Hand in Hand oder face to face?
Der Bau von Straßen wird von vielen v. a. als Eingriff in die Natur und als Versiegelung von Flächen und deshalb als wenig nachhaltig angesehen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass sich der Straßenbau heute weit überwiegend mit der Erhaltung der Infrastruktur befasst und dass die Wiederverwendung der Baustoffe im Straßenbau auf einem sehr hohen Niveau liegt. Trotzdem bestehen auch hier weitere Potenziale zur Steigerung der Nachhaltigkeit, die aktuell umfassend angegangen werden. Der Straßenbau befindet sich im Prozess einschneidender Veränderungen.
1 Positionierung des Straßenbaus – wie nachhaltig kann Straßenbau sein?
Jeder Einwohner in Deutschland verursacht heute pro Jahr etwa 8 t CO 2 -Äq. – das ist mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern, und das Niveau liegt fast exakt auf dem von China. Die Liste der Länder, die geringere Treibhausgasemissionen pro Kopf emittieren, ist lang – die mit den Ländern, die noch mehr ausweisen, kurz. Hauptverursacher dieser Emissionen in Deutschland sind die Energiewirtschaft und die Industrie, an dritter Stelle liegt der Verkehr, dem im vergangenen Jahr 148 Mio. t CO 2 -Äq. zugeschrieben wurden – das sind rd. 20 % der gesamten Treibhausgasemissionen hierzulande. Der Verkehr wiederum findet überwiegend auf Straßen statt, die mittlerweile zwar nur noch selten neu gebaut, aber doch in umfangreichem Maß erhalten und hinsichtlich ihrer Kapazität ausgebaut werden müssen. Dabei werden Baustoffe gewonnen, transportiert, verarbeitet sowie ein- und ausgebaut, was in jeder Phase den Einsatz von – derzeit noch weit überwiegend fossiler – Energie benötigt, wodurch besagte Emissionen verursacht werden.
Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, dass das Baugewerbe und insbesondere der Straßenbau wenig Aufmerksamkeit auf ökologische Aspekte legt, werden bereits in der Planungsphase umfangreiche Untersuchungen zum Artenschutz sowie zum Lärm- und Gesundheitsschutz inkl. etwaig anzusetzender Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt. Der Neubau von Straßen nimmt aber seit Langem schon keine dominante Größenordnung gegenüber der Erhaltung mehr ein und ist – im Gegensatz zu manch medialen Veröffentlichungen – nicht mehr wesentlich an der zunehmenden Flächenversiegelung beteiligt. Vielmehr ist der Anteil der Verkehrsfläche (aller Verkehrsträger) am Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, beträgt heute nur mehr rd. 8 % und fällt auch für die Erschließung von neuen Wohnbauten und Gewerbegebieten an.
Aber auch in der Ausführung des Straßenbaus hat man positive Aspekte auf dem Gebiet der ökologischen Nachhaltigkeit vorzuzeigen. In erster Linie ist hier die Verwertung der Baustoffe zu nennen. Häufig zu Recht angeführt wird die hohe Wiederverwendungsrate von Asphalt, die immerhin bei rd. 85 % liegt und somit am ehesten mit der von Glas oder Papier zu vergleichen ist. Und auch der Straßenbaubeton wird nach dessen Ausbau als hochwertiger Baustoff angesehen, der in den ungebundenen Schichten des Aufbaus wieder eingesetzt wird. Ein weiteres Beispiel ist der Lärmschutz: Man kann nicht ignorieren, dass von stark befahrenen Verkehrsverbindungen akustische Belästigungen ausgehen und dass sich über 20 % der Bevölkerung durch Straßenlärm mindestens stark belastet fühlen [1]. Mit der Entwicklung von lärmmindernden Belägen und anderen Lärmschutzeinrichtungen stehen aber auch effektive Maßnahmen zur Verfügung, diese Beeinträchtigungen deutlich zu reduzieren.
