Hitzeschutz im Dach

Dämmstoffe sollten niedrige Temperaturleitzahl aufweisen

Damit sich Dachgeschosse an sonnigen Sommertagen nicht überhitzen, müssen sie gut gedämmt sein. Denn sie weisen besonders viel Außenfläche auf und sind i. d. R. in Leichtbauweise errichtet: als Holzkonstruktionen ohne schwere Baumassen. Bei der Wahl des Dämmstoffs ist nicht seine Wärmeleitfähigkeit λ der aussagekräftigste Kennwert, sondern seine Temperaturleitfähigkeit a. Denn im Sommer verhalten sich die Wärmeströme etwas anders als im Winter.

1. Gebäudeenergiegesetz und DIN 4108

Die Zahl der Hitzetage nimmt deutlich zu (Bild 1). Der Schutz vor sommerlicher Überhitzung wird deshalb immer wichtiger und ist im Gebäudeenergiegesetz (GEG) und in der DIN 4108 verankert. Sie betrachten v. a. die Sonneneinstrahlung durch die Fenster und fordern außenliegende Verschattungsmöglichkeiten. Des Weiteren betrachten sie die raumumfassenden Bauteile und unterscheiden zwischen leichter, mittlerer und schwerer Bauart. Je schwerer, desto mehr Wärme können die Materialien der Raumluft entziehen, zwischenspeichern und dadurch Temperaturschwankungen abpuffern.

Doch in Dachgeschossen gibt es meist keine schweren, sondern nur leichte Bauarten. Dachgeschosse haben zudem vielfach mehr Außenfläche als die Geschosse darunter. Und die Sonne erwärmt die Dachdeckung besonders stark – auf Temperaturen, die weit über der Lufttemperatur liegen. Von dort dringt die Hitze in den Dachaufbau ein und arbeitet sich nach innen vor. Deshalb reicht es in Dachgeschossen nicht aus, die Fenster tagsüber zu schließen und zu verschatten und nachts zu öffnen. Eine gute Dämmung ist notwendig, um den sommerlichen Wärmefluss zu bremsen.

2. Temperaturleitfähigkeit vs. Wärmeleitfähigkeit

Wie stark eine Dämmung den sommerlichen Wärmefluss bremst, wird allerdings von ihrer Wärmeleitfähigkeit λ nur unzureichend ausgedrückt. Denn im Sommer spielen auch die spezifische Wärmekapazität ϲ und die Rohdichte ρ eines Dämmstoffs eine wichtige Rolle. Die physikalische Formel der Temperaturleitfähigkeit a (Bild 2) berücksichtigt dies und zeigt, wie diese drei Materialeigenschaften zusammenhängen: Im Zähler steht die Wärmeleitfähigkeit λ, im Nenner werden spezifische Wärmekapazität ϲ und Rohdichte ρ miteinander multipliziert.

Es gilt: Je niedriger die Temperaturleitfähigkeit a, desto langsamer breitet sich die in den Dämmstoff eingedrungene Hitze aus. Dämmstoffe, die sowohl eine hohe spezifische Wärmekapazität ϲ als auch eine hohe Rohdichte ρ aufweisen, haben durch die Multiplikation einen großen Vorteil gegenüber Dämmstoffen mit niedrigeren Werten. Ist z. B. ein Dämmstoff hier jeweils um 50 % besser als ein Konkurrenzprodukt, so ist das Produkt dieser beiden Werte mehr als doppelt so hoch. Dann dürfte die Wärmeleitfähigkeit λ des Konkurrenzprodukts weniger als die Hälfte betragen, um dies zu kompensieren.

Das ist der Grund, warum Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen beim sommerlichen Hitzeschutz i. d. R. deutlich besser sind als Dämmstoffe aus Mineralfasern und Hartschaum (Tab. 1). Holzfaser-Dämmstoffe z. B. weisen eine hohe spezifische Wärmekapazität ϲ von 2100 J/(kg · K) sowie hohe Rohdichten ρ auf. Das hat zur Folge, dass sie sich deutlich langsamer erwärmen und die Wärme langsamer weiterleiten.

Hier stellt sich aber natürlich die Frage, warum bei der U-Wert-Berechnung allein die Wärmeleitfähigkeit λ herangezogen wird und die Temperaturleitfähigkeit a unbeachtet bleibt. Die Antwort mag überraschen, ist jedoch simpel: Im Winter verhalten sich die Wärmeströme anders als im Sommer. Im Winter fließt die Wärme konstant in eine Richtung, im Sommer nicht.

