Digitalisierung und nachhaltiges Bauen

Wenn man von Digitalisierung und nachhaltigem Bauen spricht, denken die meisten wohl erst einmal an den Einsatz von moderner Computertechnologie, Sensoren und künstlicher Intelligenz, um den Betrieb eines Gebäudes möglichst umweltschonend (und das heißt v. a. energieeffizient) zu gestalten. Es gibt aber noch einen anderen Einsatz der Digitalisierung, der für die Nachhaltigkeit unserer gebauten Umwelt mindestens genauso wichtig ist: der verstärkte Einsatz von computergestützten Werkzeugen in Planung, Bau, Betrieb und schließlich Rückbau oder Modernisierung. Dieser Ansatz, häufig unter Building Information Modeling (BIM) zusammengefasst, bringt per se schon eine Reihe von Vorteilen aus Sicht der Nachhaltigkeit, z. B. deutliche Einsparungen beim Materialeinsatz durch genauere Berechnung der benötigten Mengen sowie die Vermeidung von Planungsfehlern, die ansonsten z. T. mit hohem Aufwand korrigiert werden müssten. Vor allem aber bietet die Digitalisierung insbesondere der Planung die Möglichkeit, wichtige Werkzeuge der ökologischen Optimierung von Bauprojekten mit deutlich geringerem Aufwand bei gleichzeitig verringerter Fehleranfälligkeit einzusetzen. Genau dieser Aspekt soll in diesem Aufsatz etwas genauer ausgeleuchtet werden. Das wichtigste Werkzeug zur umfassenden und objektiven ökologischen Bewertung von Bauprojekten ist die Ökobilanzierung. Im Folgenden wird diese kurz vorgestellt und dann im Einzelnen darauf eingegangen, wie die fortschreitende Digitalisierung die Ökobilanzierung und insbesondere die Bereitstellung der notwendigen Hintergrunddaten unterstützt.

1 Die Ökobilanz als wissenschaftlich fundiertes Werkzeug

Bei der Ökobilanzierung wird die traditionelle Betrachtung der Umweltwirkungen von Produkten oder Prozessen in zwei Dimensionen erweitert:

  1. Die Ökobilanzierung umfasst idealerweise den gesamten Lebenszyklus von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Entsorgung bzw. zur Vorbereitung für eine wie auch immer geartete Wiederverwertung.
  2. Bei der Ökobilanzierung werden alle relevanten Umweltwirkungen (soweit sie quantifizierbar sind) betrachtet.

Auf diese Weise erlauben Ökobilanzen eine sehr umfassende und gründliche Untersuchung.

Die Erstellung einer Ökobilanz erfolgt in mehreren Arbeitsschritten, wobei sich die Systematik der ISO 14040 [1], wie sie in Bild 1 dargestellt ist, international durchgesetzt hat. In einem ersten Schritt werden das Ziel und der Untersuchungsrahmen festgelegt; dazu gehört z. B. die Festlegung des Untersuchungsgegenstands. Im nächsten Schritt wird die sogenannte Sachbilanz erstellt; hierzu werden alle Material- und Energieflüsse entlang der betrachteten Wertschöpfungskette bilanziert. Man erhält dadurch ein vollständiges Bild der durch einen Prozess unmittelbar oder mittelbar ausgelösten Emissionen und Ressourcenverbräuche. Allerdings umfasst diese Sachbilanz normalerweise mehrere Hundert Einträge. Sie wird daher im nächsten Schritt, der sogenannten Wirkungsabschätzung, auf typischerweise 5–20 Kennzahlen verdichtet, die dann im letzten Schritt, der Auswertung, interpretiert werden. Die Anordnung der Schritte in der Grafik (Bild 1) sowie die Pfeile deuten an, dass es sich dabei nicht unbedingt um einen linearen Prozess handelt. So können z. B. Ergebnisse einer ersten Auswertung eine Änderung des Untersuchungsgegenstands oder die Erhebung zusätzlicher Sachbilanzdaten auslösen.

Bild 1 Arbeitsschritte bei einer Öko­bilanz [1]

2 Phasen und Module des Lebenszyklus

Bei der Beschreibung des Lebenszyklus benutzt man im Bereich von Gebäuden und Bauprodukten normalerweise die in der Norm EN 15978 [2] definierten Phasen A–D, welche wiederum in Module unterteilt werden (Bild 2). Dabei beschreiben die unter A zusammengefassten Module die Herstellung der Bauprodukte sowie die Errichtung des Gebäudes, die Aktivitäten unter B die Nutzung und die unter C die Entsorgung. Das Modul D beinhaltet Effekte, die per Definition außerhalb des eigentlichen Lebenszyklus des Gebäudes liegen, für die Bewertung aber trotzdem relevant sein können.