Anhand dieser aus Eigensicht der Straßenbaubranche entstandenen positiven Wahrnehmung der Beiträge zur ökologischen Nachhaltigkeit lässt sich nachvollziehen, dass für nicht wenige Beteiligte das vor wenigen Jahren aufgekommene Ansinnen nach verstärkten Bemühungen um weitere Fortschritte zunächst nicht ganz nachvollziehbar war. Tatsächlich entstand der damit verbundene Druck aber auf verschiedenen Ebenen und war umso umfassender. Die zahlreichen Demonstrationen v. a. junger Menschen und die gerichtlich veranlasste Verschärfung des Klimaschutzgesetzes waren nur einige Beispiele dafür. Ausschlaggebend war aber auch ein Gutachten des Bundesrechnungshofs, das in sehr klaren Formulierungen die Auffassung ausdrückte, dass das Bundesverkehrsministerium kein Konzept für die Umsetzung der von der Bundesregierung vorgelegten Nachhaltigkeitsstrategie habe, untätig sei und die Auffassung vertrete, der Bundesfernstraßenbau sei per se nachhaltig.
In der Straßenbaubranche wurde deshalb immer stärker diskutiert, wie eine Ausrichtung auf die Steigerung der Nachhaltigkeit erfolgen könnte. Der damit verbundene Prozess lief in bemerkenswerter Geschwindigkeit ab und führte zur Gründung oder auch zur Umwidmung div. Arbeitsgremien in der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), die auch maßgeblich für die Erstellung der Regelwerke zuständig ist. Im Zusammenwirken von politischen, wirtschaftlichen und forschenden Institutionen und Personen entstand eine Strategie, die zu einer deutlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowie des Energie- und Primärbaustoffverbrauchs im Straßenbau führen soll.
2 Strukturierung der Nachhaltigkeitsaspekte für den Straßenbau
In Anbetracht der 17 in der Nachhaltigkeitsstrategie verankerten Indikatoren und der Dringlichkeit zur Erzielung von umsetzbaren Ergebnissen konnte schnell Einigkeit darüber erzielt werden, dass eine Konzentration auf nur eine überschaubare Anzahl an Themen erfolgen sollte. Vor dem Hintergrund des Klimaschutzgesetzes, aber auch aufgrund der realen Wahrnehmung, dass die Anzahl und die Wirkung von Extremwetterereignissen merklich zunehmen, stand der Reduzierung der Treibhausgasemissionen die höchste Priorität zu. Gleichzeitig wurden aber auch den Verbräuchen an Primärbaustoffen und Energie herausgehobene Bedeu tungen zugeschrieben. Primärbaustoffe sind in diesem Zusammenhang als jungfräuliche Gesteinskörnungen und Bindemittel anzusehen. Der Gedanke der Nachhaltigkeit wird im Grunde davon getragen, dass für die Folgegenerationen weiterhin ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, weshalb diesem Indikator eine wesentliche Bedeutung zukommt. Hier allein Recyclingquoten zu berücksichtigen, ist nicht zielführend, da Beiträge zur Reduzierung des Primärbaustoffverbrauchs auch durch andere Ansätze wie bspw. bautechnische Verstärkungsmaßnahmen statt eines Abrisses und Neubaus erbracht werden können. Der Energieverbrauch wiederum bezieht sich derzeit fast ausschließlich auf fossile Quellen und entwickelt sich dementsprechend nahezu synchron zu den Treibhausgasemissionen. Mit Ersatz der fossilen durch regenerative Energieträger oder auch durch Umstellung von Baumaschinen auf Elektroantriebe wird sich dies ändern. Dieser Indikator wird deshalb bereits heute mit betrachtet, weil hinsichtlich der Energie auch eine Effizienzsteigerung bzw. eine Reduzierung ihres Verbrauchs als Ziel formuliert ist.
Alle am Straßenbau Beteiligten waren deshalb aufgefordert, Ansätze zu entwickeln, mit denen eine Verbesserung des Status quo auf diesen Gebieten erzielt werden kann, und entsprechende Veränderungen in die Regelwerke einzubringen. Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen war als bedeutsamer Teil der Nachhaltigkeit weiterhin zu berücksichtigen.
