Das Konzept der Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Popularität gewonnen und ist heute normatives Leitprinzip. Die unternehmerische Entwicklung soll sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig gestaltet werden. Mit dem Ziel, die zentralen Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens zu bewältigen, verlangt die Baubranche ein ganzheitliches und zukunftsorientiertes Denken und Handeln. Damit eine Nachhaltigkeitsstrategie erfolgreich und glaubhaft umgesetzt werden kann, führt kein Weg an messbaren Dimensionen und einer organisatorischen Verankerung vorbei.
Hand aufs Herz: Gibt es in unserer Industrie Unternehmen, die sich nicht das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben? Nachhaltigkeit in ihren unterschiedlichen Ausprägungen erscheint mir kommunikativ in weiten Teilen inzwischen inflationär angewendet. In dieser Form ist Nachhaltigkeit oft weder umfassend beschrieben noch mit konkreten, messbaren Zielen verknüpft. Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie setzt jedoch eine systemische Integration und Verankerung im Geschäftsmodell voraus. Bauunternehmen haben die Verantwortung, ein wesentlicher Treiber beim Klimaschutz zu sein. Hierzu bedarf es der Definition von Zielen für den Ressourcenverbrauch und zum Thema Kreislaufwirtschaft.
Kernfragen trennen Spreu vom Weizen
In der Diskussion ebenso wie bei der Analyse zur Nachhaltigkeit haben mir persönlich einige wenige Kernfragen stets bei der Beurteilung geholfen. So ermöglicht die Beantwortung bspw. des folgenden, sicher unvollständigen Fragenkatalogs eine erste vergleichende Einschätzung zum Thema Nachhaltigkeit: Gibt es eine formulierte Nachhaltigkeitsstrategie? Sind in dieser konkrete, messbare Ziele definiert? Wird die Zielerreichung regelmäßig durch neutrale, externe Experten wie z. B. Ratingagenturen überprüft und dokumentiert? Wie ist Nachhaltigkeit im Unternehmen organisiert? …
„Green“ geht nur zusammen mit „Lean“
Bei der Suche nach der Lösung zum Thema Nachhaltigkeit macht sich schnell Ernüchterung breit. Nachhaltiges Denken und Handeln, formuliert in einer Nachhaltigkeitsstrategie, ist ein Langstreckenlauf. Die Puste darf nicht nach den ersten Kilometern ausgehen. Womit wir mitten im Thema Lean-Management und einer dessen Methoden sind. Die Umsetzung einer formulierten Nachhaltigkeitsstrategie ist ein langfristiger Weg, der in unterschiedlichen Ausprägungen einem PDCA-Zyklus folgt.
Hinter dem P (Plan) steckt die Erarbeitung einer langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie, vom Management getragen und verabschiedet mit einem Mehrjahresplan. Elementar dabei ist die Definition von Messpunkten für die verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Es muss klar sein, von welchem messtechnischen Aufsatzpunkt gestartet wird und wie die Zielerreichung qualifiziert gemessen wird. Im D (Do), folgt die konkrete Maßnahmenplanung und deren konsequente, schrittweise Umsetzung. Die Zielerreichung wird regelmäßig in der Phase C (Check) geprüft. Dies setzt die verbindliche Definition der Kennziffern ebenso voraus wie die organisatorische Verankerung der Verantwortung für die Zielerreichung. Aus dem Abgleich Plan – Ist und der systematischen Beurteilung der bisherigen Maßnahmen folgt das A (Act) im Sinne einer finalen Implementierung und Justierung der Maßnahmen zur Nachhaltigkeit.
Dimensionen der Nachhaltigkeit organisieren und steuern
Als Konsequenz muss Nachhaltigkeit auf allen Ebenen eines Bauunternehmens gelebt werden. Damit dies gelingt, ist eine definierte Organisation und Steuerung notwendig. Der Dreh- und Angelpunkt liegt somit im Management, das Ziele verbindlich festlegen muss. Konkrete Ziele können z. B. die Senkung des spezifischen Primärenergiebedarfs um 35 % und der THG-Emissionen (THG = Treibhausgas) um 55 % bis zu einem definierten Zeitpunkt sein.
Dabei sind die Dimensionen von Nachhaltigkeit umfassend. Für jede der Dimensionen sind die konkreten Ziele, die organisatorische Verantwortung und die Messgrößen der Zielerreichung zu definieren.
Im Nachhaltigkeitsthemenfeld Umwelt gehören die Dimensionen Energie und Emissionen, Abfallmanagement, Materialverbrauch und Kreisläufe, Biodiversität und Böden sowie Wasser zu den Schlüsselfaktoren, um das Thema in der Praxis aktiv, belastbar und systematisch anzugehen.
Energie und Emissionen
Ein Hebel zur kontinuierlichen Reduzierung der THG-Emissionen ist ein aktives Energie- und Emissionsmanagement. Bei Großbaustellen wird z. B. bereits beim Baustartgespräch vom Projektteam die kontinuierliche Überwachung von signifikanten Verbrauchern geplant, beeinflussende Variablen und Personen identifiziert, Energiekennzahlen zur Überwachung definiert und Maßnahmenpläne vereinbart.
