Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor
Die fünf bekannten Wissenschaftler aus Architektur und Ingenieurwesen Elisabeth Endres, Manfred Norbert Fisch, Dirk Hebel, Werner Sobek und Dietmar Walberg haben ein Manifest für eine nachhaltige, kosteneffiziente und sozial verträgliche Klimapolitik im Gebäudesektor vorgestellt. Sie kritisieren die einseitige Fokussierung auf immer höhere Energieeffizienzstandards und fordern einen politischen Richtungswechsel. „Die historisch gewachsene, alleinige Fokussierung auf Energieeinsparung im Gebäudesektor ist gescheitert! Nur ein Paradigmenwechsel im Klimaschutz bei Gebäuden auf einen Praxispfad, der die Reduzierung von Treibhausgasemissionen ins Zentrum unseres Handelns rückt, ist finanzierbar, stellt die Erreichung der Klimaschutzziele sicher und gewährleistet bezahlbares Wohnen“, so die Autorinnen und Autoren. Das Manifest ist Gründungsdokument der Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor. Ziel ist, einen breiten Diskurs in der Öffentlichkeit zu organisieren. Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sind aufgefordert, der Initiative beizutreten.
Die Initiative definiert fünf Kernforderungen für klimapolitisches Handeln:
- Emissionsfreie Wärmeversorgung: Fossile Energieträger müssen zügig durch emissionsarme Technologien wie Wärmepumpen und die Nutzung industrieller Abwärme ersetzt werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien auf Quartiersebene wird hierbei priorisiert wie bilanzielle Ansätze auf der Ebene von Gebäudeflotten und Quartieren im Allgemeinen und hier insbesondere die gebäudeübergreifende bilanzierbare Nutzung von Solarenergie.
- Maßvolle Sanierung: Statt kostspieliger überzogener Sanierungstiefen fordern die Experten eine Sanierung, die sich an der Lebensdauer der Bauteile orientiert und unnötige Kosten vermeidet.
- Effiziente Wärmepumpennutzung: Moderne Wärmepumpen sind bereits für teilsanierte (ab EnEV 2002) oder moderat sanierte Gebäude geeignet, was den Sanierungsdruck mindert und trotzdem eine klimaschonende Wärmeversorgung ermöglicht.
- Einführung eines Emissionsminderungspfads: Statt unübersichtlicher Regelungen plädieren die Wissenschaftler für einen verbindlichen Emissionsminderungspfad bis 2045, der klare Reduktionsziele für Gebäudeemissionen setzt und durch eine unabhängige Emissionsagentur überwacht wird.
- Förderung von Bestandserhalt und Kreislaufwirtschaft: Neubauten sollen strengen Emissionsgrenzen entsprechen, während der Erhalt bestehender Gebäude die Nutzung grauer Energie maximiert und Abfall reduziert.
Warum die derzeitige Strategie im Gebäudesektor gescheitert ist
Im Manifest fassen die Wissenschaftler ihre gesammelten Erkenntnisse zusammen. Sie unterstreichen, dass ein stärkerer Fokus auf CO2-Reduktion – und nicht allein auf Energieeinsparung – das Ziel der Klimaneutralität bei gleichzeitig bezahlbarem Wohnen erreichbar machen kann. Mit dem Praxispfad CO2-Reduktion werden die im Vergleich zum heutigen Szenario benötigten Fördermittel um fast zwei Drittel gesenkt, von jährlich 50 auf 18 Mrd. Euro. Damit wird ein realistisches Szenario für die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor gezeichnet, weil mit diesem Weg die knappen Ressourcen im Finanzbereich, aber auch im Bausektor sinnvoller eingesetzt werden. Zudem werden mit dem Ansatz auch die Treibhausgasemissionen berücksichtigt, die durch den Bau der Bestandsgebäude bereits entstanden sind bzw. jene, die durch Neubau noch entstehen würden. Wenn CO2-Emissionen einen angemessenen Preis haben, können wir den Weg zur Erreichung des Klimaziels realistischer planen und sozial gerechter gestalten.
