Kreislaufgerechtes Wohnen auf dem Bestand
Im Karlsruher Stadtteil Rintheim wurden durch die Aufstockung von drei Garagenanlagen zwölf Wohneinheiten mit zusammen 535 m² Wohnfläche geschaffen (Bild 1). Die Aufstockungen sind als kreislaufgerechte und versetzbare Konstruktionen ausgeführt. Dies war durch eine Förderung des Landes Baden-Württemberg als Leuchtturmprojekt der Wohnraumoffensive BW möglich. Das Projekt verfolgt auf drei Ebenen einen kreislaufgerechten bzw. ressourcenschonenden Ansatz: Auf Ebene der Stadt ist dies die Nachverdichtung ohne Versiegelung neuer Flächen, auf Ebene des Gebäudes ist dies die Möglichkeit des Versetzens, falls eine weitergehende Verdichtung stattfindet, und auf Ebene von Bauelementen, Bauteilen und Materialien sind dies die Möglichkeiten der Demontage und sortenreinen Trennung (einschließlich Urban Mining), damit ein möglichst großer Anteil derselbigen in technische und biologische Kreisläufe geführt werden kann.
1 Die Idee – Wohnen auf dem Bestand
Das Projekt befindet sich im sog. Rintheimer Feld, einer räumlich und funktional zusammenhängenden Nachkriegssiedlung mit einer Fläche von ca. 1,3 km² und ca. 2300 Einwohnern. Die Planung nutzt die knappen Spielräume des Bebauungsplans aus dem Jahr 1958 zur Nachverdichtung der Siedlung. Die drei nahezu baugleichen Anlagen der Aufstockungen (Bild 2) bestehen jeweils aus drei Einzimmerwohnungen mit ca. 36 m² Wohnfläche (Bild 3) und einer Zwei-/Dreizimmerwohnung mit ca. 70 m² Wohnfläche (Bild 4). Die Wohnungen einer Anlage sind über eine Außentreppe und ein laubengangähnliches Erschließungssystem, das teils in die Bauvolumen eingezogen ist, zugänglich (Bilder 5–7). Dieser halböffentliche Raum unterstützt auch die nachbarschaftlichen Begegnungen und damit die Entstehung einer sozialen Kleinstruktur. Die Garagen werden nach wie vor durch die bisherigen Mieterinnen und Mieter als Stellplätze genutzt, für die Aufstockungen mussten entsprechend LBO BW § 37 (3) keine neuen Stellplätze nachgewiesen werden.
Die Aufstockungen sind in Holzständerbauweise ausgeführt, die Metallhaut aus Titanzink ist eine Folge von Brandschutzanforderungen, beantwortet aber auch die Frage, wie ein Holzbau in der Nachkriegssiedlung Ausdruck finden kann. Die Dachlandschaft ist aus den Raumfunktionen der Wohnungen entwickelt: niedrig im Bereich der Bäder und Küchen, hoch im Bereich der Wohnräume, sodass trotz der geringen Fläche der Wohnungen ein großzügiges Raumgefühl entsteht (Bild 8). Die Dachlandschaft schafft aber auch einen Bezug zu den umgebenden Gebäuden mit ihren Satteldächern und gibt dem Projekt einen selbstbewussten und differenzierten Ausdruck. Im Rahmen des Projekts wurden auch überdachte Fahrradstellplätze, ein Waschsalon und Müllräume zur gemeinschaftlichen Nutzung durch die Bewohner der Aufstockungen und des Bestands geschaffen.
Der Holzbau wurde in hohem Maße im Werk als 2D-Elemente (Boden-, Wand- und Dachelemente) vorgefertigt, was auch den werkseitigen Einbau von Fenstern, Sonnenschutz, Installationsebene mit Elektrokabel etc. einschließt. Die Größe der Elemente richtet sich nach den Möglichkeiten des Transports. Der Holzbau wurde auf einen Rost aus Stahlträgern gesetzt, welcher der Lastverteilung dient (Bild 9). Die Vergabe des Holzbaus erfolgte auf Grundlage einer vorgezogenen Vergabe (Basis Leistungsphase 3+) als Dichte Hülle, d. h. mit Fenstern, Sonnenschutz, Abdichtungen etc.
2 Innerstädtische Nachverdichtung – Vorgeschichte
Im Jahr 2017 hat Falk Schneemann Architektur (FSA) mit dem Konzept der innerstädtischen Nachverdichtung auf bereits vorhandenen Garagenanlagen einen Ideenwettbewerb gewonnen. Das Konzept wurde im Wettbewerb an einem 120 m langen Garagenriegel angewendet, der zu einer Zeilenbebauung aus der Nachkriegszeit gehört, wobei eine bauliche Umsetzung zunächst unrealistisch erschien. Die grundlegende Idee ist, dass Wohnraum dort geschaffen wird, wo Raumressourcen vorhanden sind, deren Aktivierung hinsichtlich Belichtung und Privatsphäre verträglich erscheint. Außerdem kann auf die Versiegelung neuer Flächen verzichtet werden. Durch die Nachverdichtung wird ein Beitrag dazu geleistet, das Flächenwachstum der Stadt zu reduzieren. Die Stadt wird im positiven Sinne kompakter und dichter, was das Modell der 15-Minuten-Stadt befördert. Dass Garagenanlagen, die sich prinzipiell für eine solche Aufstockung eignen, in unseren Städten in großer Zahl vorhanden sind, bestätigen Alltagserfahrungen.
