Liegt der Weg in die fossilfreie Zukunft des ­Bauens in der Innovation?

Wir sind eine von Ingenieursleistung und Glauben an Entwicklung und Fortschritt geprägte Gesellschaft

Die Geschichte des Bauens und der Architektur ist, mal abgesehen von ein paar Unterbrechungen oder Rückschlägen, eine Geschichte der ständigen technischen Innovationen. Mit der indu­s­triellen Revolution und der Einführung der Zentralheizung wurde nicht zuletzt die Gebäudehülle von Zwängen des Schützens befreit. Der Zukunftsglaube an die technische Innovation war aber nicht nur der Segen der Architektur, sondern ist auch der Treiber unseres Verbrennungszeitalters. Seither haben Innovationen und technischer Fortschritt zwar die Effizienzen unserer Gebäudehüllen und der Gebäudetechnik ständig erhöht, doch haben wir diese nur allzu gerne auch sofort wieder missbraucht, um größer und luxuriöser zu bauen. Am Ende hat die Konsumgesellschaft auch im Bauwesen die Möglichkeiten, aus Innovation auch Nachhaltigkeit zu generieren, immer wieder verhindert. Der Energieverbrauch im Gebäudesektor pro Kopf ist, bei aller Effizienz, seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts in den Industriestaaten nicht mehr gesunken. Kriegen wir etwas günstiger, so neigen wir Menschen dazu, einfach mehr davon zu nehmen.

Daher stellt sich mir die Frage, ob die Lösung unserer Probleme im Bausektor in noch mehr Innovation zu finden ist. Das viel diskutierte Heizungsgesetz von Robert Habeck setzt im Grunde auf eines der richtigen Themen. Die Energieproduktion muss aus erneuerbaren Quellen stattfinden. Nur die Frage der Energiequellen gepaart mit der Verringerung des Energiekonsums kann eine ­Lösung darstellen. Die Zukunft wird am Ende im Gebäudebestand entschieden. Wenn wir heute den Klimawandel abmildern wollen, dann hilft uns der Neubau nicht, denn dieser verursacht schon während seiner Produktion zu viel CO2 und CO2-Äquivalente, um eine Lösung darstellen zu können. Und der Neubau verringert den Energiebedarf im Gebäudesektor eben nicht. Den Gebäudebestand Deutschlands in Wärmedämmung einzuhüllen, ist nicht nur ein unmögliches Unterfangen. Auch hier wird das Aufkommen an grauer Energie jeden Nutzen schon vorzeitig zunichtemachen.

Der Neubau kann also bestenfalls achtsam und mit minimiertem Impakt erfolgen. Der Holzbau, nachwachsende Rohstoffe und natürliche Materialien wie Lehm können hier den Fußabdruck des Bauens effizient reduzieren. Der Bestand kann in seiner Bausubstanz ohne Einsatz großer Mengen an grauer Energie kaum vollständig ertüchtigt werden. Somit liegt augenscheinlich der große Hebel in der Produktion und Bereitstellung von Energie. Dieser Aussage kann ich bedingt folgen. Energie, die aus erneuerbaren Quellen stammt, kann achtlos verschwendet werden. Aber da wären dann noch die Grenzen an Produktion und v. a. Speicherung dieser Energien. Werden wir es tatsächlich schaffen, den Energiedurst unserer postindustriellen Gesellschaft zu stillen? Ich für meinen Teil glaube, dass wir uns parallel zurückbesinnen müssen. Die Bauindustrie wird leider auch in Zukunft keine Lösung sein, sondern das Problem bleiben, das es zu minimieren gilt. Verbrennung effizienter zu machen, ist ebenfalls keine Lösung. Die Lösung liegt aus meiner Sicht in der Kombination aus dekarbonisierter Bereitstellung von Energie gepaart mit suffizientem Verhalten. Flächenanspruch und Luxus müssen überdacht werden. Müssen wir, nur weil wir es technisch können, im Winter bei 22 °C im Unterhemd zu Hause auf der Couch sitzen? Können wir Konzepte von Gebäuden, deren Nutzfläche sich mit den Jahreszeiten ändert, weil man Teile einfach im Winter nicht beheizt, nicht erneut wachrufen oder adaptieren? Müssen wir auf dreimal so viel Fläche pro Kopf leben wie vor 60 Jahren? Die Menschen der Industrieländer haben unser aktuelles Problem in nur rd. 100 Jahren geschaffen. Und die Frage ist, kann der Weg raus aus diesem Problem über Innovation erfolgen oder sind Rückbesinnung auf ein angemessenes Maß, Erinnerung an einfache Lösungen und – ich denke – v. a. die Beendigung des Narrativs der Entbehrung nicht der sinnvollere Weg? Und kann die Architektur hier ihren Beitrag leisten?

Prof. Dirk Krutke, Architekt
Wissenschaftlicher Leiter Future Metropolis
www.futuremetropolis.de

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