Denkmalschutz im Wandel

Nachhaltigkeitsanalyse im Baugewerbe

Die Baubranche des 21. Jahrhunderts ist konfrontiert mit den Folgen des Klimawandels und dem Erreichen von Klimaneutralität bis 2050. Neubauten wie bspw. Plusenergiehäuser setzen in Hinblick auf die Energiestandards neue Maßstäbe und bieten somit einen Lösungsansatz. Eine Aufrüstung des Bestands auf ein Neubauniveau ist jedoch häufig mit verschiedenen Herausforderungen und einem hohen Aufwand verbunden. Dennoch wird oftmals argumentiert, dass aufgrund der bereits im Gebäude gebundenen grauen Energie eine Sanierung nachhaltiger sei als ein Abriss und Neubau. Eine Besonderheit des Gebäudebestands stellen Baudenkmäler dar: Bei einer Sanierung wird hier meist noch stärker durch eine Reparaturkultur auf den Substanzerhalt geachtet. Doch wie viel machen der Substanzerhalt und die gebundene graue Energie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsbetrachtung aus? Ist eine konventionelle, eine denkmalkonforme und somit substanzschonende Sanierung oder ein Abriss mit anschließendem Neubau über den gesamten Lebenszyklus am nachhaltigsten? Vor diesem Hintergrund werden in nachfolgender Untersuchung die Behaglichkeit sowie die ökologische und ökonomische Qualität einer konventionellen, einer denkmalkonformen Sanierung und ein Abriss mit Ersatzneubau exemplarisch verglichen. Ziel ist es, die Nachhaltigkeit der drei Varianten unter Berücksichtigung der grauen Energie sowie des Materialverbrauchs zu bewerten. Dazu wurden unterschiedliche Szenarien der Sanierung sowie der Abriss und Neubau für zwei exemplarische Bestandsgebäude untersucht. Insgesamt zeigte sich, dass eine Sanierung nachhaltiger ist als ein Abriss und Neubau. Die Stärken der denkmalkonformen Sanierung liegen insbesondere im Materialverbrauch, die der konventionellen Sanierung in der Gesamtperformance. Darüber hinaus konnten Forschungslücken in der Ökobilanzierung sowie der Lebenszykluskostenanalyse von Bestandsbauten identifiziert werden.

1 Denkmalschutz ist Klimaschutz, oder?

Denkmalschutz ist Klimaschutz. Diesen Satz hört und liest man immer häufiger. Intuitiv stimmt man dem zu: Denkmäler werden teilweise seit Jahrhunderten genutzt und überdauern die Zeiten. Das klingt erst mal nachhaltig. Aber ist die Denkmalpflege wirklich nachhaltig? Bei einem Oldtimer würde die Intuition wohl in eine andere Richtung lenken. Ein Oldtimer wird zwar i. d. R. ebenfalls vergleichsweise lange gefahren, aber einen Verbrauch von 14 l Benzin auf 100 km assoziiert man nicht unmittelbar mit Nachhaltigkeit. Also was ist dran an dem Statement Denkmalschutz ist Klimaschutz?

Häufig wird argumentiert, dass Denkmäler aufgrund der grauen Energie, welche im Material gespeichert ist, per se nachhaltig sind. Unter der in einem Gebäude verbauten grauen Energie wird jene verstanden, welche für die Herstellung, Errichtung und den Abbruch des Gebäudes benötigt wird. Wie in Bild 1 zu sehen, weisen Neubauten im Passivhaus- oder Plusenergiehaus-Standard eine höhere graue Energie als Betriebsenergie über den Lebenszyklus auf, sodass inzwischen diese maßgeblich ist. Dies gilt jedoch nicht bei älteren Bestandsbauten. Diese und so auch Baudenkmäler weisen i. d. R. eine deutlich höhere Betriebsenergie als graue Energie auf, insbesondere, wenn sie unsaniert sind. Somit ist bei diesen Bauten die Betriebsenergie über den Lebenszyklus die maßgebliche.