Bild 2 Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes [2]

Im Einzelnen beinhalten die Phasen und Module folgende Prozesse:

Herstellungsphase (A1–A3): Die Herstellungsphase deckt alle Prozesse „von der Wiege bis zum Verlassen des Werksgeländes“ ab. Dabei werden die Ergebnisse oft für diese drei Module zusammengefasst.

Errichtungsphase (A4, A5): Hierzu zählen der Transport des Bauprodukts vom Werk zur Baustelle (A4) sowie die Errichtung bzw. der Einbau der Bauprodukte, also im Wesentlichen die Prozesse auf der Baustelle.

Nutzungsphase (B1–B7): Das Modul der Nutzung (B1) beschreibt die Effekte der Nutzung von Gebäuden, die nicht in den anderen Modulen abgebildet werden, wie z. B. Ausgasungen oder Auswaschungen. Die Module Instandhaltung (B2), Instandsetzung (B3), Austausch (B4) und Modernisierung (B5) beschreiben alle Arbeiten, die notwendig sind, um das Gebäude funktionsfähig zu halten. Die Grenzen zwischen den einzelnen Modulen sind dabei fließend. Der Energieverbrauch im Betrieb (B6) umfasst u. a. Heizung und Kühlung, aber auch die Beleuchtung und gebäudeinterne Transporte (z. B. Aufzüge, Rolltreppen), nicht jedoch den Energieverbrauch von Hausgeräten, Unterhaltungselektronik und gewerblichen oder industriellen Maschinen (z. B. Werkzeugen).

Entsorgungsphase (C1–C4): Hierzu gehören die Module Rückbau/Abriss (C1), Transport (C2), Abfallbehandlung (C3) und Beseitigung (C4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in das Modul C3 explizit die Aufwendungen zwecks Wiederverwendung, Rückgewinnung oder Recycling fallen.

Vorteile und Belastungen außerhalb der Systemgrenzen (D): Hierzu gehören mögliche Reduktionen zukünftiger Umweltbelastungen durch Recycling als wohl momentan häufigster Anwendungsfall, aber z. B. auch der Export von im Gebäude generierter Energie.

Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Phasen und Module des Lebenszyklus ist zu beachten, dass diese im Allgemeinen einen sehr unterschiedlichen Beitrag zur Ökobilanz eines Gebäudes leisten.

3 Wirkungskategorien

Wie bereits erwähnt, werden in einer Ökobilanz fast alle quantifizierbaren Umweltauswirkungen systematisch erfasst und dann in vergleichsweise wenigen Wirkungskategorien zusammengefasst.

Das Beispiel des Klimawandels verdeutlicht dies: Wenn Treibhausgase wie CO2 oder Methan in die Luft emittiert werden, führt dies über einen verstärkten Treibhauseffekt zu einer Erwärmung der Erdatmosphäre, die wiederum über vielfältige Folgen wie Anstieg des Meeresspiegels, veränderte Niederschlagsmuster usw. zu Schäden wie Verlust von Lebensraum oder Ernteausfällen führen kann. Der potenzielle Beitrag zur Erderwärmung wird bestimmt, indem man alle Emissionen von Treibhausgasen auf äquivalente Mengen der Leitsubstanz CO2 umrechnet.

Dieses Prinzip wird bei den meisten der gängigen Wirkungskategorien angewandt. Die wichtigsten Wirkungskategorien, wie sie in der Praxis verwendet werden, finden sich in Tab. 1.