Durch den Gewinn des Ideenwettbewerbs wurde die Volkswohnung auf das Konzept der Garagenaufstockungen aufmerksam. Als kommunale Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Karlsruhe ist deren Kernauftrag die Schaffung und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung. Als große Bestandshalterin kann sie auch maßgeblichen Einfluss auf die notwendigen CO2-Reduktionen nehmen: durch innovative, klima- und umweltschonende Wege bei der Errichtung und Sanierung von Gebäuden ebenso wie im Rahmen der Energieversorgung. Für die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sollen zudem so wenig Flächen wie möglich versiegelt werden.
Der Anspruch, diese Herausforderungen– Nachhaltigkeit, Bezahlbarkeit, Schaffung von neuem Wohnraum – in Einklang zu bringen, ist schwieriger denn je. Behutsame Nachverdichtungen, Dachaufstockungen und die Nutzung von Dachausbaupotenzialen rücken daher verstärkt in den Fokus. Die Projektidee der Garagenaufstockungen steht für die Potenziale, die sich aus einem kreativen Umgang mit dem Bestand, dem Baurecht und der Praxis der Innenentwicklung ergeben. Gleichzeitig denkt das Projekt die ökologischen Konsequenzen der Wohnraumschaffung mit und findet innovative Lösungen. Damit passte es ideal zu den Überlegungen der Volkswohnung und Falk Schneemann Architektur wurde mit Machbarkeitsstudien an drei Standorten in Nachkriegssiedlungen beauftragt. Insgesamt wurden elf Aufstockungen mit 28 Wohnungen vorgeschlagen. Da es sich um Garagenanlagen unterschiedlicher Größen und Geometrien handelt, entstand zusammen mit dem Entwurf des Ideenwettbewerbs ein Repertoire an Wohnungstypen und Erschließungssystemen, das die breite Anwendbarkeit zeigt. Ergänzt wurde diese Toolbox durch andere Studien des Architekten, z. B. für einen Standort in Esslingen.
Im nächsten Schritt wurden Bauvoranfragen für die drei untersuchten Standorte gestellt. Zwei der Bauvoranfragen wurden durch das Bauordnungsamt abgelehnt. Der Bauvorbescheid für den Standort Heilbronner Straße wurde positiv beschieden und die Planung weiterverfolgt.
Im September 2020 gab es einen Förderbescheid im Rahmen der Wohnraumoffensive Baden-Württemberg für modellhafte und experimentelle Wohnprojekte. Die damalige Staatssekretärin Katrin Schütz zur Übergabe: „Unser Ziel ist es, innovative Wohnformen zu entwickeln, die auch auf andere Standorte und lokale Gegebenheiten übertragbar sind. Die Garagenaufstockungen in Karlsruhe Rintheim zeigen, dass Innovation und Bezahlbarkeit des Wohnens vereint werden können. Diese verhältnismäßig einfache bauliche Lösung aktiviert ungenutzte Potenziale und schafft zügig bezahlbaren Wohnraum.“
Im Dialog mit dem für Innovativ Wohnen zuständigen Landesministerium wurde ein projektbezogener Förderschwerpunkt entwickelt: eine kreislaufgerechte und versetzbare Konstruktion. Leitidee ist die Ressourcenschonung: Die vorgefertigte Holzbauweise nutzt bereits bebaute Flächen, überzeugt mit einer kurzen Bauzeit und denkt mit Sortenreinheit und der Verwendung gebrauchter Bauteile zwei Aspekte der Kreislaufwirtschaft mit. Mit dem Ansatz des Urban Mining wurden weitere neue Wege gegangen. Ein zusätzlicher ressourcenschonender Aspekt liegt in der Erschließung mit Wasser- und Wärmeversorgung, Strom und Telekommunikation. Die Aufstockungen funktionieren in dieser Hinsicht als Satelliten des Bestands und nutzen dessen Technikräume und Anschlüsse an die öffentlichen Netze.
Der Gedanke hinter der Versetzbarkeit des Projekts beruht auf Zukunftsszenarien zur Nachverdichtung. Sollte nämlich auf Grundlage eines neuen Bebauungsplans auf etwas längere Sicht eine weitergehende Nachverdichtung mit Geschosswohnungsbauten realisiert werden, müssen die Aufstockungen nicht entsorgt werden, sondern können an einem anderen Ort weiter bewohnt werden – auch dies im Sinne der Ressourcenschonung.
Um die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation sicherzustellen, wurde Dirk Hebel , Professur für Nachhaltiges Bauen am KIT – Karlsruher Institut für Technologie, als Berater hinzugezogen.
3 Kreislaufgerechtigkeit
Im September 2020 stellte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen das Ziel einer vollständigen Kreislaufwirtschaft vor, wie sie im Aktionsplan für eine Kreislaufwirtschaft im März des gleichen Jahres schon formuliert wurde. Explizit ging sie auf die Verantwortung des Bauwesens ein, das nach Angaben der Kommission für 50 % des Primärrohstoffverbrauchs und gleichzeitig für 36 % des Festmüllaufkommens innerhalb der Union verantwortlich sei. Der Grund ist in unserem gewohnten, linearen Denk- und Wirtschaftsmodell zu suchen: Rohstoffe werden aus den etablierten natürlichen Kreisläufen entnommen, daraus hergestellte Produkte und Güter werden verbraucht und anschließend verbrannt oder deponiert. Im Gegensatz zu diesem linearen Konzept der Rohstoffzerstörung steht das Ziel, in geschlossenen, intelligent geplanten und mit Voraussicht entworfenen Materialkreisläufen zu operieren.