Wird zudem berücksichtigt, dass Baudenkmäler i. d. R. höhere Nutzungsdauern und somit längere Lebenszyklen aufweisen, ist festzuhalten, dass die Betriebsenergie noch stärker ins Gewicht fällt als die graue Energie, welche hauptsächlich beim Bau und beim Abbruch des Gebäudes zum Tragen kommt. Somit wirkt sich die lange Nutzungsdauer der Gebäude bei einer rein energetischen Betrachtung erst mal nachteilig auf die ökologische Nachhaltigkeit aus, was paradox wirken mag.

Wie sieht es jedoch bei sanierten Baudenkmälern aus, bei welchen der Energiebedarf im Betrieb gesunken ist? Sind diese aufgrund des Substanzerhalts und der gebundenen grauen Energie nachhaltiger als ein Abriss und Neubau? Und wie wirkt sich die Reparaturkultur in der Denkmalpflege im Vergleich zu einer konventionellen Sanierung, in welcher häufig ausgetauscht statt repariert wird, hinsichtlich der Nachhaltigkeitsbetrachtung aus? Ist eine konventionelle, eine denkmalkonforme und somit substanzschonende Sanierung oder ein Abriss mit anschließendem Neubau über den gesamten Lebenszyklus am nachhaltigsten?

2 Untersuchung der Nachhaltigkeit denkmalgerechter Sanierungen

Um diese Frage zu beantworten, wurde die Nachhaltigkeit von Sanierungen denkmalgeschützter Gebäude anhand von zwei Fallstudien analysiert. Für die untersuchten Gebäude wurden jeweils drei Szenarien entwickelt und miteinander verglichen: die denkmalkonforme Sanierung (D), die konventionelle Sanierung ohne Berücksichtigung denkmalpflegerischer Auflagen (K) und der Abriss des Bestandsgebäudes und Neubau an gleicher Stelle (N), wie Bild 2 verdeutlicht.

Um eine belastbare Datengrundlage zu bieten, wurden im ersten Schritt fundierte Umbau- sowie Neubaukonzepte für die jeweiligen Szenarien entwickelt. Neben dem Gebäude selbst spielen Rahmenbedingungen wie das angestrebte Nutzungskonzept und rechtliche Vorgaben eine entscheidende Rolle. Dazu zählen außer den Vorgaben des Denkmalschutzes gesetzliche Regelungen wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) [1] oder die Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung (BayBO) [2]. Je nach Größe und Lage des Grundstücks kann es bspw. aufgrund aktueller Abstandsregeln sein, dass ein Neubau mit gleicher Kubatur anstelle des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes nicht mehr zulässig ist. Da die Erneuerungs- und Neubaukonzepte die Ergebnisse maßgeblich beeinflussen, orientieren sich diese am Stand der Technik. Im zweiten Schritt wurden geeignete Kennzahlen und Kriterien für die Bewertung der Nachhaltigkeit ausgewählt. Nach DIN EN 15643 [3] werden die in Bild 3 dargestellten Dimensionen der Nachhaltigkeit bewertet.

Zur Bewertung dieser drei Säulen der Nachhaltigkeit werden eine Ökobilanzierung (engl. LCA), eine Lebenszykluskostenrechnung (engl. LCCA) und eine thermisch-energetische Simulation mit der Software IDA ICE 4.8 durchgeführt. Die Ergebnisse werden auf einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren und die Nettogrundfläche (NGF) (Fallstudie 2) bzw. bei reinen Wohngebäuden auf die Wohnfläche (Fallstudie 1) bezogen.

Als Datengrundlage dienen neben Informationen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) und von Fachplanenden Interviews mit beteiligten Akteuren sowie die bei Ortsbesuchen erhobenen Daten. Außerdem basieren die Berechnungen auf Daten des Baukosteninformationszentrums (BKI) [4], der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) [5, 6] und Datenbanken wie der ÖKOBAUDAT [7]. Es werden die Lebenszyklusphasen Herstellung und Errichtung (A), Teile der Nutzungsphase (B) und die Entsorgung (C) nach DIN EN 15978 [8] berücksichtigt. Für die Nutzungsphase werden die Instandsetzung mit Austausch (B2, B4) sowie der Energiebedarf im Betrieb, der anhand einer durchgeführten Simulation ermittelt wurde, bilanziert.

Zu beachten ist, dass sich die End-of-Life-Szenarien (EoL) der drei Varianten unterscheiden. Während bei der konventionellen Sanierung (K) und dem Neubau (N) am Ende des Lebenszyklus der Abriss erfolgt, wird bei der denkmalkonformen Sanierung (D) davon ausgegangen, dass das Gebäude weiter genutzt wird und die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Beim Ersatzneubau (N) wird zudem der Abriss des Bestandsgebäudes am Anfang des Lebenszyklus berücksichtigt und bei den Sanierungsmaßnahmen (D, K) der Abriss der bei der Sanierung ausgebauten Materialien. Eine Übersicht über die Lebenszyklusphasen der unterschiedlichen Szenarien kann Bild 4 entnommen werden. Allgemein werden Bauteile der KG300 nach DIN 276 bilanziert. Für die KG400 der Anlagentechnik werden Teile der Heizungs- und Lüftungstechnik und der Photovoltaikanlage betrachtet [9].

Die statische Lebenszykluskostenanalyse beinhaltet Baukosten sowie Kosten für Rückbau und Entsorgung bzw. bei Fallstudie 1 auch sonstige End-of-Life-Szenarien nach dem BKI [4] und die Betriebskosten sowie Kosten für Reinigung, Pflege und Instandhaltung nach der DGNB [5, 6]. In den Baukosten sind auch spezifische Kosten berücksichtigt, die bei der Sanierung und dem Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes entstehen, wie bspw. die Dokumentation der Bauforschung oder die Begleitung der Bodeneingriffe durch die Bodendenkmalpflege. Die Stromnetzeinspeisung der PV-Anlage geht als Negativkostenpunkt in die Betriebskosten sowie in den Primärenergiebedarf mit ein. Für die Abrisskosten wurde ein Mittelwert von 188 Euro brutto/m² Wohnfläche ermittelt [10].

Nachfolgend werden die beiden untersuchten Fallbeispiele und dazugehörigen Sanierungskonzepte sowie die Ergebnisse des abschließenden Vergleichs und deren Limitationen erläutert.

2.1 Fallstudie 1

Das in der Fallstudie 1 untersuchte denkmalgeschützte Gebäude stammt im Kern aus dem 17. Jahrhundert. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Wohngebäude mit nicht ausgebautem Dachstuhl und einem Gewölbekeller (Bild 5). Das Gebäude wurde ursprünglich in Fachwerkbauweise errichtet, wobei heute nur noch eine Außenwand als Fachwerk ausgebildet ist. Die anderen Außenwände bestehen aus Vollziegeln.

Die Grundrisse der drei untersuchten Szenarien (D, K, N) ähneln sich in dieser Fallstudie stark. Ein Unterschied zeigt sich beim Keller, der in den sanierten Gebäuden (D, K) besteht, jedoch ungenutzt bleibt. Beim fiktiven Ersatzneubau (N) erfolgt der Bau eines neuen Kellers. Das Dachgeschoss wird in allen drei Szenarien ausgebaut. Da der Dachstuhl im aktuellen Bestand stark verformt ist, wird dieser bei der denkmalgerechten Sanierung (D) abgedeckt und in seine ursprüngliche Form gebracht. Bei der konventionellen Sanierung (K) wird ein neuer Dachstuhl aufgebaut.

Bei der denkmalgerechten Sanierung (D) wird die Fachwerkaußenwand von innen gedämmt. Die restlichen Außenwände werden sowohl von innen als auch von außen gedämmt, da die mögliche Dicke der Außendämmung begrenzt ist. Die Dämmung der Außenwände der konventionellen Sanierung (K) erfolgt ausschließlich von außen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit entsteht der Ersatzneubau (N) auch in außengedämmter Ziegelbauweise. Der Neubau wurde auf dem wärmeschutztechnischen Niveau eines Effizienzhausstandards 40 entworfen. Die Fenster werden bei beiden Sanierungsmaßnahmen (D, K) ausgetauscht. Bei den Erneuerungsmaßnahmen K und N wird eine Jalousie als außenliegender Sonnenschutz angebracht.