Tab. 1 Wirkungskategorien in Ökobilanzen; in der Praxis werden diese z. T. noch weiter unterteilt

AbkürzungWirkungskategorieLeitsubstanz
GWP (Global Warming Potential)KlimawandelCO2
ODP (Ozone Depletion Potential)Abbau der stratosphärischen OzonschichtCFC-11
AP (Acidification Potential)VersauerungH+
EP (Eutrophication Potential)ÜberdüngungPO4/N
POCP (Photochemical Ozone Creation Potential)Troposphärische OzonbildungNMVOC
ADP (Abiotic Depletion Potential)Verknappung abiotischer RessourcenSb (Elemente)/MJ (Heizwert; fossile Energieträger)
WDP (Water Deprivation Potential)WasserentzugH2O

4 EPDs als Grundlage der Ökobilanz

Bei der Erstellung einer Ökobilanz stützt man sich im Allgemeinen auf sogenannte Hintergrunddaten, um den Aufwand überschaubar zu halten. Solche Hintergrunddaten kommen in Form von Umweltproduktdeklarationen (EPDs), die das ökologische Profil der verschiedenen Bauprodukte darstellen. Diese EPDs werden nach einheitlichen Regeln von Herstellern oder Verbänden erstellt und nach unabhängiger Verifizierung veröffentlicht. Dabei werden diese Daten getrennt nach den einzelnen Modulen im Lebenszyklus sowie den Wirkungskategorien wie oben dargestellt ausgewiesen. Bild 3 zeigt als Beispiel die entsprechenden Einträge einer EPD.

Bild 3 Beispiel der nummerischen Ergebnisse einer EPD für Bauprodukte
Quelle: Institut Bauen und Umwelt e.V.

Dadurch vereinfacht sich die eigentliche Bilanzierung eines Gebäudes deutlich: Man multipliziert nur die benötigte Menge der einzelnen Bauprodukte (die aus Materiallisten bekannt ist) mit den Werten aus der EPD und summiert dann über alle verwendeten Produkte. Außerdem müssen die Umweltauswirkungen des Energie- und Wasserverbrauchs während der Nutzung (Module B6, B7) separat berechnet werden. Diese Verbrauchswerte werden in Simulationsprogrammen abgeschätzt oder (bei bereits existierenden Gebäuden) aus Messungen gewonnen und dann mit den entsprechenden Werten für Energieträger bzw. Wasser aus Ökobilanz-Datenbanken multipliziert.

Die Erstellung der Ökobilanz eines Bauprojekts ist durch die Verfügbarkeit von EPDs sowie geeigneten Softwarepaketen in den letzten Jahren deutlich einfacher, benutzerfreundlicher und robuster gegen Fehler geworden. Dennoch gibt es hier noch weiteres Potenzial, welches nur mit weiterer Integration und Digitalisierung ausgeschöpft werden kann. Das Ziel ist es, dass diese Ökobilanz nicht mehr separat berechnet wird, sondern durch die eigentliche Planungssoftware per Mausklick erstellt werden kann. Dazu müssen nicht nur die entsprechenden Algorithmen für die Berechnung in der Software implementiert werden, es muss v. a. auch der weitgehend automatische Zugriff auf eine stets aktuelle EPD-Datenbank ermöglicht werden. Dieser letzte Punkt ist eine besondere Herausforderung für EPD-Programmhalter wie das Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU). Diese sitzen an der Schnittstelle zwischen den Bereitstellern der Daten (den Bauproduktherstellern) und den Nutzern (in diesem Falle der Planungssoftware) und müssen Digitalisierung konsequent in beide Richtungen denken, um einen sicheren und schnellen Datenfluss zu möglichst geringen Kosten zu garantieren.

5 Maschinenlesbare Datensätze als Grundlage der ökologischen Optimierung

Heutzutage liegen EPDs überwiegend als PDF-Dateien vor. Die Übertragung von Daten aus diesen konventionellen EPDs ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehleranfällig. Diese Nachteile können mit maschinenlesbaren Datensätzen vermieden werden. Wichtig ist hierbei, dass ein gemeinsames Datenformat verwendet wird. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat bereits vor einigen Jahren das von der Europäischen Kommission für die allgemeine Ökobilanzierung eingeführte Datenformat ILCD (International Life-Cycle Data) in das speziell auf die Anforderungen der Dokumentation des ökologischen Rucksacks von Bauprodukten zugeschnittene ILCD+EPD weiterentwickelt. EPDs im Format ILCD+EPD werden als XML-Dateien gespeichert und können problemlos von allen gängigen Softwareanwendungen importiert werden; so bilden maschinenlesbare Datensätze auch die Grund­lage für die EPD-Bibliotheken, die in den verfügbaren Software­paketen zur Ökobilanzierung von Bauprojekten angeboten werden. Dabei kann der Datenaustausch über eine entsprechende Schnittstelle (API) automatisiert werden, um die Aktualität der EPD-­Bibliothek sicherzustellen. Eine Darstellung der EPDs in jedem ­modernen Internet-Browser ist ebenfalls problemlos möglich. Die einfache, offene Struktur erlaubt es auch, das Format an wechselnde Anforderungen anzupassen und daraus Datensätze nach anderen Standards zu generieren. So werden sich z. B. auch die Anforderungen der in der Entwicklung befindlichen Norm ISO 22057 [3] erfüllen lassen.

