Stampflehm goes Bauindustrie

Ein Plädoyer für moderne Maschinen und Werkzeuge

Die Stampflehmbauweise beruht auf einer sehr alten Bautechnik, die ohne Stabilisierung funktioniert. Erden als Baumaterial haben ein riesiges Entwicklungspotenzial – über die gesamte Bandbreite von arbeitsintensiven bis hin zu hochtechnologischen Ansätzen. Zwei der wichtigsten und miteinander verknüpften Gründe, warum diese traditionelle Bautechnik dennoch aus der Baupraxis verschwand, sind, dass die industrielle Revolution die Massenproduktion von Materialien billiger machte und dass gleichzeitig das Bauen mit Erden als altmodisch stigmatisiert wurde. Nachfolgend werden die Materialeigenschaften und Vorteile von Stampflehm erörtert. Der Herstellprozess von Stampflehm sowie wichtige Innovationen bei der Vorfertigung, die das Material für die Massenproduktion qualifizieren, werden aufgezeigt, bewertet und an aktuellen Projekten erläutert.

1 Entwicklung

Beim Stampflehmbau wird erdfeuchtes, krümeliges Aushubmaterial lagenweise in eine Schalung geschüttet und verdichtet. Diese Verdichtung mit Werkzeugen – von Handstampfern bis zum komplexen Rüttelverfahren – macht eine solche Masse fest und tragfähig. Dabei ist es aus qualitativen Gründen einerlei, ob ein Projekt von Hand oder mit Maschinentechnologie realisiert wird.

Durch die große Anzahl geplanter und realisierter Stampflehmbau-Großprojekte in den letzten Jahren sind wesentliche innovative und wichtige Produktionsentwicklungen entstanden. Viele dieser innovativen Bauprojekte wären ohne begleitende und intensive angewandte Forschung und Entwicklung von Werkzeugen und Maschinen nicht realisierbar gewesen. Dabei hat sich gezeigt, dass mindestens genau so häufig der Maschinenbauer gefragt war wie der Lehmbauer.

Zentrale Motivation war nicht, das Stampflehmmaterial durch zementhaltige oder andere chemische Zusätze zu verändern, sondern Werkzeuge und Maschinen zu entwickeln und einzusetzen, welche den Arbeitsprozess erleichtern und ökonomisch vertretbar machen.

Dabei gibt es vier Kernbereiche:

  1. Materialaufbereitung und -mischung: Stampflehmaufbereitung und Erstellung einer Mischung mit entsprechender Feuchtigkeit.
  2. Logistik: Das Transportieren der erdfeuchten Stampflehmmischung ist eine entscheidende Komponente, um die ökonomisch beste Lösung zu finden.
  3. Richtige Wahl einer entsprechenden Schalung: Kern einer historischen Stampflehmschalung sind zwei Bretter und ein Stirnbrett, das mit Zugelementen auf Distanz der Wandstärke gehalten wird.
  4. Verdichtungsprozess in einer Schalform: Die feuchte Stampflehmmischung wird meist lagenweise mit Handstampfer verdichtet. Die krümelige, erdfeuchte Stampflehmmischung wird entweder dynamisch in die Form geschlagen/gestampft oder durch Vibrieren/Rollen/Pressen einzeln, hintereinander oder in Kombination gleichzeitig verdichtet.1.1 Materialaufbereitung und -mischung

Ein wesentlicher Vorteil der Stampflehmtechnik ist, dass weitgehend das lokale Aushubmaterial einer Baustelle aufbereitet werden kann. Aus langjähriger Erfahrung kann davon ausgegangen werden, dass mindestens die Hälfte des Bauaushubs für div. Lehmbauweisen verwendet werden kann. In Österreich sind bspw. 65 % der anfallenden Bauabfälle Aushubmaterial, welches großteils entsorgt und deponiert werden muss. Dabei werden diese Materialien oft sehr weit transportiert und die CO2-Bilanzen der Baustellen entsprechend belastet.

