Betonforschung als ­Vorbild, LAB als Schrittmacher

Erwiderung auf die A4F-Kolumne Innovation nicht zu Ende gedacht

Mit Beton wird seit über 2000 Jahren gebaut. Heute ist Beton das meistverwendete Baumaterial weltweit. Für Beton sprechen u. a. die hohe Tragfähigkeit, Dauerhaftigkeit und Brandbeständigkeit, die leichte Verarbeitung sowie die fast weltweit lokale Verfügbarkeit der Rohstoffe, der geringe Preis und die gute Recyclingfähigkeit.

Die Bauwelt hat jedoch eine Herausforderung, die es zu lösen gilt. Für Beton wird aktuell sehr viel Zement benötigt. Allein die Zementherstellung ist momentan für ca. 8 % der globalen CO 2 -Emissionen verantwortlich. Um die Emissionen zu reduzieren, muss sich etwas ändern.

Weltweit ist jedoch kein Material in Sicht, welches auch nur ansatzweise den Massenbaustoff Beton ersetzen kann und als ernsthafte Alternative gesehen wird. Kein anderes Material bündelt die o. g. Vorteile und ist in den erforderlichen Mengen verfügbar. Selbst der oft ins Spiel gebrachte Holzbau kann – je nach Statistik – maximal 10 % des Baustoffbedarfs decken und wird teilweise auch kritisch gesehen [1, 2].

Die Bauwelt kann die Herausforderungen somit nicht alleine durch den Wechsel des Baumaterials lösen, also muss der Betonbau zukunftsfähig werden. Der erste Ansatz ist, die Gesamtmenge an Beton, die weltweit eingebaut wird, erheblich zu reduzieren, indem materialminimiert, z. B. dünner, gebaut wird. Der zweite Ansatz ist, im Beton den Zementgehalt oder eigentlich den Klinkeranteil im Zement deutlich zu reduzieren [3]. Mit der Kombination dieser beiden Ansätze können die CO 2 -Emissionen im Betonbau um ca. 70 % gesenkt werden. Ein sehr positives Ergebnis, jedoch auch mit einer Herausforderung. Die erforderliche Bewehrung im Beton besteht meist noch aus Stahl. Damit die Stahlbewehrung nicht korrodiert, benötigt diese einen Beton mit hoher Alkalität und eine dicke Betondeckung, um diese Alkalität aufrechtzuerhalten. Klinkerreduzierte Betone und dünne Bauteile stehen dem jedoch entgegen, sodass die Stahlbewehrung in diesen Bauteilen schnell korrodiert und erhebliche Bauwerksschäden verursacht.

Um den Betonbau tatsächlich nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten, muss die Stahlbewehrung durch eine nichtrostende Bewehrung ersetzt werden. Hier wird Carbon als vielversprechendes Bewehrungsmaterial favorisiert. Die Entwicklung der Carbonbewehrung wird als Vorbild für Entwicklungen im Bauwesen gesehen. Der konsequente Weg von der Grundlagenforschung über die Entwicklung bis hin zur Markteinführung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesforschungsministerium bis hin zum Bundeswirtschaftsministerium aufeinander aufbauend gezielt gefördert. Dabei wurden von Anfang an nicht nur Materialien, Konstruktionen und Herstellverfahren entwickelt, sondern Querschnittsthemen wie bspw. Arbeitsschutz und Kreislauffähigkeit berücksichtigt – deutlich früher als bei vielen anderen Entwicklungen. Um ggf. auftretende Risiken, die bei neuen Entwicklungen nie ausgeschlossen werden können, frühzeitig zu bewerten, wurde u. a. eng mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) und der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) zusammengearbeitet. Dadurch war es u. a. möglich, aus der Vielzahl von Carbonfasern, mit den unterschiedlichsten Eigenschaften, die passenden herauszufiltern.

Somit liegen heute nicht nur umfangreiche, sondern vor allem ­belastbare Ergebnisse vor, die den Einsatz mit dem Massenbaustoff Beton ermöglichen. Es werden bereits Bewehrungen aus recycelten Carbonfasern hergestellt, sodass schon heute der Stoffkreislauf geschlossen werden könnte, auch wenn Carbonbetonbauteile erst in Jahrzehnten in nennenswerten Mengen zurückgebaut werden. Heute anfallende gebrauchte Carbonfasern sind bereits ein gefragter, wertvoller Rohstoff, den Unternehmen wie bspw. Mitsubishi Chemical Advanced Materials [4] für neue Produkte nutzen.

Der Beton, mit dem wir in Zukunft bauen, wird ein anderer, deutlich nachhaltigerer Baustoff sein – ein Beton mit weniger CO 2 -Emissionen und nichtrostender Bewehrung.

