Nachhaltigkeit für alle

Eine aktuelle Fraunhofer-Studie zeigt, dass ein Viertel der Baubranche skeptisch ist, ob wirklich eine Transformation in Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung bevorsteht, während die Hälfte diese eher in der Zukunft sieht. Demnach ist es nach wie vor eine zwar größer werdende Minderheit, die bereits heute Innovation und Bauwende aktiv umsetzt, die Mehrheit ist nach wie vor skeptisch bis ablehnend. Auch wenn also das Verständnis für nachhaltiges Bauen wächst, bleiben doch noch viele, die überzeugt und zum konkreten Handeln ermuntert werden wollen.

Das klassische Konzept der Nachhaltigkeit nach Brundtland sieht die drei Themen Ökologie, Soziales und Ökonomie gleichgewichtet vor. Inzwischen, mit drängender werdendem Klimaschutz, wird auch ein Primat der Ökologie unter Hinzuziehung von Sozialem und Ökonomie diskutiert. Eine simple Gleichsetzung von Nachhaltigkeit mit Ökologie gibt es nach wie vor nicht und das ist gut so. Absolute Kategorien wie Schwarz oder Weiß sind kaum zielführend, weil am Ende immer etwas fehlt zum wirklichen Erfolg.

Schwarz-Weiß-Denken führt selten zum Erfolg im Großen

Über die erforderliche Anzahl und Lage von Wohnungsneubauten kann gestritten werden. Die Bauministerin möchte mehr Menschen in die Fläche schicken, wo es nach wie vor Leerstand und sogar Rückbau gibt – aus Gründen. Der Bundeskanzler auf der anderen Seite spricht gerne von ganzen Neubau-Stadteilen für die beliebtesten Großstädte und lässt dabei Gebäudebestand und Brownfields außen vor. Dem steigenden Wohnfl ächenbedarf pro Kopf kann sicher mit kreativen Suffizienzkonzepten entgegengewirkt werden. Von staatlichen Vorgaben schwätzt hier nur, wer den politischen Gegner diskreditieren möchte. Die Ausweisung oder eben auch Nichtausweisung von neuem Bauland für Einfamilienhäuser steht hierbei jedoch auf einem anderen Blatt. Wer aber angesichts des nach wie vor akuten Wohnbedarfs insbesondere in den Ballungszentren nur auf Bestandsbau und Umnutzung setzt, verkennt zum einen Potenzial und Bedarf und ignoriert ebenso die essenzielle soziale Dimension, die eben auch zur Nachhaltigkeit und insbesondere deren hoffentlich weiter wachsender Akzeptanz gehört. Schwarz-Weiß-Denken führt selten zum Erfolg im Großen und Ganzen – als Gesellschaft, die möglichst viele Menschen und Schichten mitnehmen sollte.

Neben dem Wohnbau ist auch die Verkehrsinfrastruktur gerade wieder in aller Munde, insbesondere die Brücken. Und zwar wegen Nichtfunktionieren und, noch viel schlimmer, wegen mangelnder Bauwerksicherheit. Auch wenn nachhaltig bauen inzwischen erfreulicherweise beim Infrastrukturbau angekommen ist (Wer hat da eigentlich eine Dekade lang erfolgreich gebremst?) – Sicherheit und Verfügbarkeit sind und bleiben die wichtigsten Kriterien. Gerade die Menschen in und um Lüdenscheid können ein Lied davon singen, welche ökologischen Folgen – zusätzliche CO 2 – oder NOx-Emissionen –, ö konomischen Folgen – Profitabilitätsverluste und Abwanderung lokaler Firmen – oder sozialen Folgen – Lärm, Feinstaub, Stress – der Ausfall einer wichtigen Brücke hat; und Dresden steht nun auch auf dieser Liste. Gemahnt hat die Bauwirtschaft sicher früh und laut genug, dass mangelnde Wartung und Reparatur von Brücken zu Einschränkungen und zu zusätzlichen volkswirtschaftlichen und ökologischen Schäden führt. Es darf einfach nicht passieren, dass Brücken einstürzen, weil wir zu lange notwendige Sanierungen aufgeschoben haben. Auch hier gilt: Sanieren, Verstärken oder Ertüchtigen von Brücken – solange es noch geht – ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern oft ökologisch und sozial viel nachhaltiger als die irgendwann unumgänglichen Ersatzneubauten. Also können rechtzeitige Wartung und Erhaltung unserer Verkehrsinfrastruktur durchaus auch als Frage der Nachhaltigkeit gesehen werden. Und auch hier gilt: Schwarz-Weiß-Denken passt selten; manchmal sind auch Ersatzneubauten von Brücken einfach notwendig – aber eben erst als ganzheitlich abgewogene letzte Lösung. Umfassende Nachhaltigkeit für alle – Menschen und Umwelt.

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