Johannes Kister hatte es letztens sinngemäß so formuliert: Früher konnten Architekten einfach entwerfen und Ingenieure bekamen das dann schon technisch und kostenmäßig umgesetzt – meist mit Beton. Wenn wir aber heute klimafreundlich planen, dann müssen wir von Anfang an gemeinsam entwerfen. „Die Baukunst ist unteilbar“, wusste Jörg Schlaich in diesem kooperativen Sinne bereits 1985. Gilt dies nicht heute umso dringlicher? Ein optimiertes Stahlbetontragwerk, vielleicht mit R-Gestein und CO2-reduziertem Zement, eine ressourceneffiziente Holzkonstruktion, eine demontier- und wiederverwendbare Stahlstruktur oder eine mit lokalen Erden geplante Lehmwand brauchen von Beginn an architektonische Kreativität und ingenieurmäßige Ausformulierung. Sonst bleibt die schönste Idee ebendiese und wir kommen zumindest über das Traditionelle nur wenig hinaus.
Am Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude gibt es bestimmt viel auszusetzen, nicht zuletzt die unangekündigte, erneute Absenkung der Fördersätze. Aber endlich wird ein erster Schritt weg von der einseitigen Betrachtung der Energieeffizienz von Gebäuden hin zur ganzheitlichen Ökobilanzierung einschließlich der grauen Energie getan. Nur der erste Reflex der Ingenieur:innen war die Ablehnung von QNG, von allgemeingültigen, endlich ganzheitlichen Voraussetzungen für die staatliche Förderung. Stattdessen wird auf die individuelle Kompetenz der Ingenieur:innen verwiesen. Die ist sicher ganz hervorragend – in den klassischen Disziplinen der Tragwerksplanung und auf Wunsch des störrischen Bauherren auch in Sachen Materialeffizienz. Aber sind wirklich alle Ingenieur:innen fit in Ökobilanzierung? Ist ein möglichst geringer CO2-Fußabdruck der so maßgeblichen Tragkonstruktion bereits das neue Planungsziel neben der Tragsicherheit? Wo sind die gemeinsamen Vorschläge, das Handwerkszeug, die Bildungsoffensive dazu? The grass is always greener on the other side: Bei der britischen Institution of Structural Engineers nennt sich das Sustainability Guidance. Diese handfesten Informationen werden seit 2019 von Freiwilligen erarbeitet und stehen allen überwiegend kostenfrei zur Verfügung. Vielleicht eine nachahmenswerte Idee?
Bei der Phase Nachhaltigkeit – einer Initiative der DGNB, um mehr Nachhaltigkeitsaspekte in den Gesprächen mit den Bauherren zu verankern – machen nun auch ein Dutzend interessierter Ingenieurbüros mit. Das ist prima. Aber deren Verbände sind nach wie vor nicht dabei. Natürlich sind die jeweiligen Interessen und Ziele nicht deckungsgleich. Aber da, wo es gemeinsame Ziele gibt, sollten wir auch gemeinsam gehen, schon allein aus Effizienzgründen. Das sollte sich dann aber bitte auch in den Programmen der Veranstaltungen widerspiegeln. Und weil nachgefragt wurde: Zur Schwammstadt können nicht nur Landschaftsarchitekten beitragen, sondern insbesondere auch Wasserbauingenieurinnen. Wir müssen das endlich gemeinsam denken und auch so handeln. Und nicht warten, bis die anderen vielleicht endlich kommen, sondern selbst aktiv Angebote machen.
Was ich wirklich toll fand, ist der Solar Decathlon Europe. Für die Stadt Wuppertal durfte ich deren Co-Host-Day moderieren und konnte nebenbei verschiedene Teams und Projekte kennenlernen. Was vor Jahren als Energieeffizienzwettbewerb gestartet war, fragte nunmehr nach ganzheitlichen Lösungen für drei konkrete Bauaufgaben im Bestand: Erweiterung, Baulücke oder Aufstockung. Inzwischen sind die diversen Auszeichnungen vergeben und als Gesamtsieger wurde Team RoofKIT aus Karlsruhe gekürt. Weiter geht es 2023 in Wuppertal mit einem Teil der Projekte im Living Lab. NRW, einem dieser viel geforderten Reallabore, um Neues auszuprobieren. Was darüber hinaus bleibt, sind die unglaubliche Kreativität und insbesondere die fantastische intrinsische Motivation der Studierenden. Das sind dann die Momente, in denen ich sicher bin, dass wir die Transformation des Bausektors in der erforderlichen Breite und Geschwindigkeit schaffen können – gemeinsam.
Weg von der Energieeffizienz, hin zur Ökobilanzierung einschließlich grauer Energie