Die Beiträge der zusammengetragenen Maßnahmen können recht einfach den unterschiedlichen Nachhaltigkeitskennwerten (Tab. 1) zugeordnet werden, schwieriger ist es zu ermitteln, welche dieser Maßnahmen die größten Potenziale über den Lebenszyklus hinweg aufweist. Diese Information ist jedoch wichtig, um in möglichst kurzer Zeit einen möglichst großen Fortschritt erzielen zu können. Das hierzu erforderliche Verfahren benötigt eine umfassende Datensammlung (Bild 1) bezüglich der Leistungskennwerte der im Bauprozess verwendeten Maschinen und der durch ihren Einsatz emittierten Treibhausgase und verbrauchten Energien. Darüber hinaus mussten für eine Reihe von Parametern wie bspw. durchschnittliche Transportweiten, Wiederverwendungsraten oder auch Asphalt- und Betonrezepturen Grundlagen beschafft werden. Insbesondere aber waren für die Integration der Phase B (Nutzungsphase (Bild 2)) des Lebenszyklus auch Nutzungsdauern der einzelnen Aufbauschichten von Straßen festzulegen. Diese aufwendige Arbeit wurde in einem Forschungsauftrag [2] geleistet.
Tab. 1 Auswahl möglicher Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit beim Bauen und Erhalten von Straßen und deren Beitragsanteile
3 Bilanzierung der Nachhaltigkeitsindikatoren
Aus dem gleichen Forschungsauftrag ging ein Tool hervor, mit dem die betrachteten Nachhaltigkeitsindikatoren über den Lebenszyklus von Straßen hinweg detailliert bilanziert werden können. Es handelt sich dabei nicht um eine kommerziell einsetzbare Software, sondern um eine Excel-Anwendung mit sehr umfangreichen Datenverknüpfungen, die das Tool insgesamt nicht anwendungsfreundlich präsentieren. Bedeutsam darin sind jedoch die Eingangsdaten sowie die Systematik der Bilanzierung, die den zukünftigen Weg der Nachhaltigkeitsbewertung im Straßenbau vorgeben. Es ist davon auszugehen, dass diese Teile des Tools in naher Zukunft in professionellen Programmen umgesetzt werden.
Der europäisch genormte Lebenszyklus (DIN EN 15643) wurde für die Bilanzierung auf den Straßenbau übertragen, wobei die Phase A0, die sich auf die Planung bezieht, nicht berücksichtigt und einige Phasen in der Produktnutzung eliminiert wurden. Hierbei handelt es sich zum einen um die Phase B2 Wartung , die sich bei Straßen vorrangig auf Bereiche außerhalb des Baus bezieht, sowie die Phasen B6–B8, die sich auf den Straßenbetrieb bzw. die Nutzung der Straßen fokussieren. Die Bilanzierung ist also klar abgegrenzt auf den Bau und die Erhaltung der Straßen und betrachtet weder die Beiträge des Betriebsdiensts noch die des Verkehrs. Weiterhin wurde die Phase B4 Austausch formal umbenannt in Erneuerung , um dem im Straßenbau gebräuchlichen Begriff zu installieren und etwaige Unklarheiten zu vermeiden.
Im Gegensatz zu vielen Produktlebenszyklen wurde bei der Konzeption des Lebenszyklus für die Straße nicht von einem Lebensende ausgegangen. Vielmehr wird die Straße als ein fortwährend bestehendes Infrastrukturelement gesehen, das durch laufende Erhaltung auf absehbare Zeit weiterhin genutzt werden wird. Der Lebenszyklus wurde deshalb aus einem linearen Teil, der den Neubau der Strecke umfasst, und einem zirkulären Teil für die Er haltung aufgebaut (Bild 2). Im zirkulären Teil wird die Straße zur Abwicklung des Verkehrs genutzt, bis eine Instandsetzung (B3) erforderlich wird. Für die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme sind bauliche Tätigkeiten erforderlich, die durch Beiträge aller berücksichtigen A-Phasen (A1–A5) Eingang in die Bilanz finden. Gleichzeitig werden Rückbau- und eventuell auch Entsorgungsprozesse (Phasen C1–C4) mit angesetzt. Nach Abschluss der Instandsetzungsmaßnahme wird die Straße weiterhin genutzt, bis wiederum eine weitere Instandsetzungs- oder gar eine Erneuerungsmaßnahme ansteht. Die jeweiligen Eingreifzeitpunkte wurden für die unterschiedlichen Bauweisen und Befestigungsvarianten auf der Grundlage von Erfahrungswerten und einigen statistischen Auswertungen unterschiedlich festgelegt.