Doch damit nicht genug: Mit Holz, Stahl und Beton wird schon weit über 1000 Jahre gebaut, obwohl wesentliche Fragen noch nicht beantwortet sind. Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen weltweit auch heute noch an diesen Baustoffen und kommen regelmäßig zu neuen Erkenntnissen. Das Forschen im Bauwesen wird nie enden.

Somit ist es – unabhängig vom Betonbau – auch an der Zeit, darüber nachzudenken, wie Forschung und Entwicklung im Bauwesen nachhaltiger, zukunftsfähiger und v. a. deutlich intensiver werden können, wie der Weg von der Grundlagenforschung in die Baupraxis noch besser und schneller erfolgen kann und wie materialübergreifende Entwicklungen noch erfolgreicher sein können.

Die Initiative für das LAB – Living Art of Building [5] dient dazu, deutlich mehr Forschungsmittel in die großen Themen des Bauens zu investieren. Die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung lagen im Jahr 2019 bei 18.800 Mio. Euro. Auf den Förderbereich Raumordnung und Stadtentwicklung; Bauforschung entfielen davon 114 Mio. Euro oder lediglich 0,61 % für das Bauwesen [6]. Dieser Anteil muss im Verhältnis zu den rd. 11,6 % gesehen werden, die das Bauwesen zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Es wird überdeutlich sichtbar, dass exorbitant zu wenig in die Bauforschung investiert wird.

Nur durch einen Moonshot wie das LAB lässt sich die Forschung in einem Maße steigern, die uns in den nächsten Jahren in die Lage versetzt, mit neuen oder weiterentwickelten Baustoffen, mit neuen Materialkombinationen, mit neuen Herstellungstechnologien unter Einsatz aller digitalen und maschinellen Möglichkeiten das unbedingte Ziel klimafreundliches Bauen zu erreichen. Alle zurzeit bekannten Baustoffe wie Beton, Holz, Glas, Ziegel, Lehm, Bambus, Carbon, Basalt und weitere sowie darüber hinaus neue, z. B. biobasierte oder olivinbasierte, Materialien werden hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Klimaneutralität, Zirkularität, Resilienz etc. betrachtet werden.

Das LAB wird das gesamte Bauen und die Nutzung der gebauten Umwelt in eine klima- und ressourcenneutrale, langlebige, variable, ästhetische, bezahlbare und Werte schaffende Bauweise transformieren.

Die große Idee des LAB ist es, eine Forschungsinstitution zu schaffen, die in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Bauingenieurwesen, Architektur, Chemie, Biologie, Nachhaltigkeit, Geschichte, Robotik, Informatik und Soziologie einen tatsächlichen Paradigmenwechsel herbeiführt.

Ebenso ist eine enge Kooperation mit allen Einrichtungen und Institutionen des nachhaltigen Bauens in Deutschland sowie mit exzellenten Forscherinnen und Forschern und herausragenden Institutionen weltweit, wie dem MIT, Princeton, Harvard oder der Universität der Vereinten Nationen, geplant. Durch die globale Zusammenarbeit sollen möglichst viele Ideen aufgegriffen werden, um dann lokal verwendbare Lösungen – gerade auch im globalen Süden – zu schaffen.

Wir brauchen den Paradigmenwechsel im Bauwesen – nicht morgen, nicht übermorgen, sondern jetzt!

Literatur

  1. Sobek, W. (2022) non nobis – über das Bauen in der Zukunft Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist . Stuttgart: av edition.
  2. WWF (2023) Alles aus Holz? – WWF-Studie fordert dringend Umdenken bei Verbrauch und Verwendung des nachwachsenden Rohstoffs [online]. Berlin: WWF Deutschland. https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/verantwortungsvollere-waldnutzung/alles-aus-holz
  3. Implenia (2023) Zulassung des Deutschen Institutes für Bautechnik „Beton – Sonderbeton für Gründungsbauwerke (MBG)“ . Implenia, Opfikon.
  4. Mitsubishi Chemical Advanced Materials (2024) carboNXT [online]. Vreden: Mitsubishi Chemical Advanced Materials GmbH. https://www.carbonxt.de/de
  5. LAB – Lausitz Art of Building (2024) Es ist ein historischer Moment für die Zukunft des Bauens [online]. Dresden: TU Dresden. https://living-art-of-building.org
  6. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021) Bildung und Forschung in Zahlen 2021 [online]. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. https://www. datenportal.bmbf.de [Stand September 2021]

Autor:innen

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach,
Manfred.Curbach@tu-dresden.de
Technische Universität Dresden, Institut für Massivbau
www.tu-dresden.de

Dr.-Ing. Frank Schladitz, f.schladitz@carbon-concrete.org
C3 – Carbon Concrete Composite e. V.
https://carbon-concrete.org

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