Die Aufbereitung ist am einfachsten, wenn das Aushubmaterial frisch ausgehoben wird, unmittelbar bei trockenem Wetter über geeignete Siebanlagen läuft und die lehmig-steinigen Bestandteile von <32 mm separiert werden. Die gröberen Steinanteile können idealerweise durch eine Prallmühle auf ein Korn von 0–22 mm, 22–32 mm und weiter auf 32–70 mm gebrochen werden. Auf Basis der so erhaltenen Mineralstoffe und sonst leicht verfügbarer Materialien werden ein bis drei Rezepte einer Probemischung erstellt. Diese Mischungen werden als erste Qualitätsprüfung probegestampft. Nach Prüfung der Druckfestigkeit wird das beste Rezept ausgewählt und für das weitere Bauprojekt eingesetzt.

Das Lagern und Mischen der Komponenten laut Rezept braucht sehr viel Bearbeitungsflächen, die oft auf engen Baustellen nicht zur Verfügung stehen. Deshalb ist es wichtig, dass zukünftig lokale Recyclingbetriebe krümeliges Stampflehmmaterial von Bodenaushüben in ihrem Sortiment führen, auf das die Lehmbaubetriebe zugreifen können. Das schont die Deponiekapazität und senkt die Kosten für das Stampflehmmaterial.

Bei der Aufbereitung der Aushubmaterialien kann überall auf vorhandene Schotteraufbereitungsanlagen zurückgegriffen werden. Dazu braucht es keine zusätzliche Entwicklung von Lehmaufbereitungsanlagen.

Die verschiedenen Erdkomponenten werden nach Rezept – Maßeinheit ist die Anzahl der Radladerschaufeln – auf einem befestigten Mischplatz mit Radlader vermischt (Bild 1).

Seit Jahrzehnten wird bei Lehm Ton Erde ein selbst gebauter fahrbarer Wendemischer verwendet, der eine rotierende Mischwelle hat und mit dem Raupenfahrwerk durch die zu mischenden Erden fährt. Dabei kann auch entsprechend Wasser dazu gesprüht werden, um das Material auf entsprechende Feuchtigkeit zu bringen.

Weiterhin werden auch umgebaute Betonmischungsanlagen verwendet, die sich sehr gut eignen. Ein großer Vorteil beim unstabilisierten Stampflehm ist, dass riesige Mengen vorgemischt werden können, die feuchtigkeitsgeschützt zeitlich unbegrenzt gelagert werden können. Bei längerer Lagerung im Winter wird durch das sog. Mauken – das Durchfrieren eingesumpfter Erden – die Stampflehmmischung ggf. weiter verbessert.

1.2 Logistik

Das Transportieren der erdfeuchten Stampflehmmischung in die Schalung ist eine entscheidende Komponente, um die wirtschaftlichste Lösung zu finden. Die Wahl eines Fördersystems für die erdfeuchte Lehmmischung ist bei jeder Baustelle immer wieder eine Herausforderung, bei der individuell die Balance zwischen Handarbeit und Maschineneinsatz jeweils neu gefunden werden muss. Je nach Lohnkosten und Größe der Stampflehmbaustelle ist diese Arbeit sehr kostenrelevant.

Stampflehm ist schwer und kann nicht gepumpt werden; das erdfeuchte, krümelige Lehmmaterial kann nur mit wenigen marktüblichen Fördersystemen transportiert werden. Auch dabei bedarf es oft Umbaumaßnahmen, um das Material effektiv, schnell und einfach in eine Schalung zu transportieren.

1.3 Schalung

Eine klassische Stampflehmschalung besteht aus zwei Brettern und einem Stirnbrett, das mit Zugelementen auf Distanz der Wandstärke gehalten wird. Darin wird dann lagenweise die feuchte Stampflehmmischung mit Handstampfer verdichtet.