Hierbei kommt unserer gebauten Umwelt eine zentrale Schlüsselrolle zu. Sie muss sowohl als zukünftiger Rohstofflieferant als auch als Materiallager betrachtet werden, ohne den Anspruch zu verlieren, als Bestand so lange wie möglich erhalten zu bleiben. Die Garagenaufstockungen in Karlsruhe erfüllen diese Forderung auch durch Umsetzbarkeit: Die Konstruktion selbst kann mehrere Lebenszyklen an verschiedenen Standorten durchleben und so möglichst lange alle Bauteile und Materialien im Kreislauf halten.
Falls dies nicht mehr möglich sein sollte, wurde das Projekt so konstruktiv ausgeführt, dass es als ein sortenreines und einfach rückbaubares Materiallager dienen kann. Es wurden unkonventionelle Technologien, Fügungsprinzipien, Verbindungsmittel und auch Materialien eingesetzt, um exemplarisch zu zeigen, wie eine vorausschauende Planung zu einer neuen Generation qualitativ nachhaltiger, d. h. ökologisch unschädlicher, technisch sortenreiner, einfach rückbaubarer und ökonomisch attraktiver – weil endlos in Kreisläufen nutzbarer – Bauwerke führen kann.
3.1 Außenwand
Im Folgenden sollen anhand von beispielhaften Bauteilen die Strategien des kreislaufgerechten Bauens beleuchtet werden. Die Außenwände z. B. haben Ständer aus keilgezinktem Konstruktionsvollholz. Diese Verzinkungen quer zur Faser enthalten zwar Leim in geringen Mengen, sie können aber für eine Entsorgung problemlos herausgeschnitten werden. Ständer ohne solche Stöße erschienen als wirtschaftlich nicht realisierbar. Zwischen den Ständern ist Hanfdämmung verbaut, die warme Seite der Ständer ist mit einer Diagonalschalung bekleidet, deren Bretter durch Schwalbenschwanzverbindungen ausreichend luftdicht sind, um auf eine Folie zu verzichten – ein Produkt, das der Hersteller GFM (Glue Free Massive, www.gfm-system.com) nennt. Zu den Wohnräumen hin ist eine ebenfalls mit Hanfdämmung gefüllte und mit gestrichenen Gipsfaserplatten beplankte Konstruktionsebene den Wänden vorgelagert. Auch hier war das eigentliche Wunschmaterial, nämlich Lehmplatten, deutlich zu teuer. Die Gipsfaserplatten erscheinen jedoch ebenfalls als gute Wahl, da sie am Ende ihrer Lebensdauer komplett zerhäckselt und wiederverwertet werden können. Auf der kalten Seite sind die Holzständerwände mit einer Nut-Feder-Schalung versehen, auf die die Lattung aufgebracht ist, die die Ebene der Hinterlüftung bildet. Darauf wiederum ist eine weitere Schalung montiert, auf die ohne die sonst übliche Trennlage aus Kunststoff die Titanzinkverkleidung montiert wurde. Die Schalungen des Wandaufbaus sind mit Schussschrauben befestigt. Diese Befestigungsmittel haben den Vorteil, dass sie schnell und wirtschaftlich eingeschossen werden können, aber bei der Demontage herausgeschraubt werden, was zerstörungsfrei und schneller vonstattengeht, als Nägel herauszuziehen. Das Ergebnis ist ein vollständig kreislaufgerechter Wandaufbau (Bilder 10, 11).
3.2 Nasszellen
Eine Herausforderung beim kreislaufgerechten Bauen sind stets die Bäder, da diese in hohem Maße wasser- und dampfdicht sein müssen. Dies gilt besonders für den Holzbau. Die Standardlösung sind Verklebungen, bei denen großen Mengen Kleber eingesetzt werden. Ein möglicher Ausweg sind z. B. Edelstahlelemente, die mit Trockendichtungen verbunden werden, aber schon die Herstellung einer Edelstahlbodenwanne hätte hier das für ein Bad zur Verfügung stehende Budget mehr als aufgebraucht. Der Weg, der letzten Endes eingeschlagen wurde, ist, die Bäder aus flachen GFK-Elementen zu fertigen, die unter Verwendung von Trockendichtungen zusammengeschraubt werden. Die Bäder wurden im Werk (Fa. Estec – https://estec-modulbad.com) vollständig zusammengebaut und vor Montage der Dachelemente eingehoben (Bild 12). Sie können bei Bedarf im Gebäudeinneren zerstörungsfrei zerlegt und die Oberflächen im Werk überarbeitet werden, sodass neuwertige Bäder entstehen. Dieser Prozess kann mehrmals durchlaufen werden. Wenn die ganzen Aufstockungen demontiert und versetzt werden, können die Bäder komplett herausgehoben und transportiert werden, so wie dies auch bei der Erstmontage geschehen ist.
