Was bestimmt die Qualität der Gebäude, die wir bewohnen, benutzen und tagtäglich sehen?
Für die einen ist es Ästhetik, für andere deren Substanz oder Funktionalität. Die meisten würden zustimmen, dass es auf das optimale Zusammenspiel aller Aspekte ankommt, doch in der Alltagspraxis dominiert schlicht das, was der Markt hergibt. Deutschland ist bei der Beschaffung von Baumaterial dabei hochgradig abhängig von ausländischen Importen, und aktuell werden weltweit nicht nur Sand und Kies knapp.
Die Mittel sind immer an die Bedingungen der Zeit geknüpft. So haben die Häuser, die unsere Großeltern als Nachkriegs-Architekt:innen bauten, zwar damals ihren Zweck erfüllt, doch konnten sie sich nicht vorstellen, dass ihre Enkelkinder irgendwann dafür zuständig sein müssten, den dadurch verursachten ökologischen Schaden zu beheben. Es ist schwer, vorangegangenen Generationen einen Vorwurf für ihre Verfehlungen zu machen, auch wenn die drängende Klimakrise sich bereits seit den 1970er-Jahren abzeichnet.
Was viele von uns Aktiven wütend macht, ist die Hilflosigkeit, die wir angesichts der Diskrepanz zwischen dem, was getan werden müsste, und dem, was getan wird, empfinden. Wir wollen Veränderungen erwirken, sehen jedoch, dass unser Handlungsspielraum als Ausführende begrenzt ist und die gesetzlichen Vorgaben sowie die Mühlen der Politik nur sehr langsam mahlen. Wir sind an das gebunden, was in der Errichtung als kostengünstigste Bauweise gilt. Langfristige ökonomische Betrachtungen und Verfügbarkeiten von Materialien im Rahmen sich stetig verschärfender Rohstoffknappheit bleiben meist außen vor. Bei steigendem Bedarf stellt sich die Frage, welche an sich gangbaren Wege wir noch nicht ausreichend in Betracht ziehen. Was wir erleben, ist eine weitgehende Beharrungsmentalität, die sich durch die Orientierung an der reinen Verwertbarkeit auszeichnet. Warum laufen wir nicht wie wild durch die Büros und über die Baustellen und suchen nach jedem Stückchen Erdöl, welches sich nicht durch seine unanfechtbare Notwendigkeit legitimiert, um es schnurstracks in den technischen Kreislauf der qualitätsverlustfreien Wiederverwertung zurückzuführen?
Sehen wir es nicht als unsere Aufgabe an? Haben wir das Gefühl, uns seien die Hände gebunden? Folgen wir unseren Chef:innen, die sagen, dass das so nicht gemacht wird, oder der Uhr, die uns angesichts der nahenden Mittagspause auf andere Gedanken bringt? Das wäre zu einfach. Und überdies noch Wasser auf den Mühlen der Skeptiker:innen. Nein, was wir brauchen, ist nicht nur ein Umdenken der gesamten Baubranche, sondern auch umfassende, politische Vorgaben, die produzierende Unternehmen animieren, Rohstoffe aus urbanen Minen zu priorisieren, zu kartieren, nach Ablauf zurückzunehmen und für Planende und Ausführende zu definieren, was ein Gebäude an ökologischen und gesundheitlichen Grenzwerten aufweisen darf bzw. muss. Es darf keine bilanzielle Aufrechnung zugelassen werden, welche es ermöglicht, die horrenden Folgekosten der Klimakatastrophe aus der Wertschöpfungskette herauszurechnen und zu vergemeinschaften. Ferner müssen die Kostenwahrheit und die Verteilung der Kosten adressiert werden. Eine faire CO2-Bepreisung, welche Unternehmen verpflichtet und Verbraucher:innen entlastet, würde bereits die richtigen Anreize setzen, um zirkuläre, vernakuläre und ökologische Bauweisen profitabel zu machen. Bauen, wie wir es heute betreiben, ist weder klima- noch sozialgerecht, nicht mehr zeitgemäß und schon gar nicht zukunftsfähig.
Immer wieder sollten wir uns deshalb die Frage stellen, wie wir die Baubranche nachhaltig beeinflussen und verändern können. Es gilt, überholte Meinungen und Bauweisen abzulegen und kollektiv in eine neue Richtung zu gehen, die einen breiten Konsens darüber schafft, dass gute Architektur notwendigerweise immer auch klimarelevante Aspekte beachtet. Wir verstehen uns in dieser Hinsicht nicht als Mahner moralischer Überlegenheit, sondern möchten vernetzen, vermitteln und konstruktive Diskussionen anstoßen. Wir sehen die Hemmnisse, die dem Wandel entgegenstehen. Ökonomische Sachzwänge, Zeitdruck und fragmentiertes Wissen erschweren es an allen Enden, klimaförderliche Lösungen auszuarbeiten und Konventionellem vorzuziehen. Doch dass es schwierig ist, sollte uns nicht davon abhalten, es zu versuchen.
Architects for Future Deutschland e.V.
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