Das Format ILCD+EPD wurde 2017 eingeführt und ist die Grundlage der Datenbank Ökobaudat, in der das BBSR entsprechende Datensätze insbesondere für die Zertifizierung von Projekten nach dem bundeseigenen Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB), aber auch für andere Anwendungen zur Verfügung stellt. Das IBU als wichtiger Partner der Ökobaudat hat ILCD+EPD zeitgleich eingeführt und nutzt es für seine eigene EPD-Datenbank IBU.data. Seither hat sich das Format in Europa bei allen namhaften Programmhaltern etabliert.

Mittlerweile sind etwa die Hälfte der beim IBU veröffentlichten EPDs auch als maschinenlesbare Datensätze verfügbar. Ab Mitte 2022 werden alle neu erstellten EPDs automatisch digitalisiert.

In Zukunft wird die Bedeutung der digitalisierten EPDs noch weiter zunehmen. Digitalisierung auf der einen und Nachhaltigkeit auf der anderen Seite sind zwei wesentliche Trends im Bauwesen, die uns auf absehbare Zeit begleiten werden. Im Einzelnen können folgende Entwicklungen gesehen werden:

  • Die Weiterentwicklung von BIM wird auch im Bereich der ökologischen Optimierung von Bauprojekten neue Möglichkeiten bis hin zur weitgehend automatisierten Ökobilanzierung bereitstellen. Wichtig ist hierbei, dass die EPDs über eine UUId (Universally Unique Identifier) angebunden werden können. Auf diese Weise werden die doch recht umfangreichen Daten zum ökologischen Profil der einzelnen Produkte und Dokumente nur dann geladen, wenn sie wirklich gebraucht werden.
  • Andererseits ist auch zu erwarten, dass die Anzahl der Nutzer von BIM-Software stetig wachsen wird. Auch das wird die Nachfrage nach maschinenlesbaren Datensätzen ankurbeln.
  • Erhöhte Vielfalt: Schon heute ist erkennbar, dass Ersteller von Ökobilanzen unterschiedliche Typen von EPDs benötigen. In frühen Planungsstadien benötigt man Durchschnittswerte für bestimmte Produktgruppen, bei der Detailplanung oder für die Zertifizierung jedoch möglichst produktspezifische Datensätze. Das kann sogar bis zu projektspezifischen EPDs gehen, bspw. für Sonderanfertigungen (z. B. Fenster und Türen) oder speziell für einzelne Projekte entwickelte Betonrezepturen. Diese zu erwartende Vielfalt an EPDs kann nur noch mit maschinenlesbaren Datensätzen gehandhabt werden.
  • Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass bei der Planung häufig mit recht komplexen Elementen gearbeitet wird, die aus mehreren Bauprodukten bestehen (z. B. kompletter Dach- oder Wandaufbau). EPDs stehen aber normalerweise für einzelne Bauprodukte zur Verfügung. Schon heute generieren Hersteller BIM-Datensätze für solche komplexen Elemente, allerdings noch ohne ökologische Informationen. In Zukunft werden auch EPDs auf dieser Ebene zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch die Aggregation von EPDs für einzelne Bauprodukte zu einer Deklaration für komplette Elemente wird durch die Digitalisierung deutlich vereinfacht bzw. in vielen Fällen sogar erst ermöglicht.
  • Das Thema Nachhaltigkeit ist zu Recht zu einer politischen Priorität ersten Rangs geworden, insbesondere auf europäischer Ebene. So sieht der im Dezember 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellte European Green Deal nichts weniger als eine weitgehende Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft vor, damit „im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist“ [4]. Für viele der im Rahmen des European Green Deal avisierten Initiativen und Maßnahmen sind detaillierte und verifizierte Daten zum ökologischen Fußabdruck von Produkten, wie sie die EPD liefert, unabdingbar. Man denke hier nur an die Taxonomie-Verordnung [5], deren Umsetzung im Immobilienbereich ohne solche Daten undenkbar ist.

