Genug ist genug
Vor Kurzem haben der Autor dieses Textes und eine bekannte Person ein Projekt von Architects4Future gesehen. Es handelte sich um begrünte Sitzgelegenheiten, die wechselnd an verschiedenen Orten in der Stadt aufgestellt werden, um mehr Grün, Ruhe und Lebensqualität ins Stadtbild zu bringen (Bild 1). Dies führte zu einem Streit über die Sinnhaftigkeit solcher Projekte, wobei die zentrale Frage war: Ist es wirklich zielführend, knappe Zeit und Ressourcen zu investieren, um lediglich die Aussicht zu verschönern, während die Welt in Flammen steht? Verlieren sich Aktivismus und Engagement so möglicherweise in einer Wohlfühl-Bubble der eigenen Gewissenhaftigkeit? Darüber lässt sich sicherlich diskutieren. Aber entgegen der augenscheinlichen Wahrnehmung, dass Klimaaktivisten und Engagierte lediglich die Öffentlichkeit stören oder kosmetische Veränderungen vornehmen, steht der Einwand, was an unsichtbaren Anstrengungen unternommen wird, um größere Probleme anzugehen. Wenn der Eindruck entsteht, dass die Arbeit von Architects4Future sich in hübschen Holzbänken erschöpft, ist das eine bedauerliche Fehleinschätzung der eigentlichen Ziele.
Kritik kann besonders dann angebracht sein, wenn man sich seiner eigenen Widersprüche bewusst wird und Toleranz sowie Anerkennung für das entwickelt, was auf den ersten Blick möglicherweise übersehen wird.
In diesem Beispiel zeigt sich, dass ein hoher Grad an Engagement, Fleiß und persönlichem Einsatz im Vergleich zur wahrgenommenen Wirkung verschwindend gering wirkt. Unabhängig vom Kontext schmerzt und erscheint es unfair, wenn Anerkennung fehlt. Und der Ortsgruppe, die diese eigenhändig geschaffen hat, gebührt entsprechende Anerkennung allein für die Initiative an sich.
Wenn wir in einer Welt leben würden, in der wir um unseren eigenen Wert wüssten, gäbe es weniger Neid über als ungerecht empfundene Leistungsbereitschaft und keinen Wettstreit darüber, wer die Umstände richtiger deutet, und jeder Mensch könnte mit klarem Kopf die Probleme lösen, die vorhanden sind. Es geht dabei um viele mehr oder weniger bewusste Glaubensgrundsätze, nach denen wir handeln. Im Laufe der Geschichte, oder vielmehr in der Geschichte der Moderne, ging es immerhin seit jeher um eine Idee von Fortschritt, die darin besteht, seine Kraft dazu einzusetzen, um die Welt, die wir sehen, dahingehend zu verändern, die allgemeine Lebensqualität, nach wie vor gedeutet als Wohlstand, zu erhöhen.
Die zweite Frage beschäftigte sich dann mit der Gerechtigkeit, wo die klassischen politischen Tendenzen von progressiv (Alles für alle) und konservativ (Mehr für die Tüchtigen) die Geister scheiden. Das Auftreten der Klimakrise untergräbt diese Streitfrage in einem so großen Ausmaß, dass die Anpassung an die Situation es erfordert, das bisher bekannte Handlungsverständnis, mehr zu produzieren und sich um die Verteilung zu streiten, zugunsten eines anderen Verständnisses zu verwerfen.
Denn einerseits ist es ebendieses Paradigma, welches die alles überschattende ökologische Krise weiter verschärft und gleichzeitig so allumfassend an die Bedingungen unseres Lebens geknüpft ist, dass vom Fingerzeig der Schuldzuweisung niemand außen vor bleibt. Die Klimakrise hält uns den Spiegel vor, uns nicht auf der vermeintlich richtigen Seite der Geschichte wähnen zu können, da die Geschichte selbst durch die Missachtung dieses Problems bedroht wäre, aufzuhören zu existieren.
Was die Klimakrise von uns verlangt, ist das, wovon wir leben, als mit uns gleichwertig anzuerkennen. Ein neoliberal geprägtes Denken (Wenn ich dies erledige, kann ich mir das leisten. – Wenn ich hier spare, kann ich dort mehr ausgeben.) funktioniert nicht mehr, da es auf der universellen Vorstellung von Effizienz beruht, und wie uns die Biologie lehrt, funktioniert die Ökologie nicht nach Effizienzprinzipien, sondern im Wesentlichen durch Überschuss und Resteverwertung. Aus erschöpften Ressourcen lässt sich eben nicht immer noch mehr herauspressen, denn wie es jemand einst treffend ausdrückte: Wo nichts ist, ist Wenig viel.
In einer Stadt mit wenig Lebensqualität sind begrünte Holzsitzgelegenheiten bereits genug für den Augenblick. Die bevorstehende Aufgabe erfordert jedoch, dass wir benennen, was wir als ein lebenswertes Leben empfinden, erkennen, dass der Planet dafür genug bereitstellt und sich die Kultur, die wir leben, in wechselseitiger Abhängigkeit durch unsere Bedürfnisse entwickelt.
Dies bedeutet, dass wir ein situatives Verständnis für unser Verhältnis zu uns selbst und unserer Umwelt entwickeln müssen. Die Regeln und Gesetze, die zu einem gewissen Zeitpunkt postuliert wurden, um das gesellschaftliche Leben zu ordnen, sind nur bedingt nützliche Momentaufnahmen und können in einer sich immer schneller wandelnden Welt keine Stabilität durch Starrheit bieten. Wir müssen zwangsläufig, aber besser noch freiwillig, flexibler und fluider werden, um die Herausforderungen der heutigen Zeit zu bewältigen. Wir sollten trotz allem Übel anerkennen, was an Gutem schon da ist, und Erwartungen zeitweilig an die Umstände anpassen, während wir unseren Anspruch an unsere Ziele aufrechterhalten, und dieser sollte, Lager und Differenzen übergreifend, immer sein: ein erfülltes Leben.
Architects for Future Deutschland e.V.
www.architects4future.de