Im Gespräch mit Niels Bartels und Dirk Brandt

Ökologische Nachhaltigkeit von Smart Buildings

Die Digitalisierung von Immobilien ist ein Hoffnungsträger, um den bereits in vollem Gange befindlichen Wandel unseres Klimas halbwegs im Griff zu behalten. Aber bilden bspw. Smart Buildings wirklich eine so smarte Lösung wie es scheint? Oder ist der digitale Klimaschutz nur ein Feigenblatt, der Klimaschäden etwa von der Immobilie in Rechenzentren verlagert? Studien gibt es dazu bislang kaum. Annelie Casper, gefma, sprach mit Niels Bartels, ­Professor für Digitales Planen und Bauen an der Technischen Hochschule Köln, sowie mit Geschäftsführer Key Accounts von Strabag Property and Facility Services und gefma-­Vorstandsmitglied Dirk Brandt.

In Deutschland entfallen 35% des Gesamtenergieverbrauchs auf Gebäude, die zu 30 % der jährlichen CO2 -Emissionen beitragen. Nahezu 75 % der Kohlenstoffemissionen entstehen während des Immobilienbetriebs. Liegt hier der Schlüssel für eine nachhaltige Immobilienwirtschaft?

Dirk Brandt: Absolut! Das Facility-Management ist der Lösungsmanager für die Nachhaltigkeit, v. a. von Bestandsimmobilien. Dieser Fakt kommt leider im oft hierarchischen Gefälle vom Asset-Management über das Property-Management bis zum Facility-Management noch immer zu kurz. Hier bedarf es deutlich mehr Augenhöhe zwischen den einzelnen Akteuren und eines tieferen Verständnisses für die Kompetenzen der einzelnen Diszi­plinen.

Wenn man in die sozialen Business Networks schaut, gewinnt man den Eindruck, dass intelligente Gebäude der Schlüssel zum Klimaschutz sind. Prof. Bartels, Sie haben sich wissenschaftlich damit beschäftigt. Ist das schickes Marketing oder haben wir hier wirklich einen Hebel für mehr Nachhaltigkeit?

Niels Bartels: Derzeit mangelt es an umfassenden wissenschaftlichen Studien zur ökologischen Nachhaltigkeit von Smart Buildings, insbesondere die Optimierungspotenziale während der Nutzung sowie die tatsächliche Umsetzung durch das Facility-Management (FM) sind nicht erforscht. Allgemeinhin wird gesagt, dass sich durch den Einsatz einer Gebäudeautomation derzeit etwa 10 % Energie einsparen lassen. Die Anbieter von Smart-Building-Lösungen positionieren Smart Buildings als Motor für noch mehr ökologische Nachhaltigkeit im Gebäudesektor. Ihr Fokus liegt auf der Verringerung des Energieverbrauchs sowie der Kostensenkung und Steigerung des Komforts durch intelligente Optimierungssysteme, die den Energieverbrauch an die Belegung und Nutzung der Immobilie anpassen.

Anbieter von Smart-Building-Lösungen positionieren Smart Buildings als Motor für noch mehr ökologische Nachhaltigkeit

Das klingt nach einem ambitionierten Anspruch für einen Beitrag zum Klimaschutz. Ist dieser belegbar?

N. B.: Das konnten wir in unseren wissenschaftlichen Untersuchungen nicht vollumfänglich belegen. Es werden seitens der Anbieter von Smart-Building-Lösungen keine Angaben zu den Ausgangswerten oder zur Berechnungsgrundlage für die prognostizierten Einsparungen gemacht. Außerdem existieren überwiegend keine Angaben darüber, ob sich die Einsparungen auf thermische oder elektrische Energie beziehen. Zudem sind die angegebenen Zahlen nicht belegbar, da häufig pauschale Aussagen über CO 2 -Einsparungen gemacht werden. Weiche Faktoren wie die Steigerung des Komfortgefühls der Nutzer sowie sinkende Personalkosten durch ein gesünderes Umfeld werden häufig durch subjektive und nicht messbare Aussagen suggeriert. Der Fokus der angebotenen Lösungen liegt auf langfristigen Einsparpotenzialen und nicht auf kurzfristigen Mehrwerten. Änderungen in der Nutzung oder im Betrieb der Immobilie und andere relevante Faktoren auf der technischen Seite werden nicht erwähnt.