Erste konkrete Nennungen von EPDs findet man bereits in offiziellen Dokumenten. So sieht der Entwurf der Kommission zur neuen Bauproduktenverordnung vom März 2022 vor, dass mit einem Link auf eine EPD der zukünftigen Pflicht zur Bereitstellung von nachhaltigkeitsbezogenen Informationen Genüge getan werden kann [6].

6 Digitale Unterstützung bei der Erstellung von EPDs

Aber nicht nur für die Nutzung von EPDs bietet die Digitalisierung handfeste Vorteile, auch die Erstellung wird mehr und mehr durch digitalisierte Prozesse optimiert.

Der konventionelle Weg der Erstellung und Verifizierung einer EPD ist vergleichsweise aufwendig: Zuerst wird die Wertschöpfungskette analysiert und in einem Ökobilanzmodell abgebildet. In dieses Modell werden die entsprechenden Zahlenwerte für z. B. Materialeinsatz, Energieverbrauch, Emissionen oder Transportdistanzen eingesetzt, um den ökologischen Rucksack berechnen und dann das abschließende EPD-Dokument samt den dazugehörigen Dokumenten wie z. B. dem verpflichtenden Hintergrundbericht (der nicht veröffentlicht wird, da er vertrauliche Informationen enthält) erstellt wird. Abschließend werden alle Elemente gründlich von einem unabhängigen Verifizierer überprüft und die EPD veröffentlicht.

Dieser Prozess ist zeit- und ressourcenaufwendig, kann aber mit entsprechend vorkonfigurierten Softwarelösungen (Tools) deutlich effizienter gestaltet werden.

Als weltweiter Vorreiter bei EPD-Programmen hat das IBU bereits 2012 das sogenannte EPD-Online-Tool eingeführt und für die Mehrzahl der EPDs verpflichtend gemacht. Bei diesem Tool handelt es sich um eine reine Unterstützung der Erstellung des eigentlichen EPD-Dokuments. Die Ökobilanzierung findet immer noch außerhalb des Tools statt. Nichtsdestotrotz bilden die klare Struktur und die z. T. vorgefertigten Textbausteine eine wesentliche Hilfe ins­besondere für weniger erfahrene EPD-Ersteller. Darüber hinaus sorgen einheitlicher Aufbau und Formatierung für eine leichtere Lesbarkeit durch den Anwender sowie eine vereinfachte Digitalisierung: Durch eine Vielzahl von (für den normalen Nutzer nicht sichtbaren) sogenannten Textmarken gibt es eine eindeutige Zuordnung von Informationen im PDF-Dokument zu den entsprechenden Feldern im maschinenlesbaren Format. So kann mithilfe eines relativ simplen Konvertierungsprogramms mit wenigen Mausklicks die digitale Version der EPD erstellt werden.

Nur kurze Zeit später hat die Entwicklung von Tools begonnen, die die Berechnung der Ökobilanz vereinfachen. Vereinfacht ausgedrückt erlauben es Tools, die Ökobilanz eines Produkts nur anhand einiger weniger, im Vorfeld als wichtig identifizierter Parameter zu berechnen. Das funktioniert üblicherweise nur für eine oder bestenfalls wenige eng verwandte Produktgruppen. Der Nutzer kann nur diese Parameter verändern; auf andere Bereiche wie die Modellierung der Prozesse oder die verwendeten Hintergrunddaten hat er keinen Zugriff. Solche Tools werden häufig von Verbänden erstellt, um für die von ihnen repräsentierten Produkte über alle Mitglieder hinweg mit geringem Aufwand EPDs erstellen zu können, aber auch einzelne Unternehmen mit einem großen Produktportfolio haben sich hier engagiert. Auch wenn ein Großteil der momentan beim IBU veröffentlichten EPDs nicht mithilfe solcher Tools berechnet wurde, gehört ihnen doch die Zukunft, und das Interesse an solchen Lösungen hat in den vergangenen Jahren merklich angezogen.

7 Zwei Arten von Tools für unterschiedliche Ansprüche

Beim LCA-Tool wird normalerweise nur die Ökobilanz berechnet. Die eigentliche EPD-Erstellung geschieht immer noch separat, üblicherweise im EPD-Online-Tool (Bild 4). Nach der Erstellung eines LCA-Tools wird eine sogenannte Pilot-EPD erstellt. Nach Überprüfung dieser EPD und des Tools durch einen Verifizierer des IBU wird das LCA-Tool durch das IBU zugelassen. Alle weiteren mit dem Tool erstellten EPDs durchlaufen einen verkürzten Verifizierungsprozess, bei dem im Wesentlichen die Ein- und Ausgabedaten auf Plausibilität sowie die Deklaration auf formale Aspekte geprüft werden.