3.3 Urban Mining
Für das Projekt wurde bei Holzböden, Türen (Bild 13) und Briefkästen Urban Mining betrieben. Die Mine waren Abrissgebäude der Volkswohnung aus den 1930er-Jahren.
Dies hatte den erheblichen Vorteil kurzer Transportwege und zeitlicher Flexibilität, da die Unternehmen den Zeitpunkt des Ausbaus selbst bestimmen konnten. Keines der Handwerksunternehmen hatte Erfahrung mit Urban Mining, sodass zunächst Kleinaufträge vergeben wurden, im Rahmen derer die Handwerker erste Erfahrungen sammeln konnten und sich eine Grundlage für die Kalkulation erarbeitet haben. Bei den Böden konnten die Nadelholzbretter mit Nut-Feder relativ problemlos ausgebaut werden. Allerdings war ein größerer Anteil als zunächst gedacht aufgrund von Schäden und groben Verschmutzungen nicht zu gebrauchen und beim Ausbau wurde ein größerer Anteil als gedacht aufgrund der älteren Substanz beschädigt. Die Aufarbeitung erfolgte, indem einseitig ca. 2 mm heruntergehobelt wurden. Auch bei diesem Prozess gab es Materialverluste, sodass letzten Endes nur ca. 30 % des zur Verfügung stehenden Materials wieder eingebaut werden konnten. Die Böden wurden dann verschraubt auf ein trockenes, ebenfalls demontierbares Fußbodenheizsystem (System von Fa. WEM – https://wandheizung.de/fussbodenheizung.html) montiert und geölt. Da nicht ausreichend Bretter zum Wiedereinbau gewonnen werden konnten, wurden auch neue Holzböden eingebaut, was einen unmittelbaren Vergleich der Kosten ermöglicht hat: Die Urban-Mining-Böden waren minimal günstiger als die neuen Böden. Das Urban Mining bei den Türen war komplexer, zum einen da hier mit Schreiner und Maler mehrere Gewerke involviert waren, zum anderen weil der Rohbau auf die unterschiedlichen Maße der Türen abgestimmt werden musste. Die Aufarbeitung der Türdrücker übernahm letzten Endes das Architekturbüro (Bilder 14, 15).
3.4 Versetzbarkeit
Grundsätzlich ist ein in hohem Grad vorgefertigter Holzständerbau eine Konstruktion, die zerstörungsfrei demontiert und dann auch wieder transportiert werden kann. Die Herausforderungen liegen besonders in Ausbau und TGA. Die Bodenaufbauten mit trockenen Schüttungen, Heizung und verschraubten Böden sind komplett demontierbar. Die Bäder können, so wie sie eingehoben werden, auch wieder am Stück herausgehoben werden. TGA-Verteilleitungen liegen im Zwischenraum auf den Bestandsdächern, sodass sie hier unproblematisch sind, da sie nach Demontage des Holzbaus wieder vollständig zugänglich sind. Die in den Installationsebenen der Wände geführten Elektroleitungen verfügen über ein Stecksystem an den Elementstößen, sodass die Kabel bei einer Demontage der Gebäude in den Wänden bleiben können. Durch die Verwendung eines batterie- und anschlussfreien Funksystems (Enocean) für die Schalter der Beleuchtung konnte die Menge benötigter Elektrokabel generell minimiert werden, was sowohl der Versetzbarkeit als auch der Ressourceneffizienz dient. Bei einigen Bauteilen wie z. B. den Abdichtungen der Laubengänge und Teilen der Fassadenverkleidung lässt sich eine zerstörungsfreie Demontage nicht realisieren und sie müssten dementsprechend erneuert werden. Der konstruktive Aufwand für die Versetzbarkeit hält sich in Grenzen und es ist interessant, dass zwischen der Anforderung der Versetzbarkeit und der der Kreislaufgerechtigkeit Synergien entstehen, da die zerstörungsfreie Demontage als gemeinsamer Nenner fungiert.