Anhand des so festgelegten Lebenszyklus können mit dem Tool die beim Bauen und Erhalten von Straßen emittierten Treibhausgase sowie die Energie- und Primärbaustoffverbräuche ermittelt werden. Diese Bilanzierung erfolgt stets über einen Zeitraum von 50 Jahren, wodurch gewährleistet ist, dass jede aktuell verwendete Befestigung mindestens eine grundhafte Erneuerung angesetzt bekommt. Die ermittelten Summen können als Absolutwerte oder abschließend auf jährliche Werte umgerechnet für vergleichende Betrachtungen genutzt werden. Ökologische Gutschriften (Benefits) werden in dieser Bilanzierung nicht unterstützt, weil durch sie die Gefahr der doppelten Anrechnung der Wiederverwendung besteht. Stattdessen wird die Verwendung von rezyklierten Baustoffen bzw. von Asphaltgranulat in der Phase der Baustoffherstellung berücksichtigt.
Mit dem Tool ermittelte Analyseergebnisse zeigen, dass sie in Bezug auf die Verteilung der Treibhausgasemissionen auf die verschiedenen Lebenszyklusphasen denen anderer Untersuchungen im europäischen Ausland ähneln. Sie offenbaren, dass die größten Emissionen in den Phasen der Rohstoffgewinnung (A1) und der Baustoffherstellung (A3) entstehen (Bild 3). Dies legt den Ansatz nahe, sich bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen zunächst auf diese Phasen zu konzentrieren.
4 Nachhaltigkeitspotenziale für den Straßenbau ermitteln
In den Straßenbauverwaltungen, bei der Autobahn-Gesellschaft und in der Industrie bestehen vielfältige Ansätze, mit denen die Nachhaltigkeit im Straßenbau positiv beeinflusst werden kann. Entsprechend werden derzeit verschiedene Perspektiven eingenommen und in Ausschreibungen von Baumaßnahmen probeweise umgesetzt. Diesen Pilotprojekten ist jedoch gemein, dass sie sich in ihren Analysen und Ausschreibungen allein auf die Phasen A1–A4 beziehen und somit dem Gedanken der Lebenszyklusbewertung nicht gerecht werden. Aufgrund dessen ist der Nutzen der jeweiligen Ansätze auch nicht bekannt, und so kann nicht abgeschätzt werden, ob man sich damit auf einen Weg begibt, der zu bedeutenden Fortschritten führt. Um hierfür die notwendigen Ergebnisse zu liefern und eine Richtung der Entwicklung anzustoßen, wurden mit dem Bilanzierungstool verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Zum einen wurde der aktuell in Deutschland bestehende Stand im Straßenbau in Bezug auf die verwendeten Baustoffmischungen, die Wiederverwendung und weitere Parameter abgeschätzt und in einem Referenzfall festgehalten. Die mit ihm ermittelten Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus dienen als Bezugsgröße für eine Reihe von Szenarien, die verschiedene mögliche Entwicklungen zur Steigerung der Nachhaltigkeit abbilden. Als Beispiele solcher Maßnahmen sind der Einsatz klimaschonender Zemente, die Reduzierung von Temperaturen im Asphaltmischwerk, die Veränderung des eingesetzten Energieträgers zur Erwärmung von Asphalt oder die Steigerung der Wiederverwendung zu nennen. Hierzu wurden entsprechende Szenarien festgelegt und dem Referenzfall gegenübergestellt.
Wie Tab. 2 zeigt, besteht der größte Erfolg hinsichtlich aller betrachteten Kennwerte der Nachhaltigkeit in der Steigerung der Nutzungsdauer, die in diesem Szenario in etwa verdoppelt wurde. Da man sich in der Fachwelt auch vor den rechnerischen Analysen diesbezüglich einig war, überrascht dieses Ergebnis nicht. Der Ansatz verspricht zudem gleichzeitig einen Nutzen für alle anderen derzeit betrachteten Kenngrößen und darüber hinaus für die Verfügbarkeit des Straßennetzes. Auch die Umstellung des Energieträgers am Asphaltmischwerk von Braunkohlestaub auf Gas, was allein schon aufgrund der Einstellung des Abbaus von Braunkohle erfolgen wird, bringt einen deutlichen Beitrag. Bei der Betonbauweise ist die Umstellung auf klimaschonendere Zemente in der unteren Deckenlage mit bedeutsamen Reduzierungen der Treibhausgasemissionen verbunden. Über den Lebenszyklus hinweg liegt das Potenzial hier bei etwa 15 %.