Abfallmanagement
Kernziel im Abfallmanagement ist die Verringerung der Schadstofffraktion durch Weiterentwicklung der Verwertungsverfahren. In der Praxis: Für den konkreten Umgang mit Bau- und Abbruchabfällen auf der Baustelle ist die Bau- und Projektleitung verantwortlich. Als fachliche Anlaufstelle steht ein (zentrales) Abfallmanagement allen Mitarbeitenden beratend und unterstützend zur Verfügung. Gemeinsam mit den Abfallbeauftragten werden Lösungen für Projekte und Arbeitsstätten entwickelt und umgesetzt. Vor Beginn jedes Bauprojekts ermittelt die Bau- bzw. Projektleitung gemeinsam mit den Abfallbeauftragten mithilfe einer Checkliste für Bau- und Abbruchabfälle die notwendigen Dokumente und Vorkehrungen.
Materialverbrauch und Kreisläufe
Im Zuge des ressourcenschonenden Bauens gewinnt die Verwendung von Recyclingbaustoffen massiv an Bedeutung (Bild 1). Damit kreislaufwirtschaftliche Prinzipien realisiert werden können, bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber:in, Bauunternehmen und Lieferketten.
Der Ansatz: Stoffe vor der Deponie retten. Der Fokus liegt auf Recycling und der sortenreinen Entsorgung von Baumaterialien. Mit Recycling können aus Ziegel, Beton und Bauschutt von Abbruchprojekten sowie generell aus Bodenaushüben verwertbare Recyclingbaustoffe produziert werden. In der Praxis setzen wir das mit mobilen Anlagen direkt auf der Baustelle um und bereiten mineralische Baustoffe oder Bodenaushübe auf. Das spart Transportwege und Emissionen. Durch regelmäßige Prüfungen werden Umweltverträglichkeit und bautechnische Eignung überwacht und so die Qualität sichergestellt.
Biodiversität und Böden
Bauen beeinflusst Ökosysteme. Dabei sollte immer Ziel sein, den Einfluss auf die Tier- und Pflanzenwelt zu minimieren. Der Ansatz: Prüfungen zur Umweltverträglichkeit im Rahmen der Projekte zum Standard machen und die Verantwortung einem regionalen Umweltbeauftragten im Bauprojekt übergeben.
Konkrete Ansatzpunkte lassen sich in der Gestaltung von Freiflächen in Wohnhausanlagen sowie der Errichtung von Bioteichen, der Nutzung von Rezyklaten aus eigener Produktion für Dachbegrünungen finden. Aber auch die Begrünung von Flachdächern und Verkehrsdämmen, die Rekultivierung von Deponien bis hin zur Bepflanzung firmeneigener Brachflächen oder die Aufstockung von Bienenvölkern an unseren Liegenschaften gehören zu Praxisbeispielen.
Wasser
Im Bau wird Wasser in unterschiedlichen Prozessen verwendet – zur Herstellung von Baustoffen wie Beton oder bei der Nassaufbereitung von Kies. Im Bauprozess wird Wasser zur Staubfreimachung und zur Reinigung von Fahrflächen verwendet. Auch die Erzeugung von regenerativer Energie durch den Bau von Wasserkraftwerken oder der Bau von Wasseraufbereitungsanlagen ist Teil dieses Handlungsfelds (Bild 2). Zu den Kernzielen zählt die Steigerung der Wassereffizienz in der Bauphase und bei der Endnutzung. Auch die Aufbereitung und verstärkte Verwendung von Niederschlags- und Grauwasser sowie die Wasserkreislaufführung bei Baustoffrecycling-, Boden- oder Kieswaschanlagen fallen ins Gewicht.
Um einen nachhaltigen Umgang mit Wasser sicherzustellen, wird das Thema in einem internen Ressourcenmanagement verankert. Gemeinsam mit den Ansprechpartner:innen auf den Baustellen und an den Betriebsstandorten evaluiert der Wasserbeauftragte regelmäßig den Fortschritt in der Zielerreichung sowie den aktuellen Status quo der Maßnahmen. Zudem finden regelmäßig Schulungen zur Sensibilisierung statt, die zu einem besseren Verständnis und einer intensiveren Auseinander- und Umsetzung im Baustellenalltag führen sollen.
Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht nur auf Umweltaspekte
Nachhaltiges Bauen beschränkt sich nicht nur auf Umweltaspekte. Die Gestaltung der Arbeitswelt der Zukunft, das Bieten von Weiterbildungschancen für unsere Mitarbeitenden, betriebliche Gesundheitsförderung, aber auch verantwortungsvolle, sich an ethischen Prinzipien orientierende Unternehmensführung entlang der gesamten Lieferkette sind zentrale Elemente eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens. Wie bereits gesagt: Die Dimensionen von Nachhaltigkeit sind umfangreich und entwickeln sich dynamisch.
Autor
Udo Pauly, udo.pauly@porr.de
Leiter Vertrieb & Unternehmenskommunikation PORR GmbH & Co. KGaA, München
www.porr.de