Das Heizsystem besteht aus einer Luft-Wasser-Wärmepumpe in Kombination mit einer Fußbodenheizung. In der denkmalgerechten Sanierung (D) wird die Wärmepumpe mit einer Spitzenlastunterstützung durch Gas ausgestattet. Es wird eine Lüftungsanlage mit 80 % Wärmerückgewinnung berücksichtigt. Bei dem konventionell sanierten Gebäude und dem Ersatzneubau (K, N) entsteht eine Photovoltaikanlage auf dem Dach.

In Bild 6 sind die Ergebnisse der durchgeführten Fallstudie in einem Netzdiagramm zusammengefasst. Dabei werden für jedes Bewertungskriterium die Ergebnisse der verschiedenen Erneuerungsmaßnahmen miteinander verglichen. Da die Nachhaltigkeit der denkmalgerechten Sanierungsmaßnahme untersucht wird, sind die Werte dieser Erneuerungsmaßnahme immer mit 100 % als Vergleichswert angegeben. Je geringer die Prozentangabe, desto besser schneidet die Erneuerungsmaßnahme im Vergleich zur denkmalgerechten Sanierungsmaßnahme ab.

Obwohl die denkmalgerechte Sanierung in der Herstellungs- und Abrissphase durch die geringsten Baustoffmengen den geringsten Primärenergiebedarf und die geringsten CO2-Emissionen aufweist, erreicht sie über den gesamten Lebenszyklus die höchsten Werte in diesen Bereichen. Die konventionelle Sanierung weist durch größere Energiesparmaßnahmen über den gesamten Lebenszyklus den geringsten Primärenergiebedarf und die geringsten CO2-Emissionen auf. Dies zeigt den großen Einfluss der Nutzungsphase, wodurch geschlussfolgert werden kann, dass sich größere Energieeinsparungsmaßnahmen über den gesamten Lebenszyklus betrachtet lohnen. Auch die Nutzung einer Photovoltaikanlage trägt beim Energiebedarf und somit auch bei den CO2-Emissionen zu einem besseren Ergebnis über den gesamten Lebenszyklus bei.

Bezüglich der Behaglichkeit, gemessen an der geringsten Anzahl der Belegungsstunden der Aufenthaltsräume mit einem PPD ≥ 10 %, erreicht das konventionell sanierte Gebäude geringere Werte als der Ersatzneubau aufgrund des geringeren Fensterflächenanteils bezogen auf das jeweilige Raumvolumen. Am unbehaglichsten ist das denkmalgerecht sanierte Gebäude, was v. a. dem schlechteren Sonnenschutz und den daraus resultierenden Stunden mit Überhitzung geschuldet ist. Insgesamt sind jedoch alle Gebäude als behaglich einzustufen.

Bei den Kosten kann der Vorteil der Herstellungsphase des denkmalgerecht sanierten Gebäudes gegenüber dem Ersatzneubau über die geringeren Betriebskosten des Ersatzneubaus innerhalb der Nutzungsphase von 50 Jahren nicht aufgeholt werden, sodass über den gesamten Lebenszyklus der Ersatzneubau bezogen auf die Nettoraumfläche teurer ist als das denkmalgerecht sanierte Gebäude.

Das konventionell sanierte Gebäude liegt in den Kategorien der Lebenszyklusphasen der Baustoffe A, B4, C und der Nutzungsphase B6 jeweils zwischen den anderen beiden Sanierungsmaßnahmen.

Insgesamt schneidet über den gesamten Lebenszyklus betrachtet die konventionelle Sanierung bei allen Kriterien am besten ab. Bei den Kosten, der Primärenergie und den CO2-Emissionen ist dies im Vergleich zum Ersatzneubau dadurch begründet, dass der Ersatzneubau in der Nutzungsphase zwar weniger verbraucht, gleichzeitig aber deutlich mehr Baustoffe und damit auch CO2-Emissionen, Energie und Kosten eingesetzt werden müssen.

Eine abschließende Bewertung der Nachhaltigkeit der verschiedenen Sanierungsmaßnahmen für den Lebenszyklus des Gebäudes ist schwierig, da sich je nach Gewichtung der einzelnen Bewertungskriterien ein anderes Ergebnis ergibt.