Tab. 2 Einfluss verschiedener Maßnahmen auf die Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus einer Asphaltstraße (Bauweise nach Zeile 1 der RStO, Bk100, RQ 31,5)
Es wird aber auch deutlich, dass durch die aktuell bereits sehr hohen Wiederverwendungsraten beim Asphalt in der weiteren Steigerung nur wenig Potenzial gesehen werden muss. Erstrebenswert ist, dass die Voraussetzungen für eine hochwertige Wiederverwendung allerorten geschaffen werden, damit nicht nur Treibhausgasemissionen reduziert, sondern auch Baustoffressourcen geschont werden; ein noch höherer Anteil an Asphaltgranulat im Mischgut birgt aber oberhalb der derzeit zulässigen Grenzen die große Gefahr, dass die Nutzungsdauer der daraus erstellten Schicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Wiederverwendung bereits so lange etabliert ist, dass man sich in sehr vielen Fällen bereits im zweiten oder gar dritten Wiederverwendungszyklus befindet und die Materialeigenschaften nicht unendlich lange auf dem anforderungsgerechten Qualitätsniveau verbleiben werden.
5 Nachhaltigkeitspotenziale für den Straßenbau umsetzen
Die Ergebnisse der vorgestellten Analysen bilden die Grundlage für die Umsetzung von Maßnahmen, mit denen in erster Linie ein Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen geleistet werden kann. Somit liegt das Hauptaugenmerk auf der Steigerung der Nutzungsdauer von Straßenbefestigungen und deren Schichten, was wiederum durch veränderte Bauweisen sowie Qualitätsverbesserungen und andere Baustoffe erreicht werden kann.
Für die Gesamtbefestigung einer Straße ist die Erhöhung der Nutzungsdauer ein einfaches Angehen, da dafür schlicht die Dicke des gebundenen Oberbaus erhöht werden müsste. Hierdurch wird jedoch eine größere Baustoffmenge benötigt, weshalb es sinnvoller ist, die Qualität der Asphalttragschicht so zu verbessern, dass selbst für eine Verdopplung der Nutzungsdauer keine zusätzlichen Massen erforderlich werden. Dies ist über eine Optimierung der Asphaltzusammensetzung mit einem gesteigerten Bindemitteleinsatz, zuverlässiger voraussichtlich noch über den Einsatz von polymermodifizierten Bindemitteln, zu erreichen. Untersuchungen aus dem nationalen und internationalen Bereich zeigen, dass bei gezielter Auswahl eines geeigneten Bitumens eine deutliche Verbesserung der Dauerhaftigkeit erreicht wird. Überschlägige Berechnungen anhand der rechnerischen Dimensionierung der gesamten Straßenbefestigung (nach RDO Asphalt) haben ergeben, dass für eine Steigerung der Nutzungsdauer auf mindestens 60 Jahre der Einsatz eines polymermodifizierten Bindemittels in der unteren Asphalttragschichtlage ausreicht und dafür lediglich Mehrkosten in Höhe von rd. 5 % zu investieren sind.
Für die Deck- und Binderschicht sind solche Berechnungen aufgrund fehlender Schadenmodelle derzeit noch nicht möglich und hier erscheint es zunächst auch schwieriger, eine Qualitätsverbesserung bspw. des Splittmastixasphalts als im Bundesfernstraßenbau überwiegend eingesetzte Asphaltdeckschicht zu realisieren, die zu mehreren zusätzlichen Jahren an Nutzungsdauern führen könnte. Allerdings stehen mit der alternativen Deckschichtart aus Gussasphalt oder besser einer Decke in kompakter Bauweise Möglichkeiten zur Verfügung. Beide Varianten wurden in der Vergangenheit aufgrund der höheren initialen Kosten wenig eingesetzt, sind nach Analysen der Bundesanstalt für Straßenwesen [3] jedoch geeignet, die Eingreifzeitpunkte für Erhaltungsmaßnahmen erheblich in die positive Richtung zu verschieben, wodurch sich die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes deutlich verbessert. Da der Gussasphalt jedoch hohe Temperaturen benötigt, was in Anbetracht der Diskussion um den Arbeitsplatzgrenzwert für Dämpfe und Aerosole und auch mit Blick auf den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen negativ zu bewerten ist, erscheint der Einsatz von Kompaktasphalt für die Deck- und Binderschicht sinnvoller. Dass der Kompaktasphalt heute noch nicht in großem Umfang angewendet wird, wird immer wieder damit begründet, dass es nicht möglich sei, die dafür erforderlichen Asphaltmengen für die Baumaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Anhand einer Erfassung aller fast 600 in Deutschland betriebenen Asphaltmischwerke in einem Geoinformationssystem und der Ermittlung der Bereiche, die von drei Mischwerken innerhalb eines Radius von 30 km beliefert werden können, wird jedoch deutlich, dass eine große Abdeckung der Straßeninfrastruktur gegeben ist (Bild 4). In Bezug auf das Autobahnnetz beträgt diese etwa 86 %. Für eine häufigere Anwendung des Kompaktasphalts sind zwar auch mehr Fertiger erforderlich, diese wären allerdings – bei entsprechender Auftragsausschreibung – durch die Bauindustrie zu beschaffen.
