Neues Lernen im Holzhybridbau

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Mit dem Bildungshaus im NeckarPark (Bild 1) errichtet das Bauunternehmen WOLFF & MÜLLER das bislang größte Einzelvorhaben der Stadt Stuttgart im Schulbereich in Holzhybridbauweise. Die innovative Bautechnik soll das Modellprojekt nachhaltiger gestalten als reiner Stahlbeton. Gleichzeitig gilt es mit neuen Herausforderungen in der Umsetzung umzugehen.

WOLFF & MÜLLER will als Familienunternehmen nachhaltiger werden. Dieses Ziel ergibt sich aus seinem EPI-Prinzip: Effektiv. Partnerschaftlich. Innovativ. Das Unternehmen setzt auf innovative Bauweisen – so auch beim Bildungshaus im NeckarPark in Stuttgart Bad Cannstatt. Das Projekt entsteht in Holzhybridbauweise, mit der Stahlbeton eingespart und somit der CO 2 -Fuß­abdruck in der Bauphase verringert wird. Gleichzeitig ermittelt WOLFF & MÜLLER bei Modellprojekten wie diesem auch das wirtschaftliche Potenzial neuer Bauweisen.

Vielfältige Lehrstätte im NeckarPark

Auf der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs in Stuttgart Bad Cannstatt entsteht ein neues Wohn- und Gewerbegebiet, auf dem zukünftig mehr als 2000 Menschen wohnen und arbeiten: der ­NeckarPark. Dieser soll als Modellvorhaben Bildung als Standortfaktor zeigen, wie sich die Stadtentwicklung mit einem hochwertigen Bildungs- und Betreuungsangebot verbinden lässt. Als Teil dieses Modellprojekts lobte das Schulverwaltungsamt der Stadt Stuttgart 2019 den zweistufigen Wettbewerb Planen und Bauen für ein Bildungshaus aus.

WOLFF & MÜLLER konnte als Kooperationspartner die Architekten Glück + Partner sowie die Landschaftsarchitekten Pfrommer + Roeder gewinnen – und die Tragwerksplaner Furche Geiger Zimmermann, die TGA-Planer IWP Systemplanung und Kienle Elektrotechnik sowie die Brandschutzgutachter eb2 und Brandschutz Plus für den Wettbewerb und die Bauaufgabe begeistern. Dank der innovativen Umsetzung der hochkomplexen Aufgabe erhielt WOLFF & MÜLLER im August 2021 den Auftrag für die Planung und Erstellung des Gebäudekomplexes.

Dieser umfasst eine Kindertagesstätte (KiTa), eine Grundschule als Ganztageseinrichtung mit den erforderlichen Freiflächen, eine Zwei-Feld-Sporthalle, eine Zweigstelle der Volkshochschule (VHS) Stuttgart und eine Tiefgarage. Die vier Funktionen sind durch eine Bildungsmagistrale miteinander verbunden, die sich visuell und baulich wie ein roter Faden durch das Bildungshaus zieht. Zum Zweiten sticht das pädagogische Konzept heraus; dazu gehört, dass Grundschule und Kita in sog. Lernhäusern eng miteinander verzahnt sind. Passend zur nachhaltigen Bauweise wird ein großer Teil der Fassade begrünt.

Erfolgsfaktor Holzhybridbauweise

Ein besonderes Merkmal des Entwurfs war die Errichtung der Gebäude in Holzhybridbauweise – bei einem öffentlichen Schulgebäude der Gebäudeklasse 5 ein bisher einzigartiger Ansatz. Das Untergeschoss wurde konventionell in Stahlbeton ausgeführt, das Erdgeschoss zum Großteil in Stahlbau mit einer Holorib-Decke und alle darüberliegenden Geschosse in Holzhybridbauweise.

Die Holzhybridkonstruktion der Decke besteht aus 20 cm starken Brettschichtholzelementen und einer 10 cm starken Betonauflage. Die Schichten sind über Kerven im Holz schubfest miteinander verbunden. So verbinden sich die besten Eigenschaften von Holz und Beton: Der Beton erhöht die Tragfähigkeit, indem er Biege- und Schubkräfte in Form von bspw. Wind und Erdbeben aufnimmt, und isoliert die Konstruktion gegen Schwingungen und Schall. Das Holz ist leicht, nimmt Zugkräfte auf und sorgt für eine bessere Klimabilanz. Die Deckenelemente haben aus statischen Gründen eine maximale Abmessung von 740 cm × 80 cm.

Die Elemente liegen in den Fassadenbereichen auf 30 cm × 24 cm großen Brettschichtholzträgern auf, im Innenbereich auf Stahlträgern. Alle Träger liegen auf Brettschichtholzstützen mit einem Stützenachsraster von 240 cm (Bild 2). Im Innenbereich sind diese mit 64 cm × 30 cm größer als im Randbereich (24 cm × 30 cm). Alle Holzelemente sind auf Abbrand dimensioniert. Sie sind größer als statisch notwendig, sodass sie im Brandfall lange genug tragfähig bleiben: Im Falle der Feuerwiderstandsklasse F90, wie sie beim Bildungshaus Anwendung findet, für mindestens 90 min.

Komplexer Brandschutz

Bedingt durch das zweistufige Wettbewerbsverfahren war bei der Planung des Bildungshauses kein direkter Austausch mit der Baurechtsbehörde möglich – für einen Sonderbau der Gebäudeklasse 5 war das anschließende Genehmigungsverfahren zwecks vorbeugenden Brandschutzes langwierig und aufwendig.

Mit Unterstützung von Brandschutz Plus und eb2 entwickelte WOLFF & MÜLLER ein Konzept, das den Anforderungen entsprach. Dafür gab es einige Bedingungen: So werden die KiTa und die Schule getrennt voneinander erschlossen. Neben einer flächendeckenden Brandmeldeanlage sorgen für die Sicherheit in allen Etagen außenliegende umlaufende Fluchtbalkone, die über Fluchttreppen nach unten führen. Die Fluchtbalkone sind über Schöck-Isokörbe an die Decken angeschlossen. Zusätzlich trennen die Balkone aus Stahlbeton die einzelnen Geschosse baulich voneinander ab und verhindern so einen Brandüberschlag von Stockwerk zu Stockwerk.

Aus Brandschutzgründen wurde vom Baurechtsamt auch eine Fassade aus Hartholz (Eiche) gefordert, das durch seine hohe Dichte gute Brandeigenschaften bietet.

Herausforderungen des Bildungshauses

Neben dem Brandschutz galt es bei dem Projekt Bildungshaus weitere Herausforderungen von planerischer und bautechnischer Seite zu bewältigen. So mussten die Planer das Nutzungskonzept mit vielen verschiedenen Anforderungen auf einer kleinen, innerstädtischen Fläche umsetzen – daher musste die komplette Fläche genutzt werden. Gleichzeitig entstanden aus diesem Umstand interessante Ideen – bspw. befindet sich der Spielhof der Kinder­tagesstätte auf der ebenerdigen Decke der Tiefgarage und das Dach der Sporthalle bekommt als Schulhof einen praktischen Zweck. So konnte das Team Platz sparen und sonst eher ungenutzten versiegelten Flächen neue Nutzungsmöglichkeiten zukommen lassen.

Die Lage des Projekts bot noch eine weitere Herausforderung: Das Baufeld liegt im Heilwasserschutzgebiet und bietet durch die Nähe zum Neckar instabilen Kiesboden. Die Gründung erfolgte daher durch Ortbetonrammpfähle System Franki, sodass die Gebäudelast in tragfähige Bodenschichten abgetragen werden kann. Alle erdberührten Bauteile sind wasserundurchlässig und haben als Zusatzmaßnahme eine außenliegende Abdichtung erhalten – so konnte das Projekt alle Vorgaben, die aus dem schwierigen Baugrund resultieren, einhalten (Bilder 3, 4).

Warum Holzhybrid sich lohnen kann

Als Pilotprojekt der Gebäudeklasse 5 in Holzhybridbauweise gab es beim Bildungshaus also einige planerische Hürden – trotzdem lohnt sich das Konzept. Eine Rückrechnung aus Vergleichsprojekten hat gezeigt, dass durch das Holz etwa 37 % CO 2 -Äquivalente. in der Bauphase eingespart wurden, obwohl gerade die unterirdischen Gebäudebereiche in konventionellem Stahlbeton ausgeführt wurden. So bietet die Bauweise Potenzial für noch größere CO 2 -Einsparung bei zukünftigen Projekten. Zudem fügt sich das Gebäude durch die Holzfassade und -elemente in den Innenräumen sehr gut in den modernen Neckarpark ein. Sie sorgt für eine bessere Lernatmosphäre und erzielt damit auch langfristig positive Effekte – selbst wenn diese zunächst schwierig zu beziffern sind.

Zukünftige Projekte ähnlicher Größenordnung dürften einfacher realisierbar werden: Am 1. Januar 2023 trat eine neue Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (Vwv TB) in Kraft, die neue Beurteilungsmöglichkeiten für feuerbeständige Holzbauweisen in den Gebäudeklassen 4 und 5 bietet. Diese Richtlinie galt noch nicht, als die Baugenehmigung erteilt wurde. Auch wenn der Holzhybridbau in der Gebäudeklasse 5 weiterhin einen bürokratischen Mehraufwand mit sich bringt, dürften Folgeprojekte somit günstiger werden.

Eine Studie der Technischen Universitäten Darmstadt und Kaiserslautern aus dem Jahr 2022 legt zudem nahe, dass die Holz­hybridbauweise gegenüber konventionellem Stahlbetonbau auch trotz höherer Initialkosten langfristig für alle Beteiligten die wirtschaftlichere Option sein kann. So können durch die Ästhetik und den Pilotcharakter der Projekte höhere Mietpreise aufgerufen werden, auch Faktoren wie höheres Engagement von Mitarbeitern in entsprechend modernen und optisch hochwertigen Räumlichkeiten wurden mit einberechnet. In Anbetracht dieser Umstände und bei der sehr hohen Einsparung an CO 2 -Äquivalenten. ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Holzhybridbauweise eta­bliert und als gleichwertige Option zum etablierten Stahlbeton durchsetzt.

Susanne Kolb, Oliver Löffler


Bautafel

Eigentümer/Bauherr: Stadt Stuttgart
Projektentwicklung: WOLFF & MÜLLER, Glück + Partner, Pfrommer + Roeder
Bauunternehmen: WOLFF & MÜLLER
Architekten: Glück + Partner
Landschaftsarchitekten: Pfrommer + Roeder
Tragwerksplaner: Furche Geiger Zimmermann
Technische Geräteausstattung – Planer: IWP Systemplanung, Kienle Elektrotechnik
Brandschutzgutachter: eb2, Brandschutz Plus
Baustart: Juli 2021
Geplante Fertigstellung: Frühjahr 2025

www.wolff-mueller.de

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