3. Wärmefluss im Sommer und im Winter

Im Winter herrscht ein relativ konstantes Temperaturgefälle: Im Gebäudeinneren ist es warm, außen ist es kalt. Die Wärme fließt deshalb stetig von innen nach außen. Im Sommer dagegen wechselt das Temperaturgefälle: Tagsüber ist es außen meist wärmer als innen, nachts kühler. Die Wärme fließt deshalb tagsüber vornehmlich von außen nach innen und nachts von innen nach außen. Nachts kühlt der Dämmstoff ab, tagsüber erwärmt er sich wieder.

Um es bildlich auszudrücken: Im Winter verhält sich der Dämmstoff ähnlich wie ein vollgesaugter Schwamm, im Sommer wie ein ausgewrungener. Im Winter kann der bereits erwärmte Dämmstoff keine zusätzliche Wärme mehr aufnehmen und leitet sie komplett weiter. Im Sommer dagegen kann der nachts abgekühlte Dämmstoff anfangs viel Wärme selbst aufnehmen und leitet sie nur teilweise weiter. Je kühler er ist, desto weniger. Je mehr Wärme der Dämmstoff selbst aufnimmt, desto langsamer ist der Wärmefluss.

Entscheidend ist, dass die Wärmespeicherfähigkeit des Dämmstoffs hoch genug ist, um die Ausbreitung der tagsüber in den Dachaufbau eindringenden Hitze so stark zu bremsen, dass es draußen Nacht wird und abkühlt, bevor die Hitze das Gebäudeinnere erreicht hat. Dann fließt ein großer Teil von ihr nach außen zurück und strahlt in den Nachthimmel ab. Der andere Teil, der innen fließt, kommt dort erst in der zweiten Nachthälfte an, wenn geöffnete Fenster für angenehme Kühlung sorgen können.

4. Phasenverschiebung und Amplitudendämpfung

Die Verzögerung des Wärmeflusses lässt sich berechnen und wird in der Bauphysik  als Phasenverschiebung bezeichnet (Bild 3). Mit Phase ist der wellenförmige Verlauf der Temperatur gemeint. Ihre Länge beträgt immer 24 h – innen und außen. Außen hat die Lufttemperatur ihr Minimum bei Sonnenaufgang und ihr Maximum nachmittags gegen 16 Uhr. Innen an der raumseitigen Dachbekleidung hat der Temperaturverlauf zwar eine ähnliche Form, doch sein Maximum ist hier später – abhängig davon, wie stark der Dämmstoff den Wärmefluss abbremst.

Die Zeitspanne zwischen den beiden Temperatur-Maxima heißt Phasenverschiebung und sollte so groß sein, dass das raumseitige Temperatur-Maximum erst dann auftritt, wenn draußen die Lufttemperatur kühl ist und sich die Raumtemperatur durch Lüften senken lässt. Noch wichtiger ist allerdings, dass das raumseitige Temperatur-Maximum möglichst tief ist. In der Bauphysik heißt dies Amplitudendämpfung. Mit Amplitude ist die Spanne zwischen Temperatur-Maximum und -Minimum gemeint. Die Amplitudendämpfung ist der Faktor, um den sich diese Spanne reduziert.

Beide Phänomene – Phasenverschiebung und Amplitudendämpfung – bedingen sich gegenseitig: Je langsamer die Wärme nach innen vordringen kann, desto mehr Wärme fließt nachts nach außen zurück – und desto weniger kommt innen an. Ist die Phasenverschiebung so stark, dass das raumseitige Temperatur-Maximum erst nach Sonnenaufgang auftritt, so ist es aufgrund einer dann ebenfalls starken Amplitudendämpfung vernachlässigbar gering.

5. Fazit

Dachgeschosse sind besonders gefährdet, sich im Sommer zu überhitzen. Neben den üblichen Schutzmaßnahmen braucht es auch eine gute Wärmedämmung. Dabei ist jedoch nicht die für die U-Wert-Berechnung maßgebliche Wärmeleitfähigkeit λ der wichtigste Materialkennwert, sondern die Temperaturleitfähigkeit a. In ihr ist auch der Einfluss der spezifischen Wärmekapazität ϲ und der Rohdichten ρ abgebildet. Beim Vergleich verschiedener Dämmstoffe erweisen sich Dämmstoffe aus Holzfasern und anderen nachwachsenden Rohstoffen aufgrund ihrer hohen spezifischen Wärmekapazität ϲ und ihrer hohen Rohdichten ρ als vorteilhaft.


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