4 Tragwerk
4.1 Bestand und grundlegendes Konzept
Die bestehenden Garagen folgen einem nachvollziehbaren und klaren Grundkonzept: Die geschlossenen Außenwände sind aus tragendem Mauerwerk auf Streifenfundamenten ausgeführt, zwischen den Stellplätzen sind Stahlbetonbalken angeordnet, die von der Rückwand sowie einer Stahlbetonstütze zwischen den Toren getragen werden. Unter der Stahlbetonstütze befindet sich ein Einzelfundament. Damit unterscheidet sich die Struktur von nebeneinander gestellten Fertiggaragen mit dreiseitig geschlossenen Wänden maßgeblich. Sowohl die Balken als auch die Einzelfundamente sind wirtschaftlich bemessen und weisen keine Tragreserven auf. Um weder die Stahlbetonträger noch die Einzelfundamente infolge der Aufstockung höher zu belasten, werden die Träger durch je zwei neue Stahlstützen und neue Fundamente unterstützt. Die Wände und Streifenfundamente sind – wie erwartet – statisch nicht vollständig ausgenutzt und können die Zusatzlasten der Aufstockung ohne weitere Maßnahmen tragen. Im Vorfeld wurden Untersuchungen und Materialprüfungen des vorhandenen Mauerwerks durchgeführt. Konzeptionell kann davon ausgegangen werden, dass flächige und lineare Bauteile wie Wände und Streifenfundamente meist Tragreserven aufweisen: das Material ist vorrangig konstruktiv erforderlich, nicht primär aus statischer Anforderung. Anders bei den Balken und Stützen; diese sind exakt für die vorhandene Beanspruchung bemessen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass sowohl Garagenanlagen aus nebeneinander gestellten Fertiggaragen als auch Garagen mit der hier vorhandenen Konstruktion entweder Lastreserven aufweisen oder leicht ertüchtigt werden können. Dies kann aus Sicht des Tragwerks gut auf andere Garagenanlagen übertragen werden. Durch den lastverteilenden Stahlrost, der zwischen Garagen und Aufstockungen vermittelt und der auf kleinen Füßen horizontal auf dem Pultdach des Bestands liegt, ergaben sich für die Aufstockungen selbst keine besonderen tragwerksplanerischen Herausforderungen. Um hohe Punktlasten aus der Auflagerung von Pfetten zu vermeiden, wurde die Dachkonstruktion als Flächentragwerk konzipiert, welches seine Lasten auf der ganzen Länge in die Wände einleitet. Horizontallasten werden durch die Bodenelemente, aber auch die Bestandsdächer aus Beton zu den neu in Massivbauweise errichteten Müllräumen im Gelenk zwischen den beiden Garagenriegeln einer Anlage geleitet und von diesem aufgenommen.
4.2 Kreislaufgerechtigkeit und Verbindungen
Anschlüsse und Verbindungsmittel sind auf die Anforderungen von Kreislaufgerechtigkeit und Versetzbarkeit abgestimmt. Die tragenden Verbindungen zwischen den Konstruktionsvollholzbauteilen des Dachs, der Wände und des Bodens wurden als monomaterial CNC-gefräste Schwalbenschwanzverbindungen und damit als moderne zimmermannsmäßige Verbindung ausgeführt. So wird die Verwendung von Stahlteilen minimiert und eine zerstörungsfreie, einfache Demontage ermöglicht. Sämtliche kraftübertragende Verbindungen wurden als geschraubte Verbindungen konzipiert, Schalungen sind mit Befestigungsmitteln angebracht, die eingeschossen werden und herausgeschraubt werden können. Die schon beschriebene innere Verschalung der Holzständerelemente mit Schwalbenschwänzen zwischen den einzelnen Brettern ist diagonal montiert und 30 mm stark, sodass sie als Scheibe wirkt und den Wänden eine aussteifende Wirkung verleiht.
5 Brandschutz, Bauphysik und HLS
Die Anforderungen des Brandschutzes, die sich durch das Konzept der Garagenaufstockung ergeben, sind die des üblichen Wohnungsbaus. Die Tatsache, dass über Garagen gewohnt wird, ist nicht ungewöhnlich. Auch der Holzbau ist bei der hier vorliegenden Gebäudeklasse III und unter Anwendung der LBO Baden-Württemberg konstruktiv zwar anspruchsvoll, aber unproblematisch. Einen erhöhten Aufwand bedeuten aber die auf Kreislaufgerechtigkeit ausgerichteten Bauteilaufbauten. Durch die Verwendung von Hanfdämmung und zum Teil sowohl innen als auch außen mit Holzschalung beplankten Elementen entsprechen die Bauteile nicht der Norm und es war eine gutachterliche Stellungnahme zum Erreichen der Brandschutzqualität notwendig. Weiter wurde die LBO Baden-Württemberg zwar dahingehend angepasst, dass sie den Holzbau besser berücksichtigt, diese Änderungen haben aber dazu geführt, dass die lokalen Behörden keine Gespräche über Ausnahmen oder Befreiungen akzeptiert haben und damit alle Anforderungen vollumfänglich umgesetzt werden mussten. Dies hat, nach Meinung der Planer, z. B. im Bereich des Laubengangs zu unnötigen Einschränkungen und Kosten geführt.
Auch hinsichtlich Bauphysik und Energie haben sich weder aus dem Konzept des Projekts noch aus der Kreislaufgerechtigkeit besondere Anforderungen ergeben. Das Projekt wurde im Energiestandard KfW 55 umgesetzt, im Bereich der Bäder gibt es eine feuchtegesteuerte mechanische Abluft sowie ebenfalls feuchtegesteuerte Außenluftdurchlässe zur Nachströmung in Fensterrahmen.
Die Aufstockungen sind an die Hausanschlussräume des Bestands angeschlossen und haben sowohl hinsichtlich Strom als auch Fernwärme keinen eigenen Anschluss an die öffentlichen Netze.
6 Quartier: Akzeptanz, Mehrwerte und Frage des Perimeters
Das Rintheimer Feld ist eine in den 1950er-Jahren entstandene große Nachkriegssiedlung. Die städtischen und sozialen Strukturen haben sich über Jahrzehnte entwickelt. Die Garagenhöfe, auf denen die Aufstockungen umgesetzt wurden, waren und sind im Quartierszusammenhang vermietet; die Nachverdichtung fand im bewohnten Zustand der direkt angrenzenden Bestandshäuser der Volkswohnung statt. Die Akzeptanz des Projekts und die Minimierung der Belastung der Nachbarschaft während der Bauzeit waren daher wichtige Themen.
