Mit dem Kohleausstieg fällt in Deutschland in absehbarer Zukunft der bei der Rauchgasreinigung in Kraftwerken anfallende Rauchgasentschwefelungsanlagengips (REA-Gips) weg, und damit etwa 50 % der derzeit zur Verfügung stehenden Gipsmengen. Um den jährlichen Bedarf an Gips von etwa 10 Mio. Mg vorwiegend aus dem Baubereich weiterhin bedienen zu können und gleichzeitig die Abbaumenge von Naturgips möglichst zu reduzieren, gilt es alternative Gipsquellen zu erschließen. Aus diesem Grund bekommt das Recycling von gipshaltigen Abfällen eine große Bedeutung [1].
Aktuell werden hauptsächlich Standard-Gipsbauplatten recycelt. Dabei wird der Gips vom Karton getrennt und in der Gipsindustrie verwertet, während der Karton der energetischen Verwertung zugeführt wird. Weitere Gipsplattentypen mit speziellen Eigenschaften, wie Feuchtraumplatten, Feuerschutzplatten oder Gipsfaserplatten, werden aufgrund von Zusatzstoffen bzw. ihrer Zusammensetzung i. d. R. nicht recycelt [1]. Ein innovatives Recyclingkonzept soll die Verwertung des Gipses als auch des Faserstoffs aller zuvor genannten gipshaltigen Abfälle in Gipsfaserplatten ermöglichen. Im Rahmen des vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW geförderten Promotionskollegs Verbund NRW2 wird gemeinsam mit der Firma Lindner Norit in einem Forschungsprojekt untersucht, welchen Einfluss die genannten Recyclingmaterialien auf die Produktfestigkeit von Gipsfaser-Doppelbodenplatten haben. Dazu wurden zunächst verschiedene dieser Platten mit Faserstoffen unterschiedlicher Qualität hergestellt und der Einfluss auf die Produktfestigkeit analysiert. Durch eine Datenanalyse konnte festgestellt werden, dass die Faserlänge, der Holzstoffanteil, der Feinanteil und der Faseranteil von Faserstoffen einen signifikanten Einfluss auf die Bruchlast von Gipsfaserplatten haben. Anhand dieser Daten wurde ein Modell entwickelt, mit dem die Bruchlast auf Grundlage der genannten Variablen ermittelt werden kann [2].
In weiteren Versuchsreihen wird der Einfluss verschiedener Gipsqualitäten auf die Produktfestigkeit sowie auf den Kalzinierungsprozess untersucht. Damit wird die Grundlage geschaffen, um den Anteil an Recyclingmaterial in Gipsfaser-Doppelbodenplatten zu maximieren und flexibel auf variierende Rohstoffeigenschaften reagieren zu können und dabei die geforderte Produktqualität zu erhalten.
Literatur
[1] Buchert M. et al. (2017)Ökobilanzielle Betrachtung des Recyclings von Gipskartonplatten [online]. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/oekobilanzielle-betrachtung-des-recyclings-von [Zugriff am: 29. Juni 2021]
[2] Walica, W. et al. (2023) Einfluss von Papier- und Fasereigenschaften auf die Armierungswirkung in Gipsfaserplatten [online]. Müll und Abfall, Ausgabe 10. Berlin: Erich Schmidt Verlag. https://muellundabfall.de/ce/einfluss-von-papier-und-fasereigenschaften-auf-die-armierungswirkung-in-gipsfaserplatten/detail.html [Zugriff am: 31. Oktober]
Autor:innen
Wojciech Walica
Prof. Dr.-Ing. Sabine Flamme
IWARU – Institut für Infrastruktur, Wasser, Ressourcen und Umwelt, FH Münster