Beton kann den CO2-Fußabdruck des Bauens deutlich senken
Der aktuelle Einbruch im Wohnungsbau macht es noch deutlicher: Bauen ist kein Selbstläufer mehr. Merklich gestiegene Materialkosten, entfallene Förderungen, ein höheres Zinsniveau und deutlich zunehmende regulative Anforderungen, auch an die Nachhaltigkeit des Bauens, bergen ein für viele nicht mehr akzeptables Risiko und schrecken Investoren, insbesondere mit privatem Kapital, vom Bauen ab.
Baustoffbewertung – Fakten statt Ideologie
Auch die Wahl der Baustoffe scheint zur Glaubensfrage geworden zu sein. Architekten überbieten sich mit Bekenntnissen zum Holzbau, der schon allein unter der Betrachtung eines CO2-Bindungspotenzials als vorteilhaft oder gar klimaneutral betrachtet wird. Dabei zeigen aktuelle Studien wie die des World Resources Institute an der Princeton University, dass die weltweite industrielle Holzernte 3,5–4,2 Mrd. t CO2-Äquivalent verursacht [1], damit mehr als 10 % der weltweiten CO2-Emissionen und somit noch deutlich höher als die rd. 7–8 % der weltweiten Zementproduktion, die den medial verfestigten Klimakiller Beton damit auf den – ebenfalls eher unrühmlichen – Platz 2 der umweltschädlichen Baustoffe verweist.
Der Anteil des Holzbaus in Deutschland am Gesamtbauvolumen beträgt aktuell knapp 4 %, gleichzeitig hat Deutschland bereits heute einen Holