Wirtschaftswende – aber richtig

Grüne Transformation statt Stillstand

Es gibt durchaus Grund für Optimismus – wenn man auf die richtigen Märkte und Technologien setzt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie Grüne Transformation statt Stillstand des KONTEXT Instituts für Klimafragen und der Boston Consulting Group hat gezeigt, dass sich der weltweite Markt für grüne Technologien in den nächsten fünf Jahren verdreifachen könnte. Und die Chancen der ökologischen Wirtschaftswende reichen gerade für Länder wie Österreich weit über reines Wachstums hinaus. Durch Energiewende, Mobilitätswende, Wärmewende und die Transformation zur Kreislaufwirtschaft kann die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das betonten auch die vier Expert:innen, die bei einer gemeinsamen Pressekonferenz des Climate Lab mit dem Circular Economy Forum Austria und dem KONTEXT Institut für Klimafragen zu den Chancen der Wirtschaftswende Stellung nehmen.

Fossile ins Museum

„Die grüne Ökonomie kommt – unabhängig von Österreichs Politik“, betont gleich zu Beginn die Ökonomin und Wissenschaftlerin des Jahres, Prof. Sigrid Stagl (WU Wien). Sie fordert mehr erneuerbare Energie für günstigen Strom, regenerative Wirtschaft, um die Regionen zu stärken und um Jobs zu schaffen. Anstatt einer Scheindebatte über Verzicht müssen viel mehr fossile Energien endlich ins Museum geschickt und stattdessen die Transformation vorangetrieben werden.

Katharina Rogenhofer, Vorständin des KONTEXT Instituts für Klimafragen, schließt sich dieser Analyse an: „Die nächste Regierung kann Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit schaffen, indem sie erneuerbare Energien ausbaut und Zukunftstechnologien fördert. Die Wirtschaft will das, die Bevölkerung auch.“

Verglichen mit einem Szenario des Weiter wie bisher könnte laut KONTEXT eine ambitionierte Ökologisierung der Industrie demnach die österreichische Wirtschaftsleistung bis 2050 um 3,3 % steigern und 44.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Der weltweite Markt für Zukunftstechnologien und Produkte wird bis 2030 voraussichtlich auf über 14.000 Mrd. USD anwachsen.

„Damit ist jetzt der Zeitpunkt, zu dem wir entweder auf den Zug aufspringen und profitieren können oder zu einem Ramschladen für fossile Technologien verkommen“, sagt Rogenhofer. Umgekehrt würden fossile Abhängigkeiten immer auch das Risiko von Preisschocks bergen, wie gerade erst auch der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine gezeigt habe. Das kurbele die Inflation an. Die Teuerung spüren Menschen im Geldbörsel und die Industrie in der Produktion.

Transformation als Konjunkturmotor

„Während das Geld für Öl, Kohle und Gas nach Kasachstan, in den Irak und andere Länder fließt, können Förderungen für erneuerbare Energien und Zukunftstechnologien die Wertschöpfung im Land halten und gleichzeitig für langfristig stabile Energiepreise für die Menschen und die Wirtschaft sorgen“, betont Rogenhofer.

Gerade heimische KMUs und Fachkräfte wie Installateur:innen, Elektriker:innen und Baumeister:innen, die unsere Häuser sanieren, PV-Anlagen aufs Dach montieren und die Heizung tauschen, wären es, die von den Förderungen der vergangenen Jahre am meisten profitieren. Indem diese Förderungen beibehalten werden, könnte auch in den kommenden Jahren die heimische Konjunktur weiter kräftig angekurbelt werden.

Breite Zustimmung zu Förderprogrammen

Die Wirtschaftskammer fordert eine Fortsetzung der Förderungen für den Heizkesseltausch. Auch die Industriellenvereinigung hat sich zuletzt für den Transformationsfonds für die Industrie stark gemacht.

