Europa hat sich das ehrgeizige, aber zugleich notwendige Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Für die Baubranche stellt diese Vorgabe, die auch rechtlich verankert ist, eine Riesenherausforderung dar, entfällt auf sie doch ein massiver Anteil der CO2-Emissionen. Zu den enormen Herausforderungen, vor denen die Branche steht, gehören bspw. die Entwicklung und Nutzung nachhaltiger Baustoffe, eine effizientere Gestaltung des Energieverbrauchs sowie die Produktion von weniger Abfall. Doch wie lässt sich diesen Problemen und Herausforderungen konkret begegnen? In Folge #9 des bSD Talk – der Podcast von buildingSMART Deutschland – mit dem Titel BIM, Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit besprechen buildingSMART-Vorstandschef Prof. Dr. Cornelius Preidel und Kasimir Forth von der Technischen Universität genau diese Frage. Außerdem stellen die beiden Experten digitale Methoden und Technologien als Möglichkeiten zur Unterstützung der Zielerreichung vor.
So kann mit dem BIM-Einsatz bspw. im Rahmen der Ökobilanzierung eine Massenermittlung abgeleitet werden, die nicht nur für Kostenschätzungen automatisiert werden kann, sondern auch für die Ökobilanzierung. Mit Blick auf kreislauffähiges Bauen lassen sich aus BIM-Modellen zudem Informationen zur Verbindung von Konstruktionen und deren Rückbau hinterlegen.
Allerdings gibt es auch Herausforderungen, die es noch zu bewältigen gilt. Kasimir Forth nennt im Podcast u. a. unterschiedliche Arbeitsabläufe, wie die Ökobilanzierung abgeleitet werden kann: manches Mal werden die Modelle bereits mit Ökobilanzdaten hinterlegt, manches Mal werden sie erst später auf Basis eines IFC-Modells mit den entsprechenden Daten angereichert. Grundsätzlich gibt es nach seinen Aussagen aber zwei wesentliche Herausforderungen. So sind erstens die Modelle in frühen Projektphasen meist noch nicht reif genug, zweitens fehle eine gewisse Grundbildung – Grundbildung in Bezug auf BIM-Methoden bei den Nachhaltigkeitsexperten, aber auch Grundbildung der BIM-Manager für Nachhaltigkeitsanalysen und -anforderungen.
Um alle am Bau Beteiligten ins Boot zu holen – von der Planung über Betrieb und Rückbau bis hin zu den Auftraggebern –, beschäftigte sich Kasimir Forth in einem Forschungsprojekt außerdem mit Natural Language Processing, um die in den Modellen hinterlegten Informationen automatisch zu mappen. Bedeutet: Der manuelle Anreicherungsprozess mit der Zuordnung von Ökobilanzdatensätzen zu IFC-Materialien oder IFC-Elementen wird mit einer Ökobilanzwissensdatenbank automatisiert. In dieser Datenbank können Informationen hinterlegt sein, die so noch nicht modelliert wurden. Damit kann etwa die Beschaffungsabteilung früh in den Entscheidungsprozess über z. B. verwendete Materialen eingebunden werden. Welche Mindestanforderungen in Modellen dafür bereits hinterlegt sein müssen, erläutert Kasimir Forth in der Podcast-Folge.
Prinzipiell funktioniert die künstliche Intelligenz, also das Large Language Model, aber so, dass sie semantische Ähnlichkeiten identifiziert – jeder Begriff, jedes Material oder Element aus einem IFC-Modell wird mit der Wissensdatenbank verglichen. Dieses Matching funktioniert bereits ziemlich gut, so Kasimir Forth, und kann damit früh in Projekten die Nachhaltigkeit des gesamten Bauvorhabens beeinflussen.
Die gesamte Podcast-Folge BIM, Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit kann hier angehört werden:
Ein Video zum Projekt Automatisierte LCA-Berechnung in frühen Phasen durch NLP-basiertes semantisches Heilen von IFC-Modellen kann hier angesehen werden: