Stuttgarter Nachhaltigkeitsstammtisch

Vier Jahre Nachhaltigkeitsstammtisch – was hat sich verändert?

Logo des Stuttgarter Nachhaltigkeitsstammttischs

Vor vier Jahren wurde der Nachhaltigkeitsstammtisch ins Leben gerufen. Zeit, zurückzublicken und zu reflektieren: Wie sehr haben wir von diesem Austauschformat profitiert und welche Entwicklungen gab es seither im Bereich des nachhaltigen Bauens? Um dies he­rauszufinden, haben wir eine Umfrage im Netzwerk des Nachhaltigkeitsstammtischs durchgeführt, an der 66 Personen teilgenommen haben. Während 60 % der Befragten in der Tragwerksplanung arbeiten, sind 23 % in der Architektur und weitere 6 % in der Nachhaltigkeitsberatung tätig. Die übrigen 11 % sind Studierende oder ordnen sich verschiedenen weiteren Berufsfeldern wie BIM-Planung, Fassadenplanung oder Landschaftsarchitektur zu. Zwei Drittel der Befragten haben weniger als zehn Jahre Berufserfahrung, weshalb die Umfrageergebnisse verstärkt die Perspektive der jüngeren Bauschaffenden wiedergeben.

Wie präsent ist das Thema Nachhaltigkeit im Arbeitsumfeld und konkret in Projekten?

Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen eine äußerst positive Entwicklung hinsichtlich der Präsenz des Nachhaltigkeitsthemas im Arbeitsumfeld und in Projekten. Satte 93 % der Befragten geben an, dass die Wichtigkeit des Themas im Bauwesen zugenommen hat, konkret haben 44 % eine starke Zunahme und 49 % eine langsame, aber stetige Zunahme bemerkt. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden berichtet von einer starken Thematisierung im Büro- bzw. Jobumfeld, während lediglich 6 % die Thematisierung als schwach empfinden.

Wenn es jedoch um die Festlegung von konkreten nachhaltigen Entwurfsparametern in Projekten geht, ist das Resultat eher gemischt, wie aus Bild 1 hervorgeht. Trotz des gestiegenen Bewusstseins und der Zunahme des Diskurses bleibt die tatsächliche Umsetzung eine Herausforderung. In nur 8 % der Projekte wurden Nachhaltigkeitsziele bis zur Fertigstellung des Bauvorhabens weitestgehend eingehalten, bei 50 % nur zum Teil und bei 42 % wurden solche Ziele entweder abgeschwächt oder gar nicht erreicht, obwohl diese zu Projektbeginn vereinbart wurden. Es ist erkennbar, dass das Thema an Präsenz gewonnen hat, jedoch besteht noch erhebliches Verbesserungspotenzial bei der konkreten Umsetzung in den Projekten.

Persönlicher Bezug und Einschätzung der Selbstwirksamkeit

Der persönliche Bezug zur Thematik des nachhaltigen Bauens zeigt sich deutlich daran, dass die Community aktiv Nachhaltigkeit in ihre Projekte integrieren möchte. Eine beachtliche Mehrheit (72 %) spricht das Thema aktiv an, 42 % erstellen darüber hinaus Ökobilanzen (LCAs) bzw. Treibhauspotenzialberechnungen und 23 % arbeiten mit Nachhaltigkeitsberater:innen für Zertifizierungen zusammen. Zudem zeigt sich ein breites Engagement in verschiedenen Bereichen: Die Community beschäftigt sich aktiv mit Fachartikeln (80 %), diskutiert in Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis (80 %), nimmt an Veranstaltungen teil (68 %), ist über LinkedIn und Social Media informiert (42 %) und engagiert sich in Initiativen und Vereinen (29 %). Dies verdeutlicht nicht nur die hohe Nachfrage nach persönlicher fachlicher Weiterbildung, sondern auch das Bedürfnis nach Austausch mit anderen. Zusätzlich werden als Informationsquellen auch Hochschulen, Forschungsvorhaben, Vorträge und Podcasts genannt.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass 70 % der Befragten eine gewisse Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihrer Projekte wahrnehmen, indem sie z. B. durch Entwurfsentscheidungen aktiv die grauen Emissionen reduzieren können. Während nur 26 % meinen, einen geringen Hebel zu haben, hat jeweils ein Drittel der Befragten das Gefühl, einen mittleren bzw. großen Einfluss zu haben. Dies trägt nicht nur zur Identifikation mit dem Beruf bei, sondern ist auch äußerst sinnstiftend und zeigt das Potenzial individuellen Engagements für eine nachhaltigere Baubranche.

Woran scheitert die Umsetzung und was sind häufige Gegenargumente?

Die Umsetzung von nachhaltigeren Projekten wird häufig durch eine Vielzahl von Herausforderungen erschwert, wie aus den Antworten unserer Umfrage hervorgeht. Ein zentrales Hindernis ist der Kostenfaktor, der von 45 Befragten als Hauptgegenargument genannt wurde. Auch der hohe Planungsaufwand, Zeitdruck und mangelnde Verpflichtung wurden als häufige Gründe genannt. Zusätzlich komplizieren Aspekte wie schwierige Genehmigungsverfahren, fehlende Normen für innovative Baustoffe und geltende Gesetze und Vorschriften sowie die Komplexität des Themas an sich die Umsetzung. Hinzu kommen Probleme wie die begrenzte Verfügbarkeit nachhaltiger Materialien auf dem Markt, Designansprüche, Herausforderungen in der Bauphysik und im Brandschutz sowie Zielkonflikte und Einflüsse seitens der Auftraggebenden. Greenwashing, Desinteresse und ein mangelndes Problembewusstsein stellen weitere Hürden dar.

Um die identifizierten Hindernisse bei der Umsetzung nachhaltiger Projekte zu überwinden, braucht es eine Anpassung der Leistungsphasen und Projektabläufe. Damit nachhaltige Bauweisen kostengünstiger als emissionsreiche Alternativen werden, sind Änderungen in Normen und Gesetzgebung sowie eine verstärkte Einbeziehung von Politiker:innen, Normungsgremien und Auftraggebenden gefragt. Auf viele dieser Bereiche hat die Community des Nachhaltigkeitsstammtischs, die vorrangig aus der Planung kommt, keinen Einfluss. Hier sehen wir aber das Potenzial des Nachhaltigkeitsstammtischs, als Austauschplattform für Praxiserfahrung und Wissen zu dienen sowie strategische Partnerschaften zu bilden, die zur Förderung nachhaltiger Veränderungen in der Baubranche dienen.

Ausblick: Welche weiteren Themen sind interessant für die Community?

Die Antworten der Community bezüglich weiterer für sie relevanter und interessanter Themen sind sehr spannend und vielseitig (Bild 2). Hier konnten wir viel Inspiration für die zukünftige ­Ausrichtung und inhaltliche Gestaltung des Nachhaltigkeits­stammtischs sammeln. Wir freuen uns über die zahlreichen ­Rückmeldungen und sind gespannt auf die nächsten Jahre Nachhaltigkeitsstammtisch!


Stuttgarter Nachhaltigkeitsstammtisch

Termin: jeder letzte Dienstag im Monat, 18.00 Uhr
Ort: online, MS-Teams
Kontakt: sustainability@knippershelbig.com


Autor:innen

Angela Feldmann, afeldmann@bollinger-grohmann.de
Bollinger + Grohmann, München
www.bollinger-grohmann.com

Kathrin Rauh

Jana Nowak, J.Nowak@knippershelbig.com
knippershelbig, Stuttgart
www.knippershelbig.com

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