2.2 Fallstudie 2

Bei dem in der Fallstudie 2 untersuchten Gebäude handelt es sich um einen ehemaligen Gasthof aus dem 18. Jahrhundert in Mittelfranken (Bayern) (Bild 7). Der Grundriss des Gebäudes entspricht dem zur damaligen Zeit typischen Raumkonzept einer Gaststätte mit Wohn- und Nebenräumen sowie Gästezimmern, wobei das zweigeschossige Krüppelwalmdach nicht ausgebaut und als Kaltdach ausgeführt ist.

Über dem massiven Erdgeschoss aus Natur- und Bruchsteinmauerwerk wurde mit Ausnahme der Westfassade ein Fachwerk mit Ausfachungen aus überputztem Naturstein errichtet. Die Geschossdecken im Gebäudeinneren sind als Holzbalken- und Lehmwickeldecke konstruiert, wobei diese in repräsentativen Räumen zusätzlich mit Deckenstuck verziert wurden.

Aufgrund der über Jahre eindringenden Nässe, verursacht durch die stellenweise offenen Dachflächen, sind die Schäden am Gebäude groß. Tragende Bauteile der Wände und Decken sind teils über mehrere Geschosse hinweg abgestürzt oder weisen eine starke Durchbiegung auf, wodurch die Standsicherheit nicht mehr gegeben ist. Gleiches gilt für die rd. zur Hälfte zerstörten Dachkonstruktion. Zudem zeigen sich an den Fassadenflächen Schäden durch Witterungseinflüsse.

Das Konzept der denkmalkonformen Sanierung (D) folgt dem Grundsatz der Denkmalverträglichkeit. Demzufolge gilt es, möglichst substanzerhaltend und reversibel zu agieren. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, wird neben der Behebung der Bauschäden und der Freilegung der ursprünglichen Konstruktion und Oberflächen an den gestalterisch prägenden Außenwänden eine Innendämmung aus Holzweichfaserplatten, ergänzt durch eine im Lehmputz verlegte Wandheizung, angebracht. Sofern noch bauzeitliche Fenster vorhanden sind, werden diese zu Kastenfenstern ergänzt und andernfalls durch denkmalkonforme Holzfenster ersetzt. Anstatt der Dachflächen wird die oberste Geschossdecke oberseitig gedämmt. Im Erdgeschoss wird raumweise eine Stahlbetonbodenplatte mit entsprechender Unterkonstruktion verbaut.

Bei der konventionellen Sanierung (K) dagegen werden die ­Außenwände durch eine außenseitige hinterlüftete Fassadenkonstruktion mit Holzweichfasermatten gedämmt. Die Fenster und Türen werden durch marktübliche Modelle mit Wärmeschutzverglasung ersetzt. Auch in dieser Variante wird aus Gründen der Hüllflächenoptimierung die oberste Geschossdecke anstatt der Dachhaut gedämmt. Ein neuer Bodenaufbau mitsamt Stahlbetonbodenplatte sowie Trockenestrich im oberen Geschoss ermöglicht die Verlegung einer Fußbodenheizung im gesamten Gebäude. Außerdem wird auf der südlich orientierten Dachfläche eine Photovoltaikanlage (16 kWp) installiert.

Beim Abriss des Bestandsgebäudes und der Errichtung eines Ersatzneubaus (N) werden für den Neubau neben einer Stahlbetonbodenplatte ein monolithisches Mauerwerk aus Dämmziegel, Stahlbetongeschossdecken mit Fußbodenheizung als Wärmeübergabesystem und einem Satteldach mit Zwischen- und Untersparrendämmung und ebenfalls einer Photovoltaikanlage geplant. Der Neubau wird zudem mit einer mechanischen Lüftung mit Wärmerückgewinnung ausgestattet.

In allen drei Szenarien wird die örtliche Nahwärmeversorgung für die Beheizung des Gebäudes und die Warmwassererzeugung genutzt.