Aus diesen Betrachtungen entstand das Konzept der sog. Ewigkeitsstraße. Es vereint eine auf 60 Jahre dimensionierte Straßenbefestigung mit einer in kompakter Bauweise hergestellten Asphaltdecke. Eine solche Straßenbefestigung läge voraussichtlich über Jahrzehnte hinweg – abgesehen von kleineren Maßnahmen – maßnahmenfrei und würde somit nicht nur Treibhausgasemissionen und Baustoffverbräuche verringern, sondern auch keine baustellenbedingten Staus verursachen. Dass sich dieses Konzept auch wirtschaftlich darstellt, zeigt die anhand grober Abschätzungen vollzogene Berechnung in Tab. 3.
Im Betonstraßenbau sind diese geringen Erhaltungsaufwendungen einer Asphalt-Ewigkeitsstraße im Zuge des Lebenszyklus systemimmanent weitgehend verwirklicht, wodurch der Gesamtbaustoffeinsatz etwa 5–10 % unterhalb dessen von Asphaltbefestigungen liegt. Bezogen auf den Einsatz neuer Baustoffe, also unter Berücksichtigung der Wiederverwendung von Asphalt, liegt dieser bei Betonstraßen allerdings trotzdem etwa 25 % oberhalb dessen von Asphaltstraßen. Dass die Betonbauweise hier aber gegenüber einer Asphaltbauweise hinsichtlich der Erhaltungskosten geringere Aufwendungen erforderlich macht, ist hinlänglich dokumentiert [4].
Die Betonbauweise besitzt aber auch noch deutliches Potenzial bei der Erhöhung der Nutzungsdauer. Allein über die Wahl einer höheren Betonfestigkeit lassen sich rein rechnerisch selbst bei hohen Verkehrsbelastungen Dauerhaftigkeiten von mehr als 50 Jahren erzielen. Weitere Potenziale liegen in größeren Deckendicken, die eventuell aber auch zu veränderten Konstruktionsdetails bspw. hinsichtlich der Plattengeometrien, Fugen, Dübel und Anker veranlassen müssten. Hierzu liegen aus dem Flugplatzbau nutzbare Erfahrungen vor. Ob sich solche Bauweisen wirtschaftlich darstellen oder ob es dann sinnvoller ist, eine dünnere, dafür aber durchgehend bewehrte Konstruktion vorzusehen, müssen derzeit laufende Forschungsprojekte [5] und angelegte Versuchsstrecken zeigen. Auch für diese Bewertung sind allein Betrachtungen über den gesamten Lebenszyklus – unter Einbeziehung des Rückbaus und der Wiederverwendung – zielführend.