Das klingt danach, als gäbe es Nachhaltigkeit nicht als Standardprodukt im Regal von Tech-Unternehmen …

D. B.: Mittlerweile helfen Anwendungen dank künstlicher Intelligenz, den riesigen Datensatz in den Immobilien auszuwerten und Ableitungen für Optimierungen vorzunehmen. Im Praxiseinsatz haben wir bereits Optimierungseffekte in diversen Objekten von rd. 20 % erzielen können. Wir dürfen dabei zwei Punkte nicht außer Acht lassen, die ganz wesentlich sind, um Bestandsimmobilien nachhaltiger zu machen. Erstens sind Gebäude so individuell wie ihre Nutzer. Das schließt schon aus, dass es eine einzige nachhaltige Lösung für alle Bestandsimmobilien gibt, umgekehrt lassen sich schon Cluster bilden, z. B. treten in ähnlichen Baujahren immer gleiche Schwachstellen im Gebäude auf. Trotzdem müssen wir jede Immobilie individuell betrachten und werden feststellen, dass wir zahlreiche Chancen für eine Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks finden. Das fängt bei der Gebäudetechnik an, geht über die Prozesse im Gebäude bis hin zum Standort der Immobilie. Jetzt wird sehr schnell deutlich, dass wir nicht einfach ein technisches Gerät installieren können. Wir brauchen einen Kenner der Gebäude und ihrer Individualität. Das ist der Facility-Manager. Er hat die Aufgabe, die einzelnen Handlungsoptionen für mehr Nachhaltigkeit zu einem Netzwerk für Klimaschutz zu verbinden. Natürlich setzt er bei der Realisierung auf individuell passende, digitale Lösungen, muss aber weiter Herr des komplexen Gesamtprozesses bleiben.

Der Facility-Manager hat die Aufgabe, die einzelnen Handlungsoptionen für mehr Nachhaltigkeit zu einem Netzwerk für Klimaschutz zu verbinden

Eine sinnvolle Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Welche Hausaufgaben müssen die Anbieter smarter Gebäudetechnik erledigen, um wirklich smarte Lösungen für den Klimaschutz von Immobilien anzubieten?

N. B.: Es ist notwendig, eine standardisierte Datengrundlage für die ökologische Bewertung von Smart Buildings zu schaffen, in der auch Aspekte wie das Embodied Carbon, also die Kohlendioxidemissionen während des gesamten Lebenszyklus einer Immobilie, und die Nutzung seltener Erden für Sensorik, Verkabelung oder Server aufgeführt werden. Zusätzlich werden aktuell Daten regelmäßig nur erfasst, ohne die weiteren Beteiligten, wie Nutzer, Facility-Management und Eigentümer, einzubeziehen. Darüber hinaus werden in gängigen Zertifizierungssystemen häufig nur die Werte aus der Planung genutzt und nicht die Werte, die tatsächlich im Betrieb auftreten. Zur Validierung der Datengrundlage gilt es deshalb, diese anhand von realen Gebäuden über einen längeren Zeitraum zu erfassen.

Was ist also jetzt zu tun?

N. B.: Es ist jetzt notwendig, eine Roadmap für die Implementierung von Smart-Building-Lösungen, v. a. unter Berücksichtigung der Expertise des Facility-Managements, zu erarbeiten. Dafür sind die verschiedenen Stakeholder und Verbände einzubeziehen, um gemeinsame Standards zu erarbeiten und in die Praxis umzusetzen.


Ergänzende Literatur

Aouichaoui, S.; Koller, F.; Bartels, N. (2024) Analyse der ökologischen Nachhaltigkeit von Smart Buildings. nbau. Nachhaltig Bauen 3, H. 2, S. 28–32. www.nbau.org/2024/04/19/analyse-der-oekologischen- nachhaltigkeit -von-smart-buildings


Prof. Dr.-Ing. Niels Bartels, niels.bartels@th-koeln.de
TH Köln, Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik
Professur für Digitales Planen und Bauen
www.th-koeln.de/personen/niels.bartels

Dirk Brandt, dirk.brandt@strabag-pfs.com
Geschäftsführer Key Accounts
STRABAG Property and Facility Services (STRABAG PFS)
www.strabag-pfs.de

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