Betrachtet man lediglich die Nutzungsphase der Gebäude, ist der Primärenergiebedarf (PE) der denkmalkonformen Sanierung (D) fast doppelt so hoch wie bei der konventionellen Sanierung (K). Während bei den Sanierungsszenarien die Nutzungsphase (B6) den größeren Anteil an der PE ausmacht, ist beim Neubau die graue Energie pro NGF und Jahr mehr als doppelt so hoch im Vergleich zum PE-Bedarf im Betrieb. Das GWP für die Entsorgung und Herstellung der verwendeten Rohstoffe ist beim Neubau ca. dreimal so hoch wie bei der denkmalkonformen Sanierung. Bezogen auf ein Jahr, entfällt bei allen Szenarien mehr als die Hälfte (54–67 %) der Gesamtkosten auf den Betrieb und die Instandsetzung der Gebäude. Die Gesamtkosten sind bei der denkmalkonformen Sanierung am höchsten. Zur Bewertung des thermischen Komforts wurde u. a. ein Aufenthaltsraum betrachtet. Dabei zeigt sich, dass die operative Raumtemperatur im Neubau am konstantesten ist und die geringste Amplitude aufweist. Bei der konventionellen Sanierung sind die Temperaturen im Winter mit denen im Neubau vergleichbar. In den Sommermonaten ist die operative Raumtemperatur sowohl bei der konventionellen als auch bei der denkmalkonformen Sanierung höher als im Neubau. Dies zeigt sich auch an dem deutlich geringeren Anteil von rd. 3 % an Stunden während der Nutzungszeit, in denen im Neubau thermischer Diskomfort vorliegt. Bei den beiden Sanierungsvarianten D, K liegt der Anteil bei ca. 14 %. Bild 8 zeigt analog zu Bild 6 für Fallbeispiel 1 die Ergebnisse des Vergleichs für Fallbeispiel 2.

3 Denkmalpflege und Nachhaltigkeit – ein Fazit

Durch die Untersuchungen der beiden Fallbeispiele zeigt sich, dass Baudenkmäler hinsichtlich der Thematik des Rohstoffverbrauchs und der grauen Energie deutlich nachhaltiger zu bewerten sind als konventionelle Sanierungen oder Neubauten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass in der Baudenkmalpflege häufig recycelbare Baustoffe zum Einsatz kommen. Während bei der konventionellen Sanierung und dem Neubau häufig nicht recycelbare Baustoffe eingesetzt werden (Styropor, beschichtete Verglasung mit Plastikrahmen), schont die Denkmalpflege durch die Verwendung von Holzfenstern und Naturdämmstoffen den Ressourcenverbrauch und vermindert so das Aufkommen von Sondermüll. Die Denkmalpflege vermittelt weiterhin eine Reparatur- bzw. Um- und Weiternutzungskultur anstelle einer Wegwerf-Konsum-Kultur und schont somit die Umwelt. Dies geschieht u. a. dadurch, dass die eingesetzten Bauteile reparierbar sind, was bei konventionellen Baustoffen und Bauteilen häufig nicht mehr der Fall ist.

Im Bereich des Energiebedarfs im Betrieb zeigen die Fallbeispiele auf, dass Baudenkmäler einen höheren Verbrauch aufweisen als konventionell sanierte Bauten und Neubauten. Der Primärenergiebedarf der Baudenkmäler ist in den Fallbeispielen um ca. 50 % höher als bei der konventionellen Sanierung und vier- bis fünfmal höher als beim Neubau. Dies zeigt jedoch die Relevanz der thermisch-energetischen Sanierung der Baudenkmäler mit geeigneten und denkmalverträglichen passiven und aktiven Maßnahmen.

Monetär ergeben sich bei einer Totalsanierung eines Denkmals über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, wie hier aufgezeigt, ca. 10–20 % Mehrkosten im Vergleich zu einer konventionellen Sanierung. In Fallbeispiel 1 ergeben sich ca. 10 % weniger als bei einem Abbruch mit anschließendem Neubau, in Fallbeispiel 2 hingegen 40 % mehr. Darüber hinaus gilt es, bei der ökonomischen Säule der Nachhaltigkeit Aspekte wie die Wertstabilität, die Wertsteigerung, die Dauerhaftigkeit der Investitionen usw. zu betrachten. In Hinblick auf diese Aspekte zeigt sich, dass insbesondere Baudenkmäler als ökonomisch nachhaltig angesehen werden können. Zudem werden Mehrkosten durch u. a. Steuererleichterungen und Fördermittel zum Teil durch die Gesellschaft mitgetragen.

