Positionspapier der Arbeitsgruppe Bau, Stadtentwicklung, Wohnen und Kommunen der FDP-Bundestagsfraktion
Beim jüngsten Krisengespräch zu Wirtschaftsfragen im Kanzleramt waren Auto-, Chemie- und Energieindustrie genauso vertreten wie die zugehörigen Gewerkschaften, nicht aber der nach Beschäftigten, Anteil am BIP oder CO2-Emissionen weit bedeutendere Bau- und Immobiliensektor. Doch eine Bau- und Klimawende, aber auch Wohnungsbau oder sichere Infrastruktur sind nur mit einer starken und innovativen Bauwirtschaft möglich.
Immerhin, die FDP empfing Vertreterinnen und Vertreter der Industrie und Handelskammern, der Handwerker, der Arbeitgeberverbände, der Familienunternehmen und der Freien Berufe. Der Hauptverband war mit dabei. Nun legt die Arbeitsgruppe Bau, Stadtentwicklung, Wohnen und Kommunen der FDP-Bundestagsfraktion mit einem Positionspapier nach und fordert einen neuen Weg im Gebäudesektor, der bezahlbar und CO2-frei sein soll.
Emissionseffizienz statt Energieeffizienz
Ausgehend vom viel diskutierten Wohnraumbedarf und den aktuellen Themen zur energetischen Sanierung des Wohnbestands wird festgestellt, dass das bisherige Vorgehen viele Bauherren und Eigentümer finanziell stark fordere und der Nutzen für das Klima doch gering sei. Die zahlreichen kleinteiligen Regelungen wollen die Liberalen nun abbauen und durch marktwirtschaftliche Instrumente mit CO2-Bilanz und CO2-Zertifikatehandel ersetzen. So sollen die Kosten ins Verhältnis zur tatsächlichen CO2-Reduktion gerückt werden. Der Fokus solle auf der Emissionseffizienz bzw. der Emissionsvermeidung liegen und nicht auf oft nur theoretischen Energieeinsparungen. So sei es nicht zielführend, (Dämm-)Standards weiter zu erhöhen, wenn dies das Bauen verteuert, ohne den CO2-Ausstoß signifikant zu senken. Die gegenwärtige Konzentration auf den rechnerischen Gebäudeenergiebedarf sei nicht mehr zeitgemäß, auch wenn Energieeffizienz nach wie vor eine Rolle spielen werde.
Als neuen, einfachen Regelungsrahmen schlägt die FDP stattdessen die CO2-Bilanz vor, sodass niedrige CO2-Emissionen sich lohnen und hohe Emissionen mit steigendem CO2-Preis unattraktiv werden. Dazu fordern die Liberalen im Positionspapier:
• eine ganzheitliche Betrachtung der CO2-Bilanz des Gebäudes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Herstellung und dem Transport der Baumaterialien bis hin zum Betrieb und schließlich dem Abriss. Nur so können wir sicherstellen, dass die Maßnahmen zur CO2-Reduktion auch wirklich effektiv und wirtschaftlich tragfähig sind. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen, wie z. B. produktscharfe CO2-Fußabdrücke und Planungssoftware für die Bilanzierung, sind bereits vorhanden. Eine detaillierte Erfassung der bereits verbauten grauen Energie im Gebäudebestand ist dafür nicht notwendig. Zusätzliche Nachhaltigkeitsanforderungen wie das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude oder der Effizienzhaus-Standard werden durch die Einführung von CO2-Bilanz und CO2-Preis überflüssig.
• eine Auslaufklausel für das Gebäudeenergiegesetz (GEG), da mit der Einführung des Emissionshandelssystems für den Gebäudesektor ab 2027 die Notwendigkeit der Regelung entfällt. Das GEG muss sowohl für Neubau als auch für Bestandsgebäude im Emissionshandelssystem aufgehen.
• die flächendeckende Einführung des Building Information Modeling (BIM), um den gesamten Lebenszyklus eines Bauprojekts transparent und effizient zu verwalten. Damit wird klimaschonendes Bauen stark vereinfacht und Kosten können gleichzeitig im Blick behalten werden. Mit dem Einsatz von BIM ist eine Kostenersparnis von bis zu 30 % gegenüber der herkömmlichen Verfahrensweise möglich.
Hier ist die FDP klar im Gegensatz zur aktuellen Linie der Grünen, die noch immer stark auf Energieeffizienzvorgaben und möglichst hohe Vorgaben zu Gebäudehülle und Heiztechnik setzt. Auch das vom SPD-Bauministerium eingeführte Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude als Fördervoraussetzung wäre mit diesem Ansatz obsolet. Ob jedoch wirklich jede kleine Baumaßnahme mit BIM geplant werden muss, darf bezweifelt werden. Auf der anderen Seite würde eine konsequente Förderung von BIM der bislang nur schleppend vorankommenden Digitalisierung der Baubranche auf die Sprünge helfen, was am Ende auch dem nachhaltigen Bauen zugutekommt.
