Ökobilanzierung in der Tragwerksplanung

Entwurfstafeln

In der nbau 3 (2024), H. 1–6 stellt das Attitude Building Collective (ABC) die Entwurfstafeln zur Ökobilanzierung in der Tragwerksplanung vor. Das ABC verfolgt das Ziel, alle Bauschaffenden für die Transformation im Bauwesen zu mobilisieren. Gemeinsam denken wir das Bauen neu und setzen Impulse, um eine sinnhafte und ganzheitlich nachhaltige Bauwirtschaft zu schaffen. Die bisherigen Beiträge der Reihe boten einen niederschwelligen Einstieg in die CO2-Bewertung von Tragwerken. Das Verständnis für die Ökobilanz von Tragwerken ist die Grundlage, um als Tragwerksplaner:in der eigenen Verantwortung im Kontext der Klimakrise gerecht zu werden. Aufbauend auf den formulierten Handlungsempfehlungen liegt der Fokus nun auf der Kommunikation und dem Etablieren nachhaltiger Projektziele und -grundlagen in Bezug auf emissionsarmes Bauen. Es werden die Kapitel 6–8 der Entwurfstafeln vorgestellt, in denen essenzielle Entwurfsfragen und Argumente zum Überzeugen von Bauherr:innen zusammengefasst sind. Sie unterstützen Planende dabei, Bauherr:innen die Vorteile des Einsparens von CO 2 -Emissionen aufzuzeigen. In Bezug auf das Tragwerk bieten v. a. die Auswahl der Materialien sowie der Einsatz eines effizienten statischen Systems großes Optimierungspotenzial. Außerdem wird der Einfluss früher Planungsphasen auf die grauen Emissionen veranschaulicht. Die Checkliste für den Tragwerksentwurf fasst alle wichtigen Aspekte aufgeteilt in globale und lokale Entwurfsparameter zusammen. Die Anwendung der Checkliste ermöglicht es Tragwerksplanenden, bewusst die Entscheidungen der Bauherr:innen zu lenken, um CO2-Emissionen einzusparen.

6 Checkliste Tragwerksentwurf

Die Weichen für klimaeffektives Bauen (Entwurfstafeln, Kapitel 1.3) werden zu großen Teilen schon zu Beginn eines Projekts gestellt. Wird ein Gebäude abgerissen oder der Bestand saniert und umgenutzt? Soll bei Neubauten das Tragwerk primär aus Stahlbeton oder Holz errichtet werden? Sind mehrere Untergeschosse vorgesehen oder wird gänzlich auf eine Unterkellerung verzichtet?

Diese und viele andere Fragestellungen sind in Kapitel 6.1 der Entwurfstafeln unter dem Begriff Globale Entwurfsparameter zusammengefasst. Sie haben weitreichende Konsequenzen für die Ressourceneffizienz des Bauwerks und beeinflussen insbesondere die grauen Emissionen, welche während der Herstellungsphase der Baumaterialien, des Transports und der Bauphase anfallen. Dieser erste Teil der Checkliste, der in die Unterpunkte Projektgrundlagen , Material und statisches System gegliedert ist, dient den Nutzer:innen der Entwurfstafeln dazu, schon früh Einsparpotenziale im Bereich des Tragwerks aufzudecken und zu nutzen. Werden solche Fragen zu spät gestellt, ist ihre Umsetzung i. d. R. mit hohen Kosten verbunden oder schlicht nicht mehr möglich.

Oft stehen die Interessen der verschiedenen Fachplaner:innen im Widerspruch zueinander. Rippendecken wären aus statischer Sicht sinnvoll, passen aber üblicherweise nicht zu den Plänen der Haustechnik. Auch geringere Stützenraster würden Tragwerksplanende gerne umsetzen, wenn diese nicht den Anforderungen an das Raumprogramm entgegenstünden. Die Entwurfstafeln sollen dazu ermutigen, die gelisteten Punkte – und gerne auch weitere, persönlich ergänzte Aspekte – frühzeitig zu thematisieren und zumindest als Option zu durchdenken. Vielleicht ist anderen im Planungsteam die Tragweite eines voreilig ausgesprochenen „Das geht nicht“ nicht bewusst. Durch kluge Überzeugungsarbeit, gegenseitiges Verständnis für die Anforderungen der anderen Fachplanungen und eine Bereitschaft zur integralen Zusammenarbeit lassen sich weitreichende Änderungen erzielen.