Die aktuellen Ansätze, die sich auf maximale Energieeffizienz und umfassende Sanierungsmaßnahmen stützten, seien weder finanzierbar noch klimawirksam genug, folgert das Manifest der Wissenschaftler. Was wir benötigen, ist kein blindes Streben nach höchster Energieeffizienz, sondern eine praxisorientierte Politik, die auf die Senkung der Treibhausgasemissionen abzielt.
Haushaltskrise als Katalysator für dringend notwendige Reformen
Vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltsdebatten und der gescheiterten Ampel-Koalition wird eine Kurskorrektur umso dringlicher. Die bisherigen Förderansätze übersteigen die finanzielle Belastungsgrenze des Bundeshaushalts bei Weitem, so die Wissenschaftler.
Insbesondere die Entscheidungsträger in der Politik werden aufgerufen, die Klimapolitik für den Gebäudebereich von Grund auf zu überdenken und sie auf realistische, erreichbare CO2-Reduktionsziele auszurichten – und nicht den Weg durch einen Dschungel von Gesetzen und Verordnungen dahin vorzuschreiben. In Anbetracht der gescheiterten Regierung und der drängenden Haushaltsprobleme seien die klimapolitischen Maßnahmen in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung.
GdW tritt Initiative bei
Angesichts der Dinglichkeit des Themas für die Wohnungswirtschaft tritt der GdW – Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen der Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor bei und fordert die politischen Entscheidungsträger auf, die kommende Bundestagswahl als Chance für einen neuen Ansatz zu nutzen. Ein Kurswechsel in der Klimapolitik sei zwingend notwendig, um eine ökonomisch machbare, sozial gerechte und ökologische Wende im Gebäudesektor zu schaffen, so Axel Gedaschko, Präsident des GdW.
Die Gründerin und Gründer der Initiative
Quelle: René Mueller Photographie
Prof. Elisabeth Endres, Professorin an der Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften der TU Braunschweig; Leiterin des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur, TU Braunschweig, Mitglied der Geschäftsführung des Ingenieurbüros Hausladen. Sie ist Architektin und bekannt für ihre Arbeit an nachhaltigen und innovativen Energie- und Gebäudekonzepten, insbesondere im Diskurs von Architektur und technischen Systemen mit Fokus der Vereinfachung im Bauwesen.
Prof. Dr.-Ing. Manfred Norbert Fisch, em. Professor der Fakultät Architektur der TU Braunschweig und ehem. Leiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik (IGS) der Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umwelttechnik; Leiter des Forschungsinstituts SIZ-energieplus, Braunschweig/Stuttgart; Gründer und Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft EGS-plan, Stuttgart; Initiator und Entwickler des Forschungsvorhabens Klimaneutrales Stadtquartier – Neue Weststadt Esslingen. Er ist spezialisiert auf ganzheitliche Energiekonzepte für Gebäude und Quartiere, die technische Nutzung der Solarenergie sowie die Produktion von grünem Wasserstoff. Er hat zahlreiche Auszeichnungen im Bereich der Bauphysik, Gebäude- und Solartechnik erhalten.
Prof. Dirk Hebel, Professor für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Karlsruhe; Vize-Dekan für strategische Weiterentwicklung der Fakultät für Architektur, KIT Karlsruhe; zuvor lehrte und forschte er in Äthiopien, Singapur, den USA und der Schweiz. Er ist Mitbegründer und Partner von 2hs Architekten und praktiziert Architektur mit einem Fokus auf ressourcengerechtes Bauen und kreislaufgerechten Materialeinsatz.
Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek, em. Professor an der Universität Stuttgart, Gründer des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Stuttgart; ehem. Mies van der Rohe Professor am Illinois Institute of Technology, Chicago. Er ist Gründer eines global tätigen Planungsbüros und erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Beiträge zur Bau- und Ingenieurwissenschaft; Mitbegründer und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).
Prof. Dipl.-Ing. Dietmar Walberg, Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Lübeck, Leiter des Fachgebiets Nachhaltiger Wohnungsbau am dortigen Fachbereich Bauwesen; Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE//eV). Er ist Experte für Baukostensenkung und Klimaneutralität im Wohnbau mit umfassender Beratungstätigkeit für öffentliche Bauvorhaben.
Manifest für einen Kurswechsel in der Klimapolitik für den Gebäudesektor
Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor
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