Neben den reinen Aufstockungen wurde deshalb zusätzlich die Quartiersinfrastruktur mit neuen Müllräumen, Fahrradhäusern und einem Waschsalon aufgewertet. Die Nutzung dieser Struktur auch durch die Nachbarschaft schafft Mehrwerte im Quartier und erhöht die Akzeptanz. Die Aufstockungen dienen auch als gezielte Aufwertung der Nachkriegssiedlung und die Architektursprache gibt einen neuen gestalterischen Impuls. Der hohe Vorfertigungsgrad ermöglichte zudem eine kurze und lärmarme Bauzeit für die Nachbarschaft. Die Garagenmieterinnen und -mieter konnten diese lediglich in der Bauphase nicht nutzen.
7 Bilanz
7.1 Umsetzung des Konzepts und Feedback
Die Garagenaufstockungen sind prototypisch gedacht. Nach der Fertigstellung stellt sich die Frage, was die Erkenntnisse für Wiederholungen sind. Konstruktiv konnten die sich aus dem Konzept ergebenden Herausforderungen gut gemeistert werden. Berücksichtigt man noch Lerneffekte, die zukünftig umgesetzt werden können, erscheinen Wiederholungen sehr gut machbar. Als kritischer Faktor ist die Genehmigungsfähigkeit einzustufen. Während technische Abweichungen von der Norm auf Grundlage von gutachterlichen Stellungnahmen, Freistellungen durch Auftraggeber oder Zulassungen im Einzelfall realisierbar sind, sind Bebauungspläne – trotz Baulandmobilisierungsgesetz – der enge und verbindliche Rahmen.
Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist ein Baukostenvergleich nur schwer zu ziehen: Als Leuchtturmprojekt mit einem innovativen, experimentellen Ansatz bringen die Aufstockungen einige Besonderheiten mit sich, die es nicht mit anderen Projekten der Innenentwicklung vergleichbar machen. Der im Projekt konsequent verfolgte Ansatz der Rezyklier- und Wiederverwendbarkeit sowie der Sortenreinheit und der Einsatz einheimischer und unbehandelter Materialien sind absolut zukunftsgerichtet, momentan aber noch mit höheren Herstellungskosten verbunden, ebenso wie die tendenziell kleineren Wohnungen, die relativ große Hüllfläche und das Arbeiten mit dem Bestand. Nicht zuletzt ist das Projekt auch in der Größenordnung mit zwölf Wohnungen für die Volkswohnung ein Sonderprojekt. Es ist nachvollziehbar, dass größere Projekte einen besseren Skaleneffekt und niedrigere Baukosten haben. Diese Bilanz fällt deutlich besser aus, wenn berücksichtigt wird, dass das Bauland im Prinzip kostenfrei zur Verfügung steht bzw. durch das Konzept Raumressourcen aktiviert werden können, die sonst weiter brachliegen würden.
Die Bewohnerinnen und Bewohner, mit denen der Architekt sich bisher – ca. sechs Monate nach Bezug – austauschen konnte, sind mit ihren neuen Wohnungen sehr zufrieden. Gelobt werden der Laubengang als halböffentlicher Puffer und Ort des nachbarschaftlichen Austauschs, das Gefühl des „Lebens in den Bäumen“ und die gute Balance der Privatsphäre.
Eine äußerst positive Botschaft des Projekts liegt in der Tatsache, dass aus einem skizzenhaften eigeninitiierten Entwurf schrittweise ein beispielgebendes Projekt werden konnte, das einen Beitrag zu den derzeitigen Diskussionen des Bauens liefert. Neben dem Zusammenbringen der richtigen Akteure mit gemeinsamen Zielen und Einstellungen erscheint die Leistungsphase 0 hierfür essenziell. Eine Möglichkeit, dieser Erkenntnis gerecht zu werden, könnte die Ausschreibung ergebnisoffener Wettbewerbe oder die Beauftragung von Architekturbüros mit Machbarkeitsstudien bis hin zu Forschungsaufträgen sein.
Weiter können die Garagenaufstockungen als Beitrag zur Diskussion rund um serielles und modulares Bauen betrachtet werden. Das Konzept ist prototypisch gedacht und damit für die universelle Anwendung mit hohem Kopierfaktor. Das Projekt zeigt aber auch, dass jede Umsetzung des Konzepts eine Einzelfallbetrachtung ist und sein muss. Dies ergibt sich aus dem Umgang mit dem baulichen Bestand der Garagen, aber auch aus der Unterschiedlichkeit der städtebaulichen Situationen. Damit zeigt das Projekt, dass Nachverdichtungsmaßnahmen eine dem Einzelfall angemessene Balance zwischen seriellem und Einzelfalldenken benötigen.
Der Architekt sieht im Projekt nicht primär den Beweis, dass Garagenaufstockungen in größerer Zahl realisiert werden können, sondern hofft, dass es als Plädoyer für kluge Einzelfallbetrachtungen gesehen wird, die einen ressourcenschonenden Umbau unserer Städte ermöglichen und dabei auch einen Beitrag zur Baukultur leisten.