Bild 4 Schematische Darstellung eines LCA-Tools
Quelle: Institut Bauen und Umwelt e.V.

Beim EPD-Tool geht man noch einen Schritt weiter. Hier wird ein komplettes EPD-Dokument erzeugt (Bild 5); außerdem wird die Integrität der Daten so weit sichergestellt, dass eine externe Verifizierung individueller Deklarationen nicht mehr nötig ist. Dies ist möglich z. B. bei Tools, die einem Konfigurator ähneln, bei denen also die treibenden Parameter in der EPD selbst genannt werden (Beispiel Fenster – Größe, Art der Verglasung und des Rahmens, Beschläge), oder bei der Übernahme dieser Parameter über manipulationssichere Schnittstellen aus einer Prozesssteuerungs-Software (Beispiel Fertigbeton). Beim Einsatz eines EPD-Tools gibt es nur eine jährliche Verifizierung einer Stichprobe der veröffentlichten EPDs.

Bild 5 Schematische Darstellung eines EPD-Tools

Die Vorteile beim Einsatz von Tools liegen auf der Hand:

  • Zeitersparnis: Insbesondere EPD-Tools erlauben die Erstellung von EPDs für neue Produkte buchstäblich in Minuten, aber auch bei LCA-Tools wird durch die klare Fokussierung auf eine überschaubare Zahl von Eingabedaten und den deutlich verkürzten Verifizierungsprozess eine deutliche Zeitersparnis erreicht.
  • Kostenersparnis: Tools ermöglichen es, neue EPDs mit geringem Aufwand sowie häufig ohne die Zuziehung externer Ökobilanzierer zu erstellen. Auch die Kosten für die Verifizierung sinken.
  • Flexibilität: Mithilfe von Tools kann z. B. auch auf Anfragen zu Nischenprodukten zeitnah reagiert werden.
  • Qualitätssicherung: Die Nutzung von Tools trägt durch die Vereinheitlichung von Prozessen und den ständigen Rückgriff auf die gleichen Daten und Algorithmen zu einer gleichbleibend hohen Qualität der erzeugten Dokumente bei.

Auf der anderen Seite muss man berücksichtigen, dass Programmierung und Einführung eines Tools auch mit einem nicht unerheblichen Kosten- und Zeitaufwand verbunden sind. Tools eignen sich daher besonders für Verbände, deren Mitglieder individuelle EPDs erstellen wollen, aber auch für Firmen mit einer breiten Palette an verwandten Produkten.

Auf dem hier dargestellten Weg der Digitalisierung wurden schon viele Schritte gemacht und wichtige Meilensteine erreicht. Trotzdem ist sich der Verfasser darüber im Klaren, dass noch steile und schwierige Abschnitte bevorstehen. Das IBU arbeitet mit einer Vielzahl von Partnern zusammen; stellvertretend seien hier das BBSR sowie die EcoPlatform als von verschiedenen EPD-Programmhaltern und weiteren Stakeholdern getragene Initiative genannt. Gemeinsames Ziel aller Akteure ist es, durch die kostenlose Bereitstellung der benötigten Hintergrunddaten die Ökobilanzierung zu einem Standardwerkzeug zu machen und damit das nachhaltige Bauen insgesamt zu unterstützen.


Literatur

  1. DIN EN ISO 14040:2021 (2021) Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen. Berlin: Beuth.
  2. DIN EN 15978:2012 (2012) Nachhaltigkeit von Bauwerken – ­Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode. Berlin: Beuth.
  3. prEN ISO 22057:2021 (2021) Nachhaltigkeit von Bauwerken – Datenvorlagen für die Verwendung von EPDs für Bauprodukte in BIM. Berlin: Beuth.
  4. COM 2019/640 final (2019) Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der europäische Grüne Deal. Brüssel.
  5. Verordnung 852/2020 (2020) Taxonomie-Verordnung. Brüssel: EU.
  6. COM 2022/144 final (2022) Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down harmonised conditions for the marketing of construction products, amendigs Regulation (EU) 2019/1020 and repealing Regulation (EU) 305/2011. Brüssel.

Autor

Dr. Alexander Röder, roeder@ibu-epd.com
Institut Bauen und Umwelt e.V.
www.ibu-epd.com

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