2. Symposium Nachhaltige Europäische Bauwende
Am 18. April 2024 fand in Bielefeld das 2. Symposium Nachhaltige Europäische Bauwende statt. In seiner Begrüßung hob Schüco-Gesellschafter Andreas Engelhardt hervor, dass man gerne vorangehe bei Themen wie Kreislaufwirtschaft und Rücknahmeversprechen, aber auch wolle, dass alle mitmachen. Die notwendige Transformationsaufgabe sei aber bei der Politik noch nicht richtig angekommen. Das griff Bernhard Dahldrup, MdB und SPD-Obmann für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, in einem politischen Impuls auf, stellte fest, dass kein Klimaschutz am Ende mehr Geld koste als Klimaschutz, dieser aber nur mit breiter Zustimmung der Bevölkerung möglich sei und die aktuell größten Effekte mit der Sanierung des Bestands zu erreichen seien.
Dr. Bernhard Hauke, der im Namen der Veranstalter ABE, nbau und Schüco durch das Symposium führte, sagte einführend, dass der Bedarf für Bestandsbau und Neubau da sei, gleichzeitig aber Bauen dekarbonisiert werden solle. Wie das gelingen kann, sollte in vier Themenblöcken mit Impulsen aus verschiedenen Perspektiven sowie mit zusätzlichen Diskutanten betrachtet werden.
Los ging es mit dem Thema Stadt & Kulturerbe und dem Impuls von Christa Reicher, Professorin für Städtebau an der RWTH Aachen, zur Stadt als Ressource. Sie hob diese als Ort von Modernisierung und Innovation hervor, aber gleichzeitig auch als Verursacherin und Opfer des Klimawandels. Folglich müsse die Stadt einen bedeutenden Anteil bei dessen Begrenzung einnehmen, insbesondere durch Nutzung des Bestands vor Neubau. Leerstände, gerade in den Zentren, wie etwa ehemalige Warenhäuser, böten enormes Potenzial, graue Energie zu goldener zu machen. Bei Neubau müsse hingegen ein größerer Wert auf Suffizienz und Resilienz gelegt werden. Wir brauchen neue Wege in der Städteplanung.
Weiter ging es mit Uta Pottgießer, Professorin für Baukonstruktion an der TH OWL sowie für Kulturerbe an der TU Delft, mit einem Impuls Resilientes Kulturerbe der Moderne. Die Ausbildung an den Hochschulen sei noch immer zu sehr auf den Neubau ausgerichtet und zu wenig auf die Sanierung. Auch sei der Massenwohnungsbau in Deutschland leider eher negativ behaftet, auch wenn dieser ein Teil der Lösung sei, was in den USA oder der Schweiz längst erkannt wurde. Wir müssen miteinander reden, aber v. a. endlich handeln. An der Diskussion beteiligte sich auch Prof. Oliver Hall von der Detmolder Schule für Gestaltung, der mehr kommunale Mittel forderte, um 15 Mio. Einfamilienhäuser zu transformieren. Christa Reicher warb für Partizipation, weil nicht nur nachverdichtet werden dürfe, sondern auch Grünflächen Teil der Stadt seien. Und Uta Pottgießer plädierte schließlich für soziale Innovation, z. B. dass Studierende mit in Einfamilienhäusern wohnen.
Der zweite Themenblock Klimaneutrale Städte & Kommunen startete mit einem Impuls von Thomas Möller, Leiter der Klimastabstelle Münster auf dem Weg zur Klimastadt. Ein zentrales Thema sei dabei der Umgang mit den Gebäuden. Münster konzentriere sich bereits in vier Schritten auf den Bestand: erst Energieeinsparung, dann Energieeffizienz und erneuerbare Energien, bevor es zur Projektentscheidung komme. Auch wurden kommunale Handlungsfelder für die Klimabilanz identifiziert und die Verwaltung entsprechend aufgestellt.
Dann sprach Dr. Britta Freis, die das Projektbüro Haus des Wissens Bochum leitet. Dort wurde ein leer stehendes riesiges Warenhaus in einen Ort für Wissen, Begegnung und Genuss umgewandelt. Es gab einen intensiven Beteiligungsprozess, damit die Bürger:innen mitbestimmen konnten, was aus dem leer stehenden Gebäude in bester Lage wird. Das Gebäude wurde umfangreich saniert, mit einem großen Dachgarten ergänzt und eine DGNB Zertifizierung angestrebt. Wichtig für den Erfolg waren insbesondere der städtebauliche Kontext und die Partizipation.
Zur Diskussion kam Dr. Jan Wenker von Brüninghoff dazu und betonte, wie wichtig der Bestandserhalt sei, weil Energie und eben auch Material die großen Hebel zur CO2-Reduktion seien. Thomas Möller ergänzte, dass graue Energie (also Material), in der Klimabilanz bisher nicht auftaucht. Kommunale Klimastrategien müssen gemeinsam und ehrlich mit der Bevölkerung entwickelt werden. Für Bochum sind Geothermie und Fernwärme Schlüsseltechnologien der Wärmewende, so Britta Freis.
Das nächste Thema war Projektentwicklung, Architektur & Planung mit einem Impuls Anforderungen an nachhaltige Immobilien von Alexandra Quint, Head of Sustainability & ESG bei der GBI Gruppe. Die Transformation zur regenerativen Wirtschaft sei bereits in vollem Gange und der European Green Deal Taktgeber. Unternehmen würden insbesondere durch die EU Taxonomie und dem Fit for 55 Programm gefordert. Grundanforderungen seien, dass Immobilen im Lebenszyklus CO2-positiv sind, zirkulär geplant werden sowie die Biodiversität in den Lieferketten und am Standort gefördert würde.
Dem folgte Julian Gaviria, Head of Sustainable Transformation bei HPP Architekten GmbH, mit dem Impuls Cradle-to-Cradle in der Baupraxis. Mit der Kreislaufwirtschaft würde ein neues Vokabular entstehen und C2C-Denken ohne Abfälle und Schadstoffe, mit Re-Use und Ressourcenpass sei ein wichtiger Bestandteil moderner Architektur. Auch die Ausrichtung von Gebäuden nach dem Sonnenverlauf sowie entsprechend unterschiedlich transparente Fassaden seien hilfreich. Dr. Matthis Ernst sagte zur Diskussion, dass EFG Ingenieure bereits ein Drittel im Bestand plane, es aber noch sehr viel Potenzial gäbe und die Anforderungen an den Bestand oft zu hoch seien.
Dr. Magdalena Kimm ergänzte, dass HERING Bau bisher überwiegend Neubau mache, aber auch sanieren könne und sich auch mit neuen alten Materialien wie Lehm beschäftige. Abschließend sagte Julian Gaviria, dass wir für C2C sowohl die Planung neu als auch die dazu passenden Bauprodukte denken müssen.
Im letzten Themenblock ging es um die Bauwende in der Praxis mit Andreas Miltz von LEG Wohnen NRW und Serielle Sanierung – LEG Reallabor. Die klassische Sanierung von Mehrfamilienhäusern sei sehr aufwendig. Durch serielles Sanieren entstehen standardisierte Prozesse, ganze Fassadenteile werden vorgefertigt und vor Ort montiert. Auch die Gebäudetechnik wird vorkonfektioniert und zügig eingebaut. Wohnungen betreten die Handwerker systematisch möglichst nicht länger als einen Tag. Aus den ersten Projekten haben sich Erfahrungen ergeben, die im Weiteren mit einfließen. Wegen des großen Bedarfs hat die LEG das JV Renovate initiiert.
Nachfolgend erläuterte Werner Hansmann von Saint-Gobain Brüggemann Holzbau Zirkulär bauen = vom Ende her denken. Das Regino-Gymnasium Bitburg benötigte eine Interimslösung. Diese sollte kein klassischer Containerbau sein, sondern ein modernes temporäres Gebäude, das danach weiter genutzt werden kann. Die Schule besteht aus 2070 Holzmodulen, die zu verschiedenen Räumen zusammengesetzt wurden. Später sollen die Module demontiert und an vier anderen Schulen für Erweiterungsbauten genutzt werden. Wichtigste Erfolgsfaktoren waren vorausschauende Planung und frühzeitige Einbindung von Experten; Ökonomie und Ökologie seien dann kein Gegensatz. Anette Höchst von der ALHO Holding verstärkte die Diskussion; die Stärke von Modulen sei die Weiterverwendung und die Wiederverwertbarkeit des Materials. Werner Hansmann ergänzte, Module seien auch für Aufstockungen einsetzbar..
Beim abschließenden Round Table Ressourcen für alle mit Moderator und nbau Chefredakteur Dr. Bernhard Hauke kamen noch einmal Prof. Christa Reicher, Dr. Britta Freis, Alexandra Quint und Andreas Miltz zusammen. Es gab Einigkeit, dass die Transformation hin zu einer ressourcenschonenderen und nachhaltigen Bauwirtschaft der richtige Weg für eine zukunftsgerechte Baukultur sei.
Nachholbedarf bestehe darin, gute Erfahrungen aus Pilotprojekten auf die Breite des Markts zu übertragen. Für große Investoren seien meist nur die Großstädte aus Rendite- und Vermarktungsgründen von Interesse. Für den Wohnungsbau seien aber auch gut erschlossene Mittelstädte attraktiv, da hier die Nachfrage in den vergangen Jahren stark gestiegen ist. Kurze Wege und Polyzentralität sind ein Aspekt klimagerechter Urbanität. Bei seriellen Sanierungen ist es möglich, dass die Warmmiete etwa gleich bleibt. Natürliche Ressourcen sind kein kostenfreies Gut. Jeder Eingriff in die Natur hat Folgen, die am Ende auch uns Menschen betreffen. Doch bei allen Wünschen, sei es mehr Bauen oder mehr Umweltschutz, muss immer die politische Umsetzbarkeit im Auge behalten werden. Die Stadt ist der Ort der Begegnung, der Konsensfindung und der Innovation für alle Menschen.