Die Wahl und der richtige Einsatz einer guten Schalung sind enorm wichtig sowohl für den wirtschaftlichen als auch den qualitativen Erfolg der Stampflehmbaustelle. Eine optimale Verdichtung ist nur mit entsprechender Stabilität der Schalung möglich. Im Stampflehmbau muss die Schalung darum i. d. R. stärker ausgeführt werden als im herkömmlichen Betonbau. Weiter erfordert der lagenweise Verdichtungsprozess eine möglichst geringe Anzahl an Ankern im Arbeitsbereich. Je nach Wandstärke wird das Schalungssystem dazu angepasst:

  • Bei Wandstärken von 6 cm bis 40 cm sind die Schalungen so konzipiert, dass der Arbeitsbereich außerhalb der Schalung ist. Die Schalung ist i. d. R. zwischen 70 cm und 120 cm hoch.
  • Bei Wandstärken >40 cm ist es möglich, in der Schalung zu stehen, um das Stampfmaterial lagenweise zu verteilen und zu verdichten. Damit ist es auch möglich, Verdichtungsmaschinen und entsprechende Werkzeuge einzusetzen. Die Höhen der Schalung sind variabel von ca. 75 cm bis 500 cm, bei Großschalungen (Bild 2) macht es Sinn, auf bewährte Schalungssysteme zurückzugreifen. Es braucht jedoch einschlägige Erfahrung, kommerzielle Betonschalungssysteme für den Stampflehmbau zu adaptieren. Oft werden spezielle Hilfskonstruktionen entwickelt und in die bestehenden Systeme integriert. Eine gut gewählte Schalung spart Arbeitszeit und Kosten.
  • Schalung für die Vorfertigung: Modulares Bauen in vorgefertigten Stampflehmelementen ermöglicht ein Schalungssystem, das individuell hergestellt wird, damit das Ein- und Ausschalen schnell und effektiv erfolgen kann. Bei großer Stückzahl macht es Sinn, diese komplett aus Stahl zu fertigen. Bei sehr stabilen Schalungen kann die Verdichtung erhöht werden; je geringer die Wandstärke, desto stabiler sollte die Schalung sein.
  • Bei der Vorfertigungsanlage von Lehm Ton Erde ist die Schalung 45 m lang und 1,6 m hoch. Die Schalung ist in der Länge in drei Segmente à 15 m geteilt sowie einhäuptig verankert und abgestützt. So entsteht eine 45 m lange Schalung ohne jegliche behindernde Ankerstangen im Arbeitsbereich. Dadurch kann die komplette Schalung mit wenigen Handgriffen gestellt und wieder entfernt und somit in der Produktion viel Zeit eingespart werden.1.4 Verdichtung

Die krümelige, erdfeuchte Lehmmischung wird entweder dynamisch in die Form geschlagen/gestampft oder durch Vibrieren/Rollen/Pressen einzeln, hintereinander oder in Kombination gleichzeitig verdichtet. Die Verdichtung von Stampflehm erzielt mit Handstampfern und mit vollautomatischen Stampfern im Prinzip dasselbe Ergebnis. Dies ist deshalb so faszinierend, weil die nachhaltige Stampflehmtechnik sowohl lowtech als auch hightech ausgeführt werden kann.

Das händische Stampfen ist sehr anstrengend und braucht viel Zeit. Darum wurden pneumatisch und elektrisch betriebene Stampfer entwickelt, um die händische Verdichtungsarbeit effektiver und zeitsparender auszuführen. Diese Stampfer waren anfangs nicht für den Lehmbau gedacht, sondern für die Herstellung von Sandformen für den Metallguss. Später wurden diese Formen im Pressverfahren hergestellt; die Handstampfer wurden nicht mehr benötigt und kaum noch produziert. Durch die Renaissance der Stampflehmbauweise werden heute wieder von verschiedenen Herstellern pneumatische Handstampfer unterschiedlicher Größe angeboten. So gibt es aktuell gedämpfte wie ungedämpfte Stampfer auf dem Markt. In der Regel sind die älteren, bewährten Fabrikate eher stark, aber ungedämpft und haben einen sehr hohen Vibrationswert.

In den letzten Jahren sind die Arbeitgeber durch die Arbeitsschutzverordnung in der Ausführung von Stampflehmprojekten immer mehr gefordert und zum Teil eingeschränkt. So sind diese verpflichtet, für jeden Mitarbeitenden ein Arbeitsprogramm zu erstellen, das die Benutzungs- und Einwirkdauer der Stampfer festlegt und dokumentiert. Dies hat zur Folge, dass die bewährte Anwendung von Handstampfern teilweise nur noch eingeschränkt möglich ist. Mit gedämpften Stampfern kann die Einsatzdauer je Person verlängert werden. Doch um weiterhin große Stampflehmprojekte vor Ort erstellen zu können, wird an der Entwicklung einer Maschine gearbeitet, die Stampfer halten, selbstständig in der Schalung vor- und zurückfahren und so Schicht für Schicht verdichten kann. Vergleichbares wurde bereits in der stationären Vorfertigungsanlage erfolgreich umgesetzt.

