auch die Frage, was wir einfach, weniger machen können. Hier stimmte Christian Wrede zu: Suffizienz sei wichtiger als Effizienz. Kommunen müssten vor Ort vormachen, wie es geht, so Andreas Mucke, und sollten auch entsprechend finanziell ausgestattet werden. Was dann aber oft fehle, so Thomas Lauritzen, seien Entscheider in den Ämtern, die Verantwortung übernehmen.
Heute wird immer noch eher abgerissen und neugebaut, auch wenn z. B. eine Aufstockung des Bestands möglich wäre, so Christian Wrede zur Weiternutzung. Wir brauchen eine Kultur der Wertschätzung des Bestands, ergänzte Michael Six. Hier schlug Bernhard Hauke CO2-Zielwerte als Vorteil für den Bestand vor. Das fand Michael Six hilfreich, allerdings sollten dann die Ökobilanzverfahren europaweit stärker vereinheitlicht werden. In der Schlussrunde plädierten Philip Castrupp und Andreas Mucke dafür, einfach anzufangen mit der Bauwende. Christian Wrede sah ebenso eine Umsetzungs-, aber auch eine Ambitionslücke. Thomas Lauritzen versprach in Ostwestfalen-Lippe mit Partnern aus Wirtschaft und Verwaltung mit einem Bauwende-Musterprojekt loszulegen. Michael Six fasste zusammen, es gäbe nicht die eine Antwort, die alles löse, und die Regulatorik müsse dringend angegangen werden, gemeinsam sei die Bauwende aber möglich.
Video zum Symposium: www.schueco.de/symposium-neb