Sortenrein Bauen

Methoden – Material – Konstruktion

Der Übergang von einer linearen hin zu einer zirkulären Bauwirtschaft wird als eine der wichtigen Strategien angesehen, sowohl Ressourcenfragen als auch die Klimathematik angemessen zu adressieren. So soll zum einen durch Recycling oder besser noch Wiederverwendung von Materialien, Komponenten und Bauteilen der Verbrauch immer neuer, zunehmend weniger verfügbarer Primärmaterialien für das Bauen merklich reduziert werden. Zum anderen sind energetische Aufwendungen und graue Emissionen bei der Kreislaufführung der Bauprodukte fast immer deutlich geringer als bei der Primärproduktion, sodass hiermit auch ein relevanter Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz geleistet wird. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine solche wiederholte Nutzung sind möglichst sortenreine Konstruktionen, welche sich nach dem Gebrauch wieder leicht demontieren und trennen lassen, sodass Recycling und Wiederverwendung in hoher Qualität möglich sind und möglichst keine Abfälle mehr entstehen. Nomen est omen – das Buch beschäftigt sich genau mit diesem zunehmend wichtig werdenden Themenkomplex. Thematisch wird dabei auf zweigeschossige Ein- und Zweifamilienhäuser fokussiert, weil diese 83 % des Gebäudebestands ausmachen.

Eingangs gibt es einen erwartbaren, aber kurzen historischen Rückblick auf die lange Zeit die Baukultur prägende Wiederverwendung und deren aktuelle Renaissance, gefolgt von einer Übersicht traditioneller bzw. temporärer Bauweisen und aktuellen Beispielen als Inspirationsquelle. Im nachfolgenden Hauptkapitel Material – Fügen – Schichten wird es konkreter. Nun werden Materialien für kreislaufgerechtes Bauen diskutiert und in einer kleinen Materialbibliothek nach funktionalen Gesichtspunkten auszugsweise präsentiert. Der offensichtlich verpönte Beton ist nicht dabei. Dass nur weitestgehend schadstofffreie Bauprodukte kreislauffähig sind, sollte selbstverständlich sein und bedarf trotzdem nach wie vor einer gesonderten Erwähnung. Schön ist hier eine kleine Übersicht zu den empfehlenswerten Schritten der Materialauswahl vom Vorentwurf über die Ausschreibung bis zur Dokumentation. Die Digitalisierung der Bauprozesse zwischen Entwurf, Fertigung und Dokumentation wird als hilfreich beschrieben, ebenso wie trendgemäß möglichst einfaches (Um-)Bauen. Reversible Füge- und Verbindungsmethoden gelten als Grundvoraussetzung für zerstörungsarmen Rückbau und sortenreine Trennung und werden mit einer Übersicht zu den Fügungsprinzipien erläutert. Dem folgt eine ebenso schön bebilderte Einführung zu Schichtenaufbauten.

Der Detailkatalog ist das umfangreichste Kapitel und sicher der empfehlenswerteste Teil des Buchs. Ein bisschen schade ist, dass sich dieser auf die eingangs erwähnten Zweigeschosser beschränkt. Es wird darauf hingewiesen, dass kreislaufgerechtes Konstruieren ein sich fortentwickelndes Themenfeld und der Katalog entsprechend Momentaufnahme und Diskussionsgrundlage für Weiteres ist. Im ersten Fokus geht es um Holzkonstruktionen vom aktuellen Modulbau über den traditionelleren Ständerbau hin zu eigentlich schon wieder überholten Massivholzbauweisen und aufkommendem Strohbau. Dem folgt der Fokus Mauerwerk mit klassischerem Ziegel- und Kalksandstein-Mauerwerk sowie innovativem Lehmsteinmauerwerk. Wenn es konkret wird, gibt es vernünftigerweise doch wieder einen Fokus Beton mit einer möglichen „Ewigkeitskonstruktion“ als Skelettbau, aber auch die klassische Massivkonstruktion, jedoch mit ggf. wiederverwendbaren Fertigteilen, sowie eine Bestandskonstruktion. Beim für den einfachen Geschossbau zumindest in Deutschland eher untypischen Fokus Stahl werden nichtsdestotrotz sehr kreislauffähige Skelettkonstruktionen mit internem bzw. externem Stahltragwerk sowie aufkommende Metallleichtbaukonstruktionen präsentiert. Last but not least zeigt der Fokus Lehm tragenden Stampflehm zusammen mit anderen Tragelementen sowie Fachwerkkonstruktionen. Die Lehmbauweise mit dem vermutlich größten industriellen Potenzial wurde bereits beim Mauerwerk betrachtet.

Das Handbuch Sortenrein Bauen ist ein Beitrag zum im Rahmen einer klimafreundlichen und ressourcenschonenden Bauwende immanent an Bedeutung gewinnenden Thema rückbaubare und trennbare Konstruktionen. Besonders der umfangreiche Detailkatalog ist ein schöner Quell an Vorlage und Inspiration zu Anpassung und Weiterentwicklung. Etwas mehr Fokus auf das Kernthema sowie ein Hinausgehen über die kleinformatige Wohnform verbleiben als kleiner Wunsch. Insgesamt ist Sortenrein Bauen ein wichtiges, zeitgemäßes Buch mit schönem Praxisbezug.


Sortenrein Bauen

Methode – Material – Konstruktion
Dirk E. Hebel, Ludwig Wappner, Katharina Blümke, Steffen Bytomski, Valerio Calavetta, Lisa Häberle, Peter Hoffmann, Paula Holtmann, Hanna Hoss, Daniel Lenz, Falk Schneemann [Hrsg.]
München: Edition Detail (2023)
232 S., Hardcover, 79,90 Euro

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