Um diese manuelle Stampfarbeit auf ein Minimum zu beschränken, wird heute i. d. R. mit elektrisch betriebenen Vibrationsplatten oder bei großen Schalungen mit schmalen, aber schweren ­Vibrationswalzen gearbeitet.

2 Vorfertigung im Stampflehmbau

2.1 Vorfertigungsanlage

Seit 2012 arbeitet die weltweit erste Vorfertigungsanlage für Stampflehmelemente – liebevoll Roberta I genannt –, die bereits an verschiedenen Standorten (auch in Feldfabriken) eingesetzt wird (Bild 3). Mittlerweile gibt es auch Roberta II (Bild 4), die aktuell für ein Großprojekt in Frankreich längerfristig an einen Baukonzern einschließlich Know-how-Transfer vermietet ist.

Kern der Anlage ist eine 40–70 m lange Schalung, die auf Schienen verfahrbar ist. Ein zentraler Beschicker nimmt das Lehmmaterial auf, das dann über ein Querförderband lagenweise in die Schalung gefüllt und auf Höhe abgezogen wird. Unmittelbar danach wird die Lehmschicht mit Vibrationsplatten vorverdichtet. Anschließend wird mit ungedämpften, pneumatischen Handstampfern, die auf einer schwenkbaren Halterung montiert sind, ausdauernd und stark verdichtet.

Die komplexe und fahrbare Maschine erledigt die härteste und anstrengendste Arbeit im Stampflehmbau in einem Arbeitsgang. Dies entspricht vier Mitarbeitenden ohne limitierte Benutzungsdauer. Die Herstellung der Lehmelemente ist damit zeitsparend, kräfteschonend und qualitativ gesichert. An die Kernanlage können verschiedene Werkzeuge modular angebaut werden. Dadurch sind mit wenigen Handgriffen Stampflehmelemente von 6 cm bis 85 cm Wandstärke herstellbar.

Nach dem einseitigen Ausschalen wird an der Roberta eine Schneidemaschine montiert, mit der die Lehmwand in Segmente geschnitten, sukzessiv aus der Schalung gehoben und zum Trocknen übereinandergestapelt wird. Eine solche Feldfabrik erfordert Platz und eine Halle oder ein temporäres Dach. Wirtschaftlich ist der Einsatz einer solchen Vorfertigungsanlage, wenn mehr als 2000 m² Lehmwände hergestellt werden sollen.

2.2 Feldmaschine

Die logische Weiterentwicklung der Feldfabrik ist die Feldmaschine, an der momentan gearbeitet wird. Idealerweise ist eine solchen Anlage straßentauglich, mobil, kompakt und schnell aufgestellt. Eine Feldmaschine wird mit Lehmmaterial befüllt, ist gleichzeitig Schalung, Verdichtung und Zuschnitt und stößt fertige Stampflehmblöcke aus. Dadurch wäre eine solche Anlage auch für kleinere Projekte interessant.

Ziel sollte sein, nicht das Baumaterial zu transportieren, sondern die Technologie und das Know-how auf die Baustelle zu bringen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine solche Feldmaschine verfügbar ist.

2.3 Elektrostampfer

Pneumatische Antriebe haben einen geringen Wirkungsgrad und sind darum teuer. Deshalb wurde für die Vorfertigungsanlage Roberta II ein Elektrostampfer modifiziert, der leistungsstark ist, aber nur noch ein Fünftel der Energie jener der pneumatischen Stampfer benötigt. Allerdings ist der Elektrostampfer doppelt so schwer und kann nur mit entsprechender Halterung verwendet werden. Dies geht entweder durch Befestigung an einer bestehenden Maschine oder aber mit einer Art Rollator, der auf der Schalung auf Schienen geführt und händisch verschoben werden kann.

