In der Krise die Klimaziele nach hinten schieben? Nichts könnte falscher sein!

Ein Plädoyer von iW-Direktor Prof. Dr. Michael Hüther

In der Krise fordern manche, unsere Klimaziele nach hinten zu verschieben. Sie übersehen, dass damit niemandem geholfen wäre.

Anders als vor drei Jahren steht im Bundestagswahlkampf 2025 das Thema Klimapolitik nicht im Vordergrund. Wie könnte es auch anders sein: Statt Hambacher Forst war in den vergangenen Jahren öfter vom Donbass die Rede, statt um den Klimawandel ging es immer öfter um Wirtschaftskrise und Abstiegsangst.

Nicht überraschen mag deshalb die veränderte Tonalität des aktuellen Wahlkampfs – und dass aus manchen Ecken der Ruf laut wird, Deutschland möge von den bisherigen Klimazielen abrücken. In einem Gastbeitrag, der bei Zeit Online erschienen ist, plädiere ich gemeinsam mit Ottmar Edenhofer: Nichts könnte falscher sein. Denn Unternehmen brauchen Verlässlichkeit – und Deutschland weniger Debatten um Ziele und endlich eine Umsetzungsoffensive, die Klimapolitik mit Standortpolitik verbindet.

Kritiker der bisherigen Klimaziele verkennen, wie stark die aktuelle Krise mit dem Klimawandel zusammenhängt. Ein „Weiter so“ führt zwangsweise zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Die Nachfrage nach konventionellen Produkten aus Deutschland sinkt, grüne Technologien verändern die internationale Arbeitsteilung – die Herstellung energieintensiver industrieller Vorprodukte ist schon heute vielfach dort günstiger, wo die Sonne kräftig scheint.

Wir werden diese technologische Entwicklung nicht stoppen können – ebenso wenig, wie den Klimawandel selbst. Statt uns in nutzlosen Zieldebatten zu verheddern, sollten wir uns auf einen klimapolitischen Konsens einigen:

  • Die deutschen und europäischen Klimaziele zur Mitte des Jahrhunderts werden nicht infrage gestellt. Nur das schafft verlässliche Investitionsperspektiven für die Unternehmen.
  • Der Zertifikatehandel steuert weiter zentral die europäische Klimapolitik. Das muss sozial gut für private Haushalte abgefedert werden, etwa über ein Klimageld.
  • Wo es Anlaufschwierigkeiten gibt, etwa bei der flächendeckenden Einführung von grünem Wasserstoff, braucht es eine zeitlich beschränkte Industriepolitik. Die Politik muss sich dabei dem Prinzip der Technologieoffenheit verschreiben – darf diese aber nicht als Vorwand nehmen, wichtige Entscheidungen nicht zu treffen.
  • Eine zukunftsfähige Wirtschaft geht Hand in Hand mit einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung. Die Politik muss für einen Ausbau der Erneuerbaren sorgen, genauso wie der dazugehörigen Netze, Speicher und Reservekraftwerke.

Der Klimawandel ist im Jahr 2025 nicht unser einziges Problem – das haben die vergangenen Jahre uns deutlich vor Augen geführt. Doch unsere Stärke und unseren Wohlstand erhalten wir nur, wenn uns die Transformation gelingt. Das muss allen klar sein.

Prof. Dr. Michael Hüther auf LinkedIn
Institut der Deutschen Wirtschaft
https://www.iwkoeln.de

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