7.2 Kreislaufgerechtigkeit – Umsetzung
Hinsichtlich Kreislaufgerechtigkeit konnte vieles erreicht werden. Es wurden aber auch klare Grenzen erkannt. Diese waren meist Kosten und Unterhalt, manchmal das Fehlen von geeigneten Partnern aus Industrie oder Handwerk, die die notwendige Risikobereitschaft, die technischen Fähigkeiten und den Willen, in Vorleistung zu gehen, mitbringen. So gelang es z. B. nicht, Fenster mit Trockendichtungen zu verbauen oder im Bereich von Einbauschränken mit Knochenleim zu arbeiten. Manchmal bargen die Kompromisse aber auch Chancen. Im Bereich der Bäder zeigte sich, dass das Arbeiten mit Edelstahlelementen oder Platten z. B. aus recyceltem Glas viel zu teuer war. Zerlegbare Bäder aus verschraubten GFK-Platten mit Trockendichtungen erscheinen aufgrund des Werkstoffs GFK zwar zunächst kritisch, zeigen aber durch die Möglichkeit des Zerlegens und Aufarbeitens ein Kreislaufpotenzial, das deutlich höher ist als das anderer Konstruktionsweisen.
Das Projekt bestätigt, dass kreislaufgerechtes Bauen derzeit substanziell teurer ist als konventionelles Bauen. Aus den Erfahrungen des Projekts heraus inkl. punktuell angestellter Vergleiche kann angenommen werden, dass ein kreislaufgerechter Holzbau wie hier gegenüber einem Standardholzbau ca. 20–30 % teurer ist. Dabei gibt es Maßnahmen, die ohne oder mit geringem monetärem Mehraufwand relevant zur Kreislaufgerechtigkeit beitragen, und solche, die bei großem Aufwand nur geringe Verbesserungen liefern. Hierzu einen bewertenden Maßnahmenkatalog zu erstellen, wäre ein Ansatz für zukünftige Forschungsvorhaben.
Das Urban Mining hat zwar einen deutlichen planerischen und logistischen Mehraufwand bedeutet, funktionierte technisch aber gut. Erheblich erleichtert wurde es durch die Tatsache, dass die urbane Mine nicht nur in der gleichen Stadt, sondern auch im Besitz der Volkswohnung ist, was zu enormen logistischen Erleichterungen führte. Da letzten Endes weniger Holz als benötigt für Böden aus der urbanen Mine gewonnen werden konnte und als Ersatz ein vergleichbarer neuer Boden eingebaut wurde, ist hier ein direkter Preisvergleich möglich. Der neue Boden war unter den genannten Bedingungen und der damaligen Marktlage rd. 10 % teurer als der Urban-Mining-Boden.
7.3 Lebenszyklusanalyse GWP und PENRT
Für die Garagenaufstockungen wurde unter Zuhilfenahme des auf die Datenbanken von ÖKOBAUDAT zugreifende eLCA eine Lebenszyklusanalyse (LCA) mit Ermittlung von GWP (Global Warming Potential) und PENRT (nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf) gemacht. Ausgewertet wurden die Lebenszyklusmodule A1–A3 (Herstellung), B6 (Energieverbrauch im Betrieb), C3, C4 (Abfallbehandlung und Entsorgung). Als Bilanzierungszeitraum wurden 50 Jahre angesetzt, als Bezugsfläche dient die NGF des Projekts von 762 m² (Wohnfläche, Erschließung, Müllräume, Hausanschlussräume). Generell außer Betracht gelassen wurden der Garagenbestand, sehr wohl berücksichtigt wurden dessen Ertüchtigung sowie die neu in Massivbauweise errichteten Müllräume und Hausanschlussräume. Bilanziert wurden KG 300 (Baukonstruktion) und KG 400 (Technische Gebäudeausrüstung), wobei die KG 400 in Form des QNG-Sockelbetrags eingeflossen ist. Die Bilanzierung des Moduls B6 basiert zum einen auf den im Rahmen des Wärmeschutznachweises ermittelten Werten, zum anderen auf den detaillierten Kennwerten der Karlsruher Fernwärme.
Im Gesamtergebnis über die o. g. Lebenszyklusmodule zeigt sich, dass sowohl hinsichtlich GWP 16,6 kg CO2/m²a (Tab. 1) als auch PENRT 226,5 MJ/m²a (Tab. 2) ein sehr gutes Ergebnis erreicht wird, das in dieser Hinsicht die Anforderungen des Standards QNG premium erfüllt.