3 Perspektiven des Stampflehmbaus

Das Potenzial der Maschinenentwicklung für den Stampflehmbau ist riesig und noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn man bedenkt, dass 1 m³ Beton ca. 25-mal mehr CO2 freisetzt als Stampflehm, erkennt man auch die klimarelevante Dimension einer weiteren Entwicklung.

Upscaling Earth ist nur mit einer weiteren technologischen Entwicklung im Stampflehmbau möglich, in Kombination mit begleitender Forschung, Ausbildung und einem vermehrten Interesse der Baufirmen. Ehrliche Kostenwahrheit von Bausystemen und politische Rahmenbedingungen wie z. B. ein CO2-Schattenpreis oder eine CO2-Steuer können die fehlende Lobby ersetzen.

Erfreulich ist, dass derzeit viele Forschungsvorhaben im Lehmbau länderübergreifend aktiv sind. Das verspricht weitere Innovationen, die das Vertrauen in die unstabilisierte Lehmbauweise stärken und diese wieder zu einer selbstverständlichen Bauweise machen.

Mit Projektbeispielen werden abschließend die Möglichkeiten der Stampflehmfertigung und der Produktionsmechanisierung dargestellt – mit Fokus auf die begleitenden Maschinenentwicklungen.

4 Projektbeispiele Stampflehmbauweise

4.1 Feldfabrik in Bordeaux

Die Idee der Vergrößerung eines Weinkellers begann mit dem Ansatz, den lokalen Aushub für Stampflehm zu nutzen. Die Herstellung der vorgefertigten Bauteile sollte mit dem Bauaushub unter Nutzung des baulichen Bestands umgesetzt werden. Dazu wurde eine alte Flaschenlagerhalle zu einer temporären Produktionsstätte umgebaut, die anschließend durch einen Neubau ersetzt wird. Es werden Bauteile in unterschiedlichen Bauteilstärken vorge­fertigt – geplant, produziert und montiert werden ca. 1030 m³ Stampflehmmasse, aufgeteilt auf ca. 1200 Bauteile. Im Zuge einer Machbarkeitsstudie wurde eine Maschinentechnik entwickelt, die unter Berücksichtigung des baulichen Bestands eine möglichst hohe Produktionseffizienz ermöglicht. So entstand eine Produktionsanlage, die trotz des geringen Platzbedarfs die effiziente Befüllung einer 50 m langen Schalung mit Lehmmaterial sowie die Vorfertigung von bis zu 45 m langen Bauteilen ermöglicht. Zur Verdichtung wurden erstmals effiziente elektrische Stampfer eingesetzt.

4.2 Werkhalle Lehm Ton Erde in Schlins – sowohl Bau- als auch Produktionsstätte

In Schlins in Vorarlberg wurde die Werkhalle von Lehm Ton Erde (Bild 5) zwischen 2017 und 2020 errichtet. Das Pionierprojekt ist eine 67 m lange und bis zu 24 m breite Halle für die Vorfertigung von Stampflehmelementen mit einem angegliederten dreigeschossigen Bürotrakt. Sie besteht aus einer Hybridkonstruktion aus tragenden Stampflehmwänden und verschiedenen Holzbautechniken. Die massive Südwand wurde vor Ort gestampft und ist zwischen 60 cm und 90 cm dick. Die poröse Oberfläche der Wand ist sehr gut schalldämmend, sodass die Produktion direkt neben den angrenzenden Wohnhäusern möglich ist. Mit beachtlicher thermischer Masse schützt die Lehmwand die Produktionshalle im Sommer auch vor Überhitzung.

Bei der maschinellen Weiterentwicklung der Vorfertigungs­technik für die stationäre Produktionsstätte wurden die Schalungstechnik, die Fördertechnik der Rohmaterialien sowie die Schneidetechnik verbessert. Ausgangspunkt waren Maschineneinrichtungen aus vorherigen, temporären Produktionsstätten in Laufen in der Schweiz und in Darmstadt.