Performance- statt Maßnahmenvorgabe
Beim GEG waren die Liberalen für Technologieoffenheit bei der Heizungsmodernisierung eingetreten, solange die Ziele erreicht werden. Diesen Ansatz wollen sie bis zum geforderten Auslaufen des GEG ausweiten und auch dies als Grundlage für Wahlfreiheit und Innovation auf die Förderung übertragen. Dazu fordern die Liberalen im Positionspapier:
- die Gesamtenergiebilanz eines Quartiers in den Fokus zu rücken, um den einzelnen Immobilien mehr Freiheit und Flexibilität zu bieten. Die Einbindung der Anwohner schafft Akzeptanz und führt zu maßgeschneiderten Lösungen.
- die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Energieerzeugung direkt am Gebäude, bspw. über die Abschaffung der steuerlichen KW-Peak-Grenze für Anlagen auf Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden oder Einrichtungen des Gemeinwohls.
- eine stärkere Berücksichtigung der Potenziale von Smart Buildings im Gebäudesektor, sodass das volle Potenzial einer smarten Gebäudebewirtschaftung ausgeschöpft werden kann.
- eine kommunale Stromplanung, damit Bürgerinnen und Bürger, ebenso wie große Immobilieneigentümer, Planungssicherheit haben und mit PV-Anlagen und Wärmepumpen effizient an die Netze der Versorger angeschlossen werden können.
- keine Einschränkung der Technologieoffenheit durch die Hintertür, wie die jüngst diskutierte CO2-Abgabe auf Holz, und keine Diskriminierung der Biomasse in der Neubauförderung.
- eine Fastlane für die Zulassung von innovativen und recycelten Baustoffen mit guter CO2-Bilanz, einen flexiblen und rechtssicheren Rahmen im Abfall- und Produktrecht sowie die Verbesserung ihrer Berücksichtigung bei Ausschreibungen. Insbesondere die Mantel- bzw. Abfallende-Verordnung muss reformiert werden.
Quartiersbilanz, einfachere dezentrale Stromerzeugung oder die schnellere Zulassung innovativer Bauprodukte sind sicher Themen, die mehrheitlich Zustimmung finden in der Baubranche. Die rasche Überarbeitung der Mantelverordnung ist ebenfalls eine vielfach gehörte Kernforderung der Branche.
EU-Regulierung
Weiter heißt es, dass die Regelungsflut der EU-Kommission die Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft belaste, insbesondere durch die Taxonomie- und Offenlegungsverordnung. Hier müsse nachgesteuert werden, so die FDP im Positionspapier, das Folgendes fordert:
- eine faire und differenzierte taxonomische Bewertung zwischen Neu- und Bestandsbauten. Das hohe Anforderungsniveau der Taxonomie ist oft nur bei Neubauten wirtschaftlich umsetzbar.
- die derzeit in der Taxonomie auf den Umweltbereich beschränkten Vorgaben nicht durch zusätzliche Kriterien, etwa im sozialen Bereich, weiter auszuweiten.
- eine umfassende Reform der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD), die im Mai 2024 in Kraft getreten ist. Sie enthält überzogene Verschärfungen, wie das Verbot fossiler Heizungen schon ab 2040.
Fördern, aber einfach
Der Förderdschungel im Baugewerbe, so die Liberalen, hemme Fortschritt und Innovation. Jedes Förderprogramm bringe eigene, oft komplizierte Anforderungen mit sich, die es den Bauherren und der Bauwirtschaft unnötig schwer machten. Darum sollten bürokratische Hürden abgebaut und der Zugang zu Fördermitteln vereinfacht werden. Dazu fordern die Liberalen im Positionspapier:
- eine radikale Vereinheitlichung der Förderprogramme: alle bestehenden Programme werden zu einem Programm für professionelle Entwickler und einem für private Bauherren zusammengeführt. Die Förderfähigkeit sollte primär an der CO2-Einsparung gemessen werden. Sonstige Nachhaltigkeitsanforderungen müssen entfallen.
- durch eine staatliche Zinsförderung, die Finanzierungskosten für Familien deutlich zu senken.
- die Ausweitung des Klimageschwindigkeitsbonus der Bundesförderung für Effiziente Gebäude auf Vermieter, wie ursprünglich auf dem Wohngipfel durch die Bundesregierung beschlossen.
Die geforderte Vereinfachung der Förderlandschaft ist etwas, das sowohl bei Häuslebauern als auch bei den Profis auf breite Zustimmung stoßen sollte.
Bereits im Sommer hatte Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, in der nbau einen Paradigmenwechsel im Bau mit Emissionseffizienz statt Energieeffizienz gefordert: https://www.nbau.org/2024/08/16/paradigmenwechsel-im-bau