Die Relevanz der Bauteilanalyse für das ­kreislauffähige Planen und Bauen

Das kreislaufgerechte Planen und Bauen veranschaulicht auf den ersten Blick ein einfaches Konzept: eingesetzte Materialien sollen zu 100 % qualitativ hochwertig nachgenutzt werden können [1]. In der Planungspraxis stellt sich die Umsetzung dieser Vision als vielseitig und aufwendig dar. Für die Planung können digitale Tools zur Auswahl von geeigneten Materialien zum Einsatz kommen. Vorliegende Informationen zu sortenreinen Materialien dienen als hilfreiche Unterstützung, jedoch muss auch die konstruktive Entwicklung von Bauteilen in den Entwurfsprozess einfließen. Das kreislaufgerechte Planen beruht auf einem altbekannten Handwerkszeug der Architekturpraxis: die Entwicklung eines kreislauf­gerechten Details, das alle Informationen für die Nachnutzung von Materialien enthält. Der Schwerpunkt einer kreislaufgerechten Detailentwicklung liegt neben der Materialauswahl auch auf der Integration einer konstruktiven Methode, die die Nachnutzung von Materialien für einen geschlossenen Kreislauf ermöglicht.

1 Die kreislauffähige Planung

Die sortenreine Rückbaufreundlichkeit einer Konstruktion und die Wiederverwendbarkeit von Materialien sind entscheidende Parameter für das kreislaufgerechte Planen und Bauen. Der Fokus liegt bei der kreislaufgerechten Planung auf der Auswahl von sortenreinen Materialien, die aufgrund ihrer flexiblen Konstruktionsweise nach einer Nutzungsphase ohne Qualitätsverluste in nächste Lebensphasen überführt werden können [1]. Die Gestaltung und Entwicklung der Details stellt ein wichtiges Instrument in der Entwurfsplanung dar. Ziel der Entwurfs- und Detailplanung ist es, Bauteile bereits in der Entwurfsphase auf ihre kreislauffähige Kompatibilität zu analysieren, den qualitativen Materialwert eines getrennten Bauteils vorausschauend zu ermitteln und Rückschlüsse auf die zukünftigen Nachnutzungen zu ziehen.

2 Das zeichnerische Detail

Seit Jahrzehnten ist das Detail in der Architekturplanung die Grundlage für die Gestaltung und Planung von Gebäuden (Bild 1). Das Architekturdetail enthält technische Informationen und kann in unterschiedlichen Detaillierungsstufen vorliegen. Horizontale und vertikale Schnittzeichnungen zeigen auf, wie die Materialschichten eines Gebäudeteils zusammengebracht werden. In der Erstellung von Details im Maßstab M 1:50 wird der Fokus u. a. auf die Konstruktionsmerkmale des Tragwerks und die Anschlussdetails gelegt. Für Wand-, Boden- und Deckenaufbauten sowie für die Einbauten von Fenstern, Türen, aber auch für Innenausbauten sind aussagekräftige Detailzeichnungen erforderlich, die von allen Baubeteiligten lesbar sind. Im Fortschreiten der jeweiligen Planungsphase werden die technischen Ausarbeitungen in den Zeichnungen für die individuelle Zielgruppe verfeinert und müssen bestimmte Funktionen erfüllen. Die Ersteller:innen von technischen Zeichnungen fokussieren sich auf die wesentlichen Aussagen zu Funktionalität und Materialangaben und auf die Konstruktionsdetails. Besondere Anforderungen an das Gebäude, aber auch Unklarheiten im Planungsprozess sind ständige Herausforderungen, die die Planenden zu bewältigen haben. Informationen, die in das zeichnerische Detail integriert werden, sind komplex und müssen regelmäßig aktualisiert werden. Für die Erstellung eines kreislauffähigen Gebäudes reichen die standardisieren Informationen in den technischen Zeichnungen nur bedingt aus. Es ist nicht offensichtlich, ob das Detail für die kreislaufgerechte Planung aussagekräftig ist. Dies zeigt sich an den vorgesehenen Bauweisen, den Materialschichten und -qualitäten als auch an den Fügetechniken selbst.