Die unter dem Titel Lokale Entwurfsparameter in Kapitel 6.2 zusammengefassten Punkte liegen eher im alleinigen Einflussbereich der Tragwerksplanenden. Sie beziehen sich auf spätere Leistungsphasen und haben geringere Hebelwirkungen als bspw. die Wahl zwischen Abriss und Bestandserhalt. Zu den lokalen Entwurfsparametern gehören u. a. die Wahl der Materialgüte oder der Einsatz von Vorspannung. Die bewusste Auswahl und Ausschreibung emissionsarmer Materialien ist unerlässlich, um eine grundsätzliche CO2-Einsparung im Tragwerk zu realisieren.

7 Argumente für Bauherr:innen

In Kapitel 7 der Entwurfstafeln sind Argumente gesammelt, warum sich eine klimaeffektive Bauweise positiv auf die klassischen Entscheidungskriterien Qualität, Zeit und Kosten auswirkt.

Unter anderem sind Materialeinsparungen direkt mit Kosteneinsparungen verbunden. CO2-effiziente Konstruktionen wie z. B. die Holz-Modul-Bauweise ermöglichen die zeitlich optimierte Fertigstellung von Gebäuden. Und eine nachhaltige Bauweise führt meist zu einer höheren Qualität der Bauwerke, was sich positiv auf deren Vermarktung auswirkt.

Neben den Argumenten innerhalb dieser drei etablierten Dimensionen wird auf eine vierte Entscheidungsdimension eingegangen. Die (Aus-)Wirkungen der Entscheidungen von Bauherr:innen auf Umwelt und Gesellschaft müssen bei einer ganzheitlichen Betrachtung neben Zeit, Kosten und Qualität ebenfalls berücksichtigt werden. Die Verantwortung, nachhaltige Optionen rechtzeitig aufzuzeigen und Nachhaltigkeitsthemen frühzeitig mit den Bauherr:innen zu diskutieren, liegt bei den Planenden. Diese Schritte begünstigen, dass nachhaltige Konzepte von Beginn an in Entwürfe und in alle Planungsstränge integriert werden.

8 Einfluss früher Planungsphasen auf die Reduktion der grauen Emissionen

In Kapitel 8, dem letzten Kapitel der Entwurfstafeln zur Ökobilanzierung in der Tragwerksplanung, wird illustriert, wie wichtig die Entscheidungen sind, die in frühen Planungsphasen getroffen werden. Während zu Beginn eines Projekts der Aufwand für Änderungen hin zu mehr Klimaeffektivität gering und das CO2-Einsparpotenzial sehr groß ist, kehrt sich dieses Verhältnis im weiteren Projektverlauf um. Einsparpotenziale sinken, während der Aufwand für Änderungen immer größer wird. Es lohnt sich also, die Schlüsselaspekte früh mit Bauherr:innen und Fachplaner:innen zu besprechen!

Wir hoffen, dass die letzten beiden Seiten der Entwurfstafeln Sie zum Handeln motivieren, um im nächsten Planer-Jour-fixe gemeinsam an neuen, klimaeffektiven Lösungen zu arbeiten.

Die aktuelle Fassung der Entwurfstafeln kann auf der Website des Attitude Building Collective kostenlos und frei heruntergeladen werden. Über eine Anwendung der beschriebenen Handlungsempfehlungen, konstruktive Kritik und Anregungen zu den Entwurfstafeln freuen wir uns sehr.


Autor:innen

Leonie Gleiser
Emma Kanz
Heike Raabe
review@attitudebuildingcollective.org
Attitude Building Collective
www.attitudebuildingcollective.org

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