Ähnlich sieht das die österreichische Bevölkerung. Mehr als drei Viertel (76,9 %) der Befragten wollen laut einer Umfrage des KONTEXT-Instituts, dass Umweltförderungen für den Umstieg auf nachhaltige Heizsysteme erhalten bleiben. 57,5 % sind für die Förderung von E-Autos. Kürzungen bei zukunftsfähigen Technologien gefährden Österreichs Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Ländern, sagen 60,6 % der Befragten. Und 77,6 % finden, dass Investitionen in nachhaltige Technologien in der heimischen Industrie die österreichische Wirtschaft stärken.

„Die Förderung und der Ausbau von erneuerbaren Energien und Zukunftstechnologien schaffen Wohlstand, Arbeitsplätze und erhöhen unsere Wettbewerbsfähigkeit. Die Wirtschaft will das, die Bevölkerung auch. Förderungen in diesem Bereich zu kürzen, ist kontraproduktiv“, lautet der Befund von Rogenhofer.

Kreislaufwirtschaft als Standortstrategie

Die Chancen eines zirkulären Wirtschaftssystems betonte Prof. Karin Huber-Heim, Präsidentin des Circular Economy Forum Austria. Mit einer zukunftsorientierten Kreislaufwirtschaft und durch die Stärken einer zirkulären Bioökonomie hat Österreich das Potenzial, sich unabhängiger von volatilen globalen Lieferketten zu machen. So kann Österreich als Innovationsstandort international punkten und zugleich Wertschöpfung im Land behalten, insbesondere in strategisch wichtigen Industrien wie Maschinenbau, Elektronik, Bauwirtschaft, Recyclingtechnologien oder biobasierte Materialien und Innovation.

„Billige Primärrohstoffe mögen zwar heute noch vorteilhaft erscheinen, langfristig könnten wir aber einen hohen Preis bezahlen“, warnt Huber-Heim vor kurzsichtigen Entscheidungen, wie sie in der Vergangenheit schon getroffen wurden.

Als Risikofaktoren macht sie Versorgungsunsicherheiten aufgrund geopolitischer Verwerfungen, erratischer Handelspolitiken, steigender CO2-Preise oder Rohstoffverknappungen aus. Für ein warnendes Beispiel muss man nicht weit zurückschauen. Der Gaspreisschock 2022 infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine hat viele Unternehmen und Konsument:innen schwer getroffen.

Technologische Führungsrolle als Chance für Österreich

„Die Kreislaufwirtschaft ist ein echter Standortvorteil für Österreich. Sie ermöglicht es Unternehmen, durch effizientere Ressourcennutzung wirtschaftlich erfolgreicher zu sein, schafft Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Branchen und stärkt unsere wirtschaftliche Resilienz“, betont Karin Huber-Heim weiter.

Österreich verfügt bereits über starke Kompetenzen in Bereichen wie Maschinenbau, Recyclingtechnologien und Bioökonomie. Durch gezieltes Upscaling von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen sowie die Förderung von zirkulären Innovationen könnte das Land seine technologische Führungsrolle in zentralen Industrien weiter ausbauen. Dazu gehören:

  • Circular Engineering: Maschinen und Anlagen, die von Beginn an auf Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und Wiederverwendung ausgelegt sind und kreislauforientierte Verfahren und Produktion unterstützen.
  • Sekundärrohstoffe & Recycling: Ausbau modernster Recyclingtechnologien, insbesondere für strategisch wichtige Rohstoffe etwa für die erneuerbare Energiewirtschaft, z. B. seltene Erden, Kunststoffe oder Metalle.
  • Biobasierte Materialien & Circular Carbon: Nutzung von biobasierten Rohstoffen und Kohlenstoffrecycling als Alternative zu fossilen Ressourcen.