3 Neue Prozesse und Betrachtungsweisen sind für das kreislaufgerechte Planen erforderlich

Ein zentraler Punkt einer kreislauffähigen Planung stellt die Bauteilanalyse in der Vorentwurfs- und Entwurfsplanung dar [1]. In dieser Phase wird das Bauteil auf die erste Lebenszyklusphase und die intelligente Nachnutzung für nachfolgende Phasen ausgelegt. Die Auslegung von Details mit dem Fokus mehrfacher Nutzungen von Materialien ist anspruchsvoll. Folgende Schritte werden bei der Detailplanung empfohlen:

3.1 Erweiterung des Betrachtungsrahmens

Für die Schaffung kreislauffähiger Details bedarf es neuer Sichtweisen für das konstruktive Fügen. Materialien und Fügetechniken müssen intelligent im Detail geplant werden [3]. Neue Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zeigen, dass die Betrachtung von horizontalen und vertikalen Schnitten für eine kreislauffähige Planung mit relevanten Informationen zu ergänzen ist. Für eine Bewertung eines Details sind insbesondere die vorgesehenen Füge- und Verbindungstechniken darzustellen. Dies ist für die Entwurfsphase eher unüblich, stellt aber eine wichtige Planungskomponente für die Kreislauffähigkeit dar.

3.2 Durchführung einer Detailanalyse

Ziel der Detailanalyse ist es, bereits in der Planungsphase eine möglichst hohe qualitative Nachnutzung von sortenreinen Materialien für die nachfolgende Lebensphase des Materials zu ermöglichen. Die Auswahl von sortenreinen Materialien, die die Nutzung und Nachnutzung positiv beeinflussen, ist zu analysieren und bei Bedarf zu optimieren. Alle Fachplanungsdisziplinen sind im Rahmen der Bauteilanalyse einzubinden. Idealerweise beginnt die Bauteilanalyse in der Vorentwurfsphase und wird im Entwurf fortgeführt. Die Ergebnisse der Bauteilanalyse werden in die Werkplanung überführt. Folgende Parameter sind bei der Untersuchung heranzuziehen:

Materialien:

  • sortenreine gesunde Materialien: Deklaration der Materialien auf Inhaltsstoffe, Schadstoffe und Emissionen,
  • ökologisch unbedenkliche Materialien aus nachwachsenden bzw. mineralischen Rohstoffen,
  • Adaption und/oder Ausschluss von Materialien, die in einem projektspezifischen Materialkonzept festgelegt sind,
  • Lebensdauer von Materialien und Betrachtung ihrer Restriktionen wie Obsoleszenz, Dauerhaftigkeit,
  • Umweltwirkungen,
  • Instandhaltung- und Reparaturanfälligkeit,
  • Recyclingfähigkeit.

Füge- und Verbindungstechniken:

  • Flexibilität und Variabilität der Materialschichten,
  • Trennbarkeit der Materialschichten,
  • Beschädigung der Materialschichten.

Je nach Anforderungen an das Gebäude und an die Materialien müssen weitere Parameter im Rahmen des kreislauffähigen Gesamtkonzepts geprüft werden. Zum Beispiel der Schutz und die Minimierung der verwendeten Ressourcen, die Umweltwirkungen der Materialien, die Verwendung von Rezyklaten, die Reduzierung des Verpackungsmaterials, das Abfallaufkommen auf der Bau­stelle, das Biodiversitätsverhalten oder der Werterhalt des Bauteils für die Schaffung eines Ressourcenlagers.

3.3 Darstellung der Demontage

Der Ablauf von Montage und Demontage ist zeichnerisch anhand eines dreidimensionalen Formats zu prüfen. Anhand der Ermittlung des Beschädigungsgrads können Füge- und Verbindungstechniken optimiert werden, wie Bild 2 zeigt. Generell sind diese Betrachtungsweisen von Details in der Architekturplanung nicht neu, stehen aber in einem anderen Fokus. Für die Bauteilanalyse wird empfohlen, vor der Entwurfsplanung die konstruktive ­Methode über die Tragwerksplanung abzufragen und eine:n Expert:in für das kreislaufgerechte Bauen heranzuziehen.


Literatur

  1. Hebel, D.; Heisel, F. (2021) Urban Mining und kreislaufgerechtes Bauen: Die Stadt als Rohstofflager. Stuttgart: Fraunhofer.
  2. Hosch, M.; Schumm, I. (2023) Forschungsseminar Zirkuläre Bauteilanalyse. Karlsruher Institut für Technologie.
  3. Hebel, D.; Wappner, L. et al. (2023) Sortenrein Bauen: Methode, Material, Konstruktion. München: Detail.

Autor:in

Daniela Schneider, daniela.schneider@partner.kit.edu
Karlsruher Institut für Technologie
https://nb.ieb.kit.edu

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