6 Aktuelle Situation und Ausblick
Im Straßenbau werden von der Planung bis zum Rückbau seit Langem viele Maßnahmen zum Schutz des Menschen und der Umwelt vorgesehen und durchgeführt. Im Gegensatz zum Hochbau wurde die Nachhaltigkeitsbewertung beim Bau und bei der Erhaltung der Straßeninfrastruktur bislang nicht eingeführt. In Anbetracht des Klimaschutzes ist es aber in allen Wirtschaftsbereichen erforderlich, in erster Linie Beiträge zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu leisten sowie weitere Nachhaltigkeitsindikatoren zu erbringen. Die Straßenbaubranche hat deshalb innerhalb der zurückliegenden zwei Jahre erhebliche Anstrengungen unternommen, um eine Strategie zum Klimaschutz zu entwickeln und die Voraussetzungen zur Einführung neuer bautechnischer, aber auch bilanzierender bis hin zu vergabetauglicher Verfahren zu schaffen. Mittlerweile ist bekannt, durch welche Maßnahmen wesentliche Fortschritte in Bezug auf den Klimaschutz erreicht werden können. Dass diese Maßnahmen nicht zum Nulltarif zu haben sein werden, ist naheliegend, wenn man bspw. an die technische Umrüstung der Asphaltmischwerke für klimaschonendere Energieträger und eine noch bessere Wiederverwendung denkt. Gleichzeitig zeigt das Beispiel des Ewigkeitsstraßen-Konzepts, dass mit einigen Ansätzen auch ein wirtschaftlicheres Handeln erzielt wird. In beiden Fällen erscheint es geradezu zwingend, Baumaßnahmen nicht allein anhand der reinen Erstellungskosten, sondern auf der Grundlage von Lebenszykluskosten zu bewerten und hierzu weitere Kriterien wie die Treibhausgasemissionen mit in die Wertung einzubeziehen. Als Voraussetzung hierfür werden Umweltproduktdeklarationen (EPD) auf der Basis abgestimmter Product Category Rules (PCR) gesehen. Deren Erstellung ist auf der Ebene der entsprechenden Bauverbände aktuell in Bearbeitung und bereits weit fortgeschritten, es wird jedoch noch etwas dauern, bis in den Mischwerken EPDs vorliegen und genutzt werden. In dieser Zeit werden nunmehr die organisatorischen Strukturen zu ihrer Nutzung aufgebaut. Es wird davon ausgegangen, dass diese durch die später anstehende Einführung der neuen Regelungen zur Bauproduktenverordnung nicht wesentlich beeinflusst werden.
Derweil wird bereits eine Reihe von Ansätzen zur Steigerung der Nachhaltigkeit im Straßenbau in den neu erscheinenden Regelwerken eingebracht. So sieht die Neuausgabe der Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen [6] vor, dass bei der Prüfung und Festlegung, ob eine Erneuerung bei teilweisem Ersatz der vorhandenen Befestigung oder als Erneuerung auf der vorhandenen Befestigung ausgeführt werden soll, die Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen sind. Im Weiteren sowie bei allen Neu- und Ausbaumaßnahmen sind Überlegungen anzustellen, ob nicht höhere Nutzungsdauern, oberhalb von 30 Jahren, anzusetzen wären. Darüber hinaus können zur Schonung der natürlichen Ressourcen bei Belastungsklassen bis Bk1,8 Befestigungen mit bitumendominant gebundenen Schichten in Kaltbauweise sowie die Asphaltfundationsschichten im Heißeinbau eingesetzt werden. Außerdem wird in den zukünftigen Regelwerken des Asphalts, die für das erste Halbjahr 2025 erwartet werden, ausschließlich temperaturabgesenkter Asphalt verankert sein.
Literatur
- Belz, J. et al. (2022) Umweltbewusstsein in Deutschland 2020 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage . Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.
- Kessel, T. W. (2023) FE 04.0341: Nachhaltigkeitspotentiale im Straßenbau mit dem Fokus auf Treibhausemissionen, Energiebedarf und Ressourcenschonung . Bergisch Gladbach: Bundesanstalt für Straßenwesen.
- Zander, U. (2021) Die Straße im Spannungsfeld von Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit. Straße und Autobahn, H. 7, S. 527–537.
- BMVBW (2005) Kriterien für die Wahl und Bewertung unterschiedlicher Bauweisen für den Oberbau von Bundesfernstraßen mit getrennten Richtungsfahrbahnen . Allgemeines Rundschreiben Straßenbau 05/2005. Bonn: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
- Neumann, J. R. (2022) Asphaltdeckschicht auf durchgehend bewehrter Betondecke; wissenschaftliche Begleitung der Versuchsstrecken während der Betriebsphase . RWTH Aachen.
- FGSV (2024) Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12/24). Köln: FGSV-Verlag.
Autor:in
Prof. Dr. Ulf Zander, Zander@bast.de
Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Abteilung Straßenbautechnik, Bergisch Gladbach
www.bast.de