Praxis-Test im Climate Lab

Gelebt wird die Kreislaufwirtschaft heute bereits im Climate Lab, wo zugleich auch das österreichische Zentrum für Kreislaufwirtschaft angesiedelt ist. Hier wird intensiv daran gearbeitet, die Transformation Richtung Kreislaufwirtschaft in Österreich zu beschleunigen. Dabei setzt das Climate Lab auch selbst auf zirkuläre Anbieter und Geschäftsmodelle, wie Managing Director Gebhard Ottacher betont.

„Unsere Büromöbel in den Co-Working-Bereichen für Start-ups, Scale-ups und NGOs mieten wir bei Nornorm, einem Unternehmen, das Büromöbel nicht verkauft, sondern als Dienstleistung anbietet. Dieses Geschäftsmodell – product as a service – gibt uns die Flexibilität, unsere Ausstattung regelmäßig an den Bedarf anzupassen, ohne dabei große Mengen Sperrmüll zu produzieren“, meint Ottacher.

Zirkuläre Möbel sind zugleich auch ein Programm des Climate Lab, an dem derzeit in mehreren Projekten gemeinsam mit dem Klimaschutzministerium und IKEA gearbeitet wird. Der kürzlich veröffentlichte Abschlussbericht für zirkuläre Büromöbel zeigt neben internationalen Best-Practice-Beispielen auch, dass gerade Sozialbetriebe bei Circularity eine Vorreiterrolle einnehmen. Von den Erfahrungen aus Projekten wie dem carla-Depot der Caritas für Secondhandmöbel kann die gesamte Branche profitieren.

Abfälle als Rohstoffe am falschen Ort betrachten

Neben zirkulären Produkten wird im Climate Lab auch für einen zirkulären Bausektor und für Rohstoffkreisläufe gearbeitet. „Abfälle sind Rohstoffe am falschen Ort. Deshalb wollen wir den Aufbau einer Rohstoff-Matching-Plattform in Österreich forcieren und helfen, dass jene Unternehmen mit Reststoffen, Schlacken, Aschen u. dgl. die passenden Abnehmer finden“, erklärt Ottacher.

In mehreren Programmen wurden bereits Potenziale analysiert, für welche Unternehmen und Prozesse die vermeintlichen Abfälle wertvolle Ressourcen darstellen. Hier hat sich u. a. die Zementindustrie hervorgetan, die industrielle Reststoffe als Zuschlagstoffe gut gebrauchen und dabei sogar die CO2-Emissionen im Herstellungsprozess reduzieren kann.

Zirkuläres Bauen wird derzeit im Rahmen des BMK-Leitprojekts KRAISBAU mit 32 Unternehmen und Institutionen forciert. Dort sollen in den nächsten drei Jahren anhand von rd. 40 Demo-Gebäuden die Grenzen des Machbaren getestet und alle Aspekte des zirkulären Bauens – von Sanierung und Umnutzung über Wiederverwendung von Bauteilen bis hin zu Rohstoffrecycling – auf die Spitze getrieben werden.

Zukunftsfitte Berufsausbildung

Die Transformation Richtung Kreislaufwirtschaft bietet für den österreichischen Jobmarkt neben den erwähnten Chancen auch Herausforderungen. Neue Berufsfelder und Berufsbilder machen umfangreiche Umschulungen, Qualifizierungen und neue Ausbildungen notwendig. Gemeinsam mit waff und arbeit plus arbeitet das Climate Lab daher an neuen Ausbildungskonzepten für die Fokusbereiche Elektronik, Textilien und den Bausektor. So erarbeitet die Initiative BauKarussell derzeit als Folge des Climate-Lab-Projekts Verankerung von Kreislaufwirtschaft in Aus- und Weiterbildungen im Bausektor gemeinsam mit der LBS Murau ein neues Bildungsangebot, das bereits Ende dieses Jahres in die Lehrpläne implementiert werden könnte.


Grüne Transformation statt Stillstand

KONTEXT, Boston Consulting Group 2025
https://kontext-institut.at/inhalte/studie-transformation-unternehmen-bcg

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