Bereich | Anteil | kg CO 2 /m² NGF a 1 | Quelle/Grundlage |
GWP total | 100 % | 16,6 | Summe |
B6 Betrieb | 42 % | 7 | Berechnung 2 |
KG 300 | 51 % | 8,4 | eLCA/Ökobaudat |
KG 400 | 7 % | 1,2 | QNG-Sockelbetrag 3 |
1 NGF = Wohnfläche, Verkehrsfläche, Müllräume, Hausanschlussräume 2 Berechnung auf Grundlage der Verbräuche aus dem Wärmeschutznachweis und dem Emissionsfaktor der Karlsruher Fernwärme von derzeit 78 g CO 2 /kWh (stadtwerke-karlsruhe.de); inkl. Heizen, Warmwasser und Beleuchtung 3 Anhang 3.1.1 zur Anlage 3, Bilanzierungsregeln des QNG für Wohngebäude, Stand 1. März 2023 |
Bereich | Anteil | MJ/m² NGF a 1 | Quelle |
PENRT total | 100 % | 226,5 | Summe |
B6 Betrieb | 44 % | 99,5 | Berechnung ² |
KG 300 | 49 % | 110,8 | eLCA/Ökobaudat |
KG 400 | 7 % | 16,2 | QNG-Sockelbetrag ³ |
1 NGF = Wohnfläche, Verkehrsfläche, Müllräume, Hausanschlussräume2 Berechnung auf Grundlage der Verbräuche aus dem Wärmeschutznachweis, dem Primärenergiefaktor der Karlsruher Fernwärme von 0,23 (stadtwerke-karlsruhe.de ), dem Primärenergiefaktor Strom nach GEG 2020 Anlage 4: Primärenergiefaktoren (geg-info.de)3 Anhang 3.1.1 zur Anlage 3, Bilanzierungsregeln des QNG für Wohngebäude, Stand 1. März 2023 |
Großes Gewicht hat dabei der Energiebedarf im Betrieb. Die Garagenaufstockungen haben ein relativ ungünstiges A/V-Verhältnis (1,1 : 1/m) und daher einen relativ hohen Endenergiebedarf (laut Energieausweis 97 kWh/m²a). Durch die guten Werte (78 g CO2/kWh) der Karlsruher Fernwärme bleiben die resultierenden Werte für das Modul B6 aber in gutem Rahmen und erlauben in den anderen Modulen das genannte Ergebnis.
Betrachtet man die KG 300 (Baukonstruktion) getrennt, so fällt zunächst die negative Bilanz des GWP für die Lebenszyklusmodule der Herstellung A1–A3 auf, was bedeutet, dass bei der Errichtung CO2 gebunden wird. Hier kommt der Holzbau besonders zum Tragen, da bei den Garagenaufstockungen in großen Teilen der Bestand als Fundament dient und nur lokal und punktuell Beton und Mauerwerk zur Anwendung kommen, während bei den meisten neu errichteten Holzbauten zumindest eine Bodenplatte aus Beton in die Bilanz aufgenommen werden muss. Die Module C3, C4 dagegen haben eine schlechtere Bilanz als zunächst erwartet. Hintergrund ist, dass eLCA (nach den Vorgaben des BNB sowie der DIN EN 15804 und DIN EN 15978) bei Holz grundsätzlich von einer thermischen Verwertung am Ende des Lebenszyklus des Gebäudes ausgeht. Das im Holz gebundene CO2 wird somit in diesem Modul freigesetzt und verschlechtert die Bilanz merklich (Tab. 3).
Bereich | Anteil | kg CO 2 /m² NGF a 1 | Quelle/Grundlage |
GWP total | 100 % | 8,4 | Summe |
A1–A3 | –23 % | –1,9 | eLCA/Ökobaudat |
B6 Unterhalt | 14 % | 1,2 | eLCA/Ökobaudat |
C3, C4 | 109 % | 9,2 | eLCA/Ökobaudat |
Abschließend kann gesagt werden, dass die LCA des Projekts den Erwartungen entsprechend ausfällt und zeigt, dass die schon in der Konzeptphase angelegten Projektziele der Ressourceneffizienz und bestmöglichen Klimaneutralität erreicht wurden.
Nicht zuletzt durch die Förderung ist das Projekt auch angetreten, neue Erkenntnisse zu liefern, die auf die Wohnungswirtschaft übertragbar sind. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, erstellt die Volkswohnung derzeit eine weitergehende Projektabschlussbilanz, die insbesondere die klimabilanziellen Auswirkungen über das Global Warming Potential (GWP) in den Blick nimmt. Mithilfe des Urban Mining Index werden ergänzend valide, quantitative Aussagen zur Kreislauffähigkeit getroffen. Die Veröffentlichung des Abschlussberichts ist in den kommenden Monaten vorgesehen.
Projekttafel
- Architektur: Falk Schneemann Architektur FSA, Karlsruhe
- Projektbeteiligte: wh-p Ingenieure, Stuttgart (Tragwerk), Gerd Prause, Lindlar (Beratung Holzbau), Zimmerei Sieveke GmbH, Lohne (Holzbau), gent+gent, Karlsruhe (HLS), Ossowski Engineering, Durmersheim (Elektro), Müller Ingenieure, Waldbronn (Bauphysik), Prof. Dirk Hebel, Karlsruhe (Beratung Kreislaufgerechtigkeit), Schmitt+Mann, Karlsruhe (Schallschutz), Christian Uhlig, Willich (Brandschutz)
- Bauherrin: Volkswohnung GmbH, Karlsruhe
- Fertigstellung: 2023
- Standort: Heilbronner Straße 5a, 9a, 13a, Karlsruhe
Autor:innen
Falk Schneemann, fs@falk-schneemann.de
Falk Schneemann Architektur, Karlsruhe
www.falk-schneemann.de
Dirk Hebel, dirk.hebel@kit.edu
KIT – Nachhaltiges Bauen, Karlsruhe
nb.ieb.kit.edu
Martin Stumpf, m.stumpf@wh-p.de
wh-p Ingenieure, Stuttgart
wh-p.de
Katharina Helleckes, katharina.helleckes@volkswohnung.de
Volkswohnung, Karlsruhe
www.volkswohnung.de