4.3 Feldfabrik Hortus: Holz-Lehm-Gewölbedecken­system

Die Innovation im Lehmbau liegt bei der Feldfabrik Hortus in Basel (Bild 6) in der Produktion einer Kappendecke in Hybridbauweise aus Massivholzbalken und Stampflehmfüllung. In einer Feldfabrik auf der Baustelle wird die vorgefertigte Holzdeckenkonstruktion sukzessive mit 3000 t Aushubmaterial aus der lokalen Baugrube als Kappenelement aufgefüllt und eingestampft. Somit entstehen unmittelbar auf der Baustelle Deckenelemente, die im Bauprozess direkt vor Ort versetzt und montiert werden. Der Stampflehm ist von unten sichtbar, erfüllt feuerhemmende, akustische und feuchtigkeitsregulierende Anforderungen und liefert dem Holzbau die thermische Masse.

4.4 Forum Traunstein

Das zentrale Gebäude des Bildungscampus ist ein öffentlich zugänglicher Stampflehmbau. Die Innovation liegt hier in der großen Anzahl vorgefertigter Stampflehmblöcke, die voll tragend sind und sowohl außen als auch innen sichtbar bleiben. Die biophysikalischen Herausforderungen der Außenwände werden durch puren, bewitterten Stampflehm in 7 cm Stärke und vorgemauerte Leichtlehmziegeln erfüllt.

Es wurden ca. 1770 t Stampflehm verarbeitet sowie bis zu 935 Einzelbauteile geplant, definiert, produziert, gelagert, verpackt, transportiert, montiert und anschließend fugenlos zusammengefügt. Die Schalungstechnik wurde für integrierte, lastabtragende Sturzkonstruktionen optimiert, der Maschinenbau zum Schneiden von 75 cm starken Bauteilen.

4.5 Ausstellungshalle Detmold

Für das LWL-Freilichtmuseum Detmold wird ein neues Eingangs- und Ausstellungsgebäude errichtet. Wesentliche Aufgabe des Neubaus ist die Vermittlung bauökologischer Zusammenhänge im Kontext des historischen Freilichtmuseums.

Vor Ort werden hier bis zu 10 m hohe, tragende Stampflehmwände mit bis zu 62 cm Stärke hergestellt. Die Produktionstechnik kombiniert Vorfertigung auf der Baustelle mit Produktion vor Ort, um eine möglichst effiziente Herstellung der Baukörper aus Stampflehm zu erzielen. Es gibt Verbesserungen der Fördertechnik und der Einbringung des Rohmaterials in die Schalung oder ein verbessertes Logistikkonzept für Lagerung und Montage der vorgefertigten Bauteile.

Hergestellt werden ca. 505 m³ Stampflehm als 62 cm starke Wandteile vor Ort und ca. 85 m³ als vorgefertigte Bauteile. Beide Fertigungsprozesse werden parallel mit einem Team von meist sieben Personen umgesetzt, die alle Arbeitsschritte – von Schalungstechnik über Materialeinbringung, Verdichtung, Vorfertigung, Lagerung, Montage und Ausschalen bis zu Oberflächenvergütung – beherrschen.

5 Zu guter Letzt

Mit nachhaltigem Ansatz und einzigartigem visuellem Ausdruck erzielt die Stampflehmbauweise zunehmend Aufmerksamkeit. Durch kontinuierliche Innovationen werden die traditionellen Techniken mit modernen Bausystemen, automatisierter Produktion und neuen Materialien kombiniert und das Paradigma des Lehmbaus verändert. Diese Konstruktionen mit regenerativen Materialien stellen noch immer eine Herausforderung in Bezug auf die Normen und Bauvorschriften dar, aber es gibt mehr und mehr Lösungen, um das Ziel zu erreichen, eine andere Architektur zu schaffen.


Autor:in

Martin Rauch, m.rauch@lehmtonerde.at
Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins (A)
www.lehmtonerde.at

Jobs

ähnliche Beiträge

Deutschland muss wilder werden

Wildnisgebiete dienen Artenvielfalt, Klimaschutz und Naturerlebnis – Bund und Länder müssen eigenes Flächenpotenzial nutzen.

Kennt der Holzbau Grenzen des Wachstums?

Welche Grenzen stehen dem Holzbau im Wachstum entgegen? Neue Lösungen und Herausforderungen für die Zukunft der nachhaltigen Bauweise werden erörtert.

Investitionen in Klimatechnologien weiter rückläufig

Laut PwC-Studie boomen Energiesektor und Klimafolgenanpassung trotzdem.