Des Weiteren gilt zu bedenken, dass die Nachhaltigkeit eine soziale Säule aufweist. Diese wird häufig im Bauwesen über den Komfort abgebildet, welcher rein thermisch betrachtet in sanierten Baudenkmälern oftmals geringfügig schlechter abschneidet. Allerdings ist dabei zu hinterfragen, inwieweit ein strikter Komfortbereich zwischen 22 °C und 26 °C operativer Innenraumtemperatur als sinnvoll erachtet werden kann. Muss man im Winter in kurzer Hose und T-Shirt zu Hause auf dem Sofa sitzen oder kann man den Bewohnern einen Pullover zumuten? Zudem sollte die soziale Säule der Nachhaltigkeit nicht nur auf den Komfort beschränkt werden. Das Zeitzeugnis der Baudenkmäler, der Beitrag zur Identifikation mit der gebauten Umwelt, das Gefühl, welches durch Baudenkmäler vermittelt wird, ist schwer zu erfassen. Aber die vielen Initiativen, welche sich um den Schutz des Denkmalbe stands bemühen, verdeutlichen die Relevanz dieser weichen Faktoren, welche sich kaum bilanzieren lassen und deshalb in der Diskussion oftmals unberücksichtigt bleiben. Nachhaltigkeit ist jedoch mehr als Energie, CO2, thermische Behaglichkeit und monetäre Kosten.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Denkmalpflege in vielen Bereichen bereits nachhaltig ist (graue Energie, Rohstoffverbrauch, Reparaturkultur, Beitrag zur Identifikation etc.), in einigen Bereichen jedoch noch Potenzial aufweist, wie bspw. beim Energiebedarf im Betrieb. Hier gibt es bereits denkmalverträgliche aktive und passive Lösungen, die zu tragbaren Energieverbräuchen führen. Dennoch gilt es insbesondere die Integration regenerativer Energien in den Denkmalbestand weiter zu erforschen.

4 Denkmalschutz im Wandel – der Weg zu (noch) mehr Nachhaltigkeit

Die Ergebnisse zeigen, dass Sanierungsmaßnahmen, die zu einer größeren Energieeinsparung führen, im Vergleich zu einem Ersatzneubau und über den ganzen Lebenszyklus betrachtet, nachhaltiger sind. Somit sollte im Denkmalschutz bspw. über stärkere Dämmungen und die Verbesserung von Innendämmungen im Fachwerkbereich diskutiert werden. Sollten passive Maßnahmen wie das Dämmen oder die energetische Ertüchtigung der Fenster ohne den Verlust der Denkmaleigenschaft nicht möglich sein, ist eine Deckung des Bedarfs durch regenerative Ressourcen von hoher Relevanz. In diesem Kontext gilt es, die bei denkmalgeschützten Gebäuden zu verwendenden PV-Module (z. B. durch Farbanpassung oder ziegelintegrierte Module) weiterzuentwickeln.

Um die Überhitzung im Sommer im denkmalgeschützten Gebäude zu verringern und somit die Behaglichkeit zu steigern, müssen denkmalgerechte Sonnenschutzvorrichtungen entwickelt werden, die die Sonneneinstrahlung besser abmindern als ein innenliegender Sonnenschutz.

Es zeigt sich, dass weitere Fallstudien durchgeführt werden müssen, um andere Eingangsparameter und Randbedingungen zu untersuchen und die denkmalspezifischen Ergebnisse zu plausibilisieren. Bereits beim Vergleich von zwei Varianten zeigt sich eine große Spreizung der Ergebnisse, sodass weitere Untersuchungen notwendig sind. Gegebenenfalls ist eine Analyse ähnlicher Denkmäler (Denkmalgruppen) zielführend.

Auch bei Denkmälern wie Burgen und Schlössern stellt sich die Frage der nachhaltigen Erhaltung und Nutzung. Da diese Denkmäler aber andere Randbedingungen aufweisen, muss ihre Sanierung in weiteren Fallstudien hinsichtlich der Nachhaltigkeit untersucht werden.

Neben den fachlichen Ergebnissen zeigen die Studien die Grenzen der aktuell verwendeten Methoden auf: Die Bilanzierungsmethoden für Nachhaltigkeit sind immer noch vorrangig für den Neubau ausgerichtet, was in keiner Weise den Anforderungen unserer in großen Teilen bereits gebauten Umwelt entspricht. Insbesondere für die denkmalkonforme Sanierung fehlen passende Daten. Hier werden häufig regionale Baustoffe verwendet oder Bestandsmaterialien aufgearbeitet. Diese sind in gängigen Datenbanken wie dem BKI oder der ÖKOBAUDAT nur unzureichend mit entsprechenden Datensätzen abgebildet. Die Berücksichtigung von Bestandsgebäuden bspw. bei der Ökobilanzierung ist in Regelwerken und Normen wie der DIN nicht eindeutig geregelt und erschwert die Vergleichbarkeit mit anderen Studien und Untersuchungen. Gleichzeitig braucht es für die Ausschöpfung der vorhandenen Optimierungspotenziale beim Energiebedarf im Denkmal multidisziplinäre Allianzen zwischen den im Bereich Bautechnik, Energieplanung, Architektur und Denkmalpflege Beschäftigten. Die bereits zahlreich vorhandenen aktiven und passiven Lösungen für bessere Energieverbräuche im Denkmal müssen neben den Standards für den Neubau systematisch gesammelt, aufbereitet und verfügbar gemacht werden. Oft sind diese individuellen Lösungen sehr spezifisch. Aber genau deshalb, weil sie auf besonders komplexe Fragestellungen minimalinvasive Antworten finden, können sie auch vorbildhaft für den ganzen Baubestand sein.


Literatur

  1. BGBI. I S. 1728 Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden: Gebäudeenergiegesetz – GEG. Berlin: Bundesrepublik Deutschland; Bonn: Bundesministerium der Justiz. https://www.gesetze-im-internet.de/geg/GEG.pdf [Zugriff am: 26. März 2024]
  2. GVBI. S. 588, BayRS 2132-1-B Bayerische Bauordnung (BayBO). München: Bayerische Staatskanzlei. https://www.gesetzebayern.de/Content/Document/BayBO [Zugriff am: 26. März 2024]
  3. DIN EN 15643:2021-12 (2021) Nachhaltigkeit von Bauwerken – Allgemeine Rahmenbedingungen zur Bewertung von Gebäuden und Ingenieurbauwerken (EN 15643:2021). Berlin: Beuth. Ausgabe Dezember 2021.
  4. BKI [Hrsg.] (2022) BKI Baukosten. Stuttgart: Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern.
  5. DGNB (2018) ECO1.1 Gebäudebezogene Kosten im Lebenszyklus: DGNB System Kriterienkatalog Gebäude Neubau. Stuttgart: DGNB.
  6. DGNB (2021) ECO1.1 Gebäudebezogene Kosten im Lebenszyklus: DGNB System Kriterienkatalog Gebäude Sanierung. Stuttgart: DGNB.
  7. Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen [Hrsg.] (2023) ÖKOBAUDAT [online]. Berlin: BMWSB. https://www.oekobaudat.de/no_cache/en/database/search.html
  8. DIN EN 15978:2012-10 (2012) Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode (EN 15978:2011). Berlin: Beuth. Ausgabe Oktober 2012.
  9. DIN 276:2018-12 (2018) Kosten im Bauwesen. Berlin: Beuth. Ausgabe Dezember 2018.
  10. Walberg, D. (2011) Wohnungsbau in Deutschland 2011 – ­Modernisierung oder Bestandsersatz. Mauerwerk 15, H. 5, S. 294–300. https://doi.org/10.1002/dama.201100508

Autor:innen

Dr.-Ing. Anica Mayer, anica.mayer@tum.de

Lisa Nitz, M.Sc., Lisa.Nitz@web.de

Eva-Maria Peis, M.Sc., eva.peis@web.de

Technische Universität München
www.tum.de

Jobs

ähnliche Beiträge

Die Erderwärmung ist greifbar

Climate Pulse: globale Klimadaten in Beinahe-Echtzeit.

Die Wärmewende braucht zusätzliche Fachkräfte

Wie die Wärmewende gelingt: Sieben Thesen von der Gebäude-Allianz.

Nicht viel Neues im Klimamanifest

Erwiderung auf das Manifest für einen Kurswechsel in der Klimapolitik für den Gebäudesektor (Klimamanifest).