Innovationen mit hohem Marktpotenzial erstmals in realem Bauprojekt
NEST ist das modulare Forschungs- und Innovationsgebäude der beiden Schweizer Forschungsinstitute Empa und Eawag. Es wurde 2016 auf dem Empa-Campus in Dübendorf eröffnet. Das Ziel von NEST ist es, den Innovationsprozess im Bausektor zu beschleunigen. Im NEST werden deshalb regelmäßig neue Gebäudemodule, sog. Units, eingebaut und in Betrieb genommen. In diesen Projekten haben Partner aus Forschung und Industrie die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und ihre Innovationen in einer realen Umgebung weiterzuentwickeln. Das Spezielle dabei: Die Units sind nicht nur reale Bauprojekte, sondern werden nach ihrer Fertigstellung auch genutzt, sei es als Büros oder als Wohnungen. Nun ist der Baustart der neuesten NEST-Unit STEP2 erfolgt, die voraussichtlich nächsten Frühling fertiggestellt sein wird.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
„Schon in den allerersten Gesprächen zu STEP2 wurde als Hauptziel festgelegt, dass wir nur bauen werden, was nachhaltig ist und in der Baubranche auch tatsächlich eine Zukunft haben wird“, erklärt Enrico Marchesi, Innovation Manager NEST und Projektverantwortlicher seitens Empa. „Aus diesem Grund haben wir jede Innovation genauestens auf ihre Marktrelevanz überprüft“, ergänzt BASF-Mitinitiant Andreas Hafner. Damit dieses Ziel auch erreicht werden konnte, wurde ein konsequenter Co-Creation-Ansatz verfolgt. „Wir sind überzeugt davon, dass wahre marktfähige Innovation nur entstehen kann, wenn Akteure entlang der gesamten Wertschöpfung auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Als fester Bestandteil der Schweizer Forschungs- und Innovationsgemeinschaft ist es uns deshalb ein großes Anliegen, gemeinsam mit unseren Partnern schon früh zukunftsträchtige Lösungen zu erkennen, die wirtschaftliches Potenzial aufweisen – und mit unserem Know-how dazu beizutragen, dass diese Innovationen in die Realität umgesetzt werden“, sagt Olivier Enger, Senior Innovation Manager bei BASF.
Das Unternehmen ist der Hauptpartner der Unit und trägt mit Know-how, Netzwerk und nachhaltigen Materialien maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei. Dieser Ansatz zahlte sich aus: Die Projektpartner aus unterschiedlichen Disziplinen konnten so in der dreijährigen Planungsphase bahnbrechende Neuheiten entwickeln. „Ich freue mich enorm, dass wir nun die gemeinsam erarbeiteten Lösungen in ein reales Gebäude überführen können“, sagt der leitende Architekt Silvan Oesterle vom Architekturbüro ROK.
Ressourcenschonendes Deckensystem
Im ersten Stock der zweigeschossigen Unit wurde eine neuartige Rippen-Filigrandecke verbaut, die gemeinsam von ROK, dem Ingenieurbüro WaltGalmarini AG und der Stahlton Bauteile AG entwickelt wurde. Die Decke soll Spannweiten zwischen 8 m und 14 m erlauben, wodurch sie ideal im Büro- und Hochhäuserbau eingesetzt werden kann. Mittels 3D-gedruckter Schalungen wurden die einzelnen Elemente im Werk von Stahlton vorfabriziert. Diese Schalungen sind zu 100 % mineralisch und kreislauffähig. Danach wurden die Elemente zum NEST transportiert und in der Unit montiert.
Mithilfe der digitalen Planung in Kombination mit 3D-Druck konnte der Materialaufwand – und damit auch die CO2-Emissionen – um bis zu 50 % gesenkt werden, verglichen mit herkömmlichen Betonflachdecken. Durch den Einsatz des zirkulären Betons der zirkulit AG wurde die Nachhaltigkeit zusätzlich gesteigert, indem dieser den Mindestzementgehalt unterschritt und erst noch CO2 speichert. Eine weitere Besonderheit: In die Decke wurde eine Akustiklösung integriert. Sie besteht aus 3D-gedruckten Boxen, die mit dem Absorberschaum Cavipor von BASF ausgestattet wurden. Sie sorgen für eine angenehme Raumakustik, trotz schallharter Oberfläche.
Eine digital gefertigte Betontreppe
Ins zweite Stockwerk der STEP2-Unit wird man künftig über eine Betontreppe mit dem Namen Cadenza gelangen. Das Projektteam setzt sich zusammen aus Expertinnen und Experten von ROK, dem Lehrstuhl Digital Building Technologies der ETH Zürich, der BASF-Tochtergesellschaft BASF Forward AM, dem 3D-Druckunternehmen New Digital Craft, dem Betonfertigteilehersteller SW Umwelttechnik, der WaltGalmarini AG und dem Empa-Spin-off re-fer.
Auch bei diesem Innovationsobjekt schöpfte das Team das volle Potenzial von computergestütztem Design und 3D-Druck aus. Durch den Einsatz von 3D-gedruckten Schalungen konnte man komplexere Formen kreieren, als dies mit herkömmlichen Sonderschalungen möglich gewesen wäre. Gleichzeitig konnten diese mehrfach verwendet werden, wodurch der Materialaufwand sowohl bei der Treppe wie auch bei den Schalungen erheblich reduziert werden konnte. Die vorproduzierten Treppenstufen wurden an der Empa in Dübendorf zusammengesetzt, mittels der Vorspanntechnik von re-fer fixiert und als ein Bauteil in der Unit verbaut. Der Vorteil: Da die einzelnen Stufen aufeinandergefädelt wurden, können diese beim Rückbau relativ einfach demontiert und schließlich wiederverwendet werden. Die Treppe demonstriert eindrücklich, wie sich mit dem entwickelten Ansatz maßgeschneiderte, ressourcensparende Betonelemente realisieren lassen.
Die Gebäudefassade als Entwicklungsumgebung
Gebäudehüllen bieten großes Potenzial zur Energieoptimierung und zur Steigerung des Nutzerkomforts. STEP2 befasst sich deshalb damit, die Entwicklung von Innovationen im Bereich der Gebäudehülle zu beschleunigen. Mithilfe der Expertise der Aepli Metallbau AG wurde die Fassade so konzipiert, dass mit minimalem Aufwand ganz unterschiedliche Einbauten getestet werden können. Dadurch bietet sich für NEST-Partner die Möglichkeit, neue Technologien und Materialien einfach zu implementieren und zu validieren. Gleichzeitig soll eine neue Lösung des Unternehmens für Closed-Cavity-Fassaden zur Anwendung kommen, durch die auf eine mechanische Konditionierung des Elementzwischenraums vollständig verzichtet werden kann.
Optimale Energieeffizienz und Behaglichkeit
Damit die Unit so energieeffizient wie möglich betrieben werden kann und sich Nutzerinnen und Nutzer gleichzeitig möglichst wohl fühlen, hat die WaltGalmarini AG ein umfassendes Energie- und Behaglichkeitskonzept entwickelt. Dadurch soll das optimale Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten erreicht werden. Dazu gehören etwa automatisierte Fassadenklappen, thermisch aktivierte Masse oder auch hochwärmedämmende Verglasungen. Für zusätzliche Behaglichkeit soll zudem das für STEP2 erarbeitete Lichtkonzept von Bartenbach sorgen.