Wohnen in der DDR-Typen-Schwimmhalle

Klaus-Dyckerhoff-Preis für Architektur zeichnet Umnutzung aus

Ziel des Klaus-Dyckerhoff-Preises für Architektur ist es, Architekt:innen ebenso wie Bauherr:innen oder Investor:innen dafür zu würdigen, dass sie die Lebenszyklen von bestehenden Betongebäuden verlängern und damit ihre Ökobilanz verbessern, indem sie ihre Revitalisierung, Um- oder Neunutzung mit beispielhaften Projekten vorantreiben. Das Votum für die Sanierung und Umnutzung des ehemaligen DDR-Schwimmbads durch den Architekten Ulrich Bunnemann vom Büro Schelfbauhütte fiel einstimmig aus. Insbesondere lobte die Jury die „außergewöhnliche Qualität und Stimmigkeit des Gesamtkonzeptes, den originellen typologischen Wandel des Gebäudes sowie die konsequent auf Nachhaltigkeit bedachte Bauweise“.

Die Volksschwimmhalle Lankow ist ein Typenbau aus dem Jahr 1976. Der Typ B – Bitterfeld verfügte über ein 25-m-Schwimmbecken, ein Nichtschwimmerbecken und eine Sauna. Die Konstruktion bestand im Wesentlichen aus einem Stahlbetonskelett aus vorgefertigten Stützen und Riegeln. Die Dachkonstruktion setzte sich aus ebenfalls vorgefertigten hyperbolischen Paraboloidschalen (HP-Schalen) zusammen. Dieses 1951 vom Hallenser Architekten Herbert Müller (1920–1995) entwickelte System war leicht und stabil, materialsparend und damit wirtschaftlich. Die Elemente konnten bei einer Schalendicke von nur 4,5 cm eine Spannweite von bis zu 24 m und 2 m Breite erreichen. In der DDR wurden solche Typenbauten in den 1960er- und 70er-Jahren vielfach errichtet – inzwischen ist dies das einzige erhaltene HP-Schalendach in Mecklenburg-Vorpommern.

Rettung in letzter Minute

In Ermangelung eines Sanierungskonzepts des leer stehenden Hallenbads bereitete die Stadt Schwerin den Abriss des seit 2015 unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes vor. Ulrich Bunnemann gelang es in letzter Minute, die Stadt zum Verkauf zu bewegen – und im Herbst 2017 konnten 16 neue Zwei- bis Dreizimmerwohnungen zu einem bezahlbaren Mietpreis bezogen werden. Einen kleinen Teil des großen Schwimmbeckens baute er für therapeutisches Schwimmen und Kinder-Schwimmkurse um und fügte Räume für eine Arztpraxis hinzu. Diese Doppelnutzung bzw. der teilweise Erhalt der ursprünglichen Funktion wurde – neben der ebenfalls lobenswerten Schaffung von Wohnraum – von der Jury besonders hervorgehoben.

Moderner Holzelementebau im DDR-Typenbau

Entlang der beiden teils großflächig befensterten Längsfassaden bauten Bunnemann und sein Büro acht barrierefreie Etagen- und acht Maisonettewohnungen ein. Im inneren, niedrigeren Bereich der Halle wurde der größte Teil des Schwimmbeckens abgedeckt und zu Kellern umgenutzt. So entstand ebenerdig ein großzügiges Foyer als Treffpunkt und Begegnungsraum für die Bewohner:innen. Die oberen Etagenwohnungen sind über eine Holztreppe mit Galerie oder über eine Liftplattform zugänglich. Alle neu eingebauten Decken und Wände errichtete die Schelfbauhütte in vorgefertigter Holzbauweise; die industriell abgebundene Holzkonstruktion musste auf der Baustelle nur noch zusammengesteckt werden. Somit entstand ein Fertigteilsystem im Fertigteilgebäude – und dies mit einem nachwachsenden Rohstoff und darüber hinaus autark und reversibel. Die schnelle und günstige Fertigbauweise wurde somit an diesem Gebäude zweimal – einmal historisch und einmal zeitgenössisch – durchgespielt.

Möglichst nachhaltig und ressourcenschonend gingen die Architekt:innen und Handwerker:innen auch bei der Dämmung und Energiegewinnung vor. Die Außenwände erhielten eine Innendämmung aus Zellulose, die neuen Fenster sind dreifach verglast. Das Regenwasser, das sich auf der nach innen geneigten Dachfläche ansammelt, wird als Grauwasser genutzt, und die PV-Anlage auf dem Dach produziert einen großen Teil der benötigten Energie. Die Erwärmung des Schwimmbads und des Brauchwassers erfolgt über Fernwärme.

Reminiszenzen an alte Zeiten – mit einfachen Mitteln

Die aneinandergereihten, doppelt und gegenläufig gekrümmten HP-Schalen hatten zusätzlich eine Aussteifung und Kassettierung, um noch mehr Material und Gewicht zu sparen. Diese zuvor nicht sichtbare Schalenkonstruktion wurde freigelegt. Aufgrund dieser Inszenierung entfalten die Bauteile jetzt nicht nur ihre statische, sondern auch ihre ästhetische Wirkung. Betritt man das Foyer, ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Menschen hier früher ihre Bahnen zogen, planschten und untertauchten: ein alter Startblock und dem originalen Vorbild entsprechende Bodenfliesen erinnern noch an die alte Funktion. Somit behält das Gebäude auch seine Identität für viele, die das Bad noch aus ihrer Kindheit kennen.

So wurde der Abriss dieses Betonbaus verhindert, der Lebenszyklus verlängert. Die gemischte Umnutzung ist langfristig angelegt, das Material der Einbauten ist nachwachsend, rückbaubar und wirtschaftlich – all dies lobt die Jury als „ein mustergültiges Konzept, das anderen Umnutzungsvorhaben zum Vorbild dienen sollte“.


Klaus-Dyckerhoff-Preis für Architektur 2024
https://dyckerhoff-stiftung.de/architekturpreis/leben-unter-hp-schalen-wo-die-schwerinerinnen-frueher-ihre-bahnen-zogen-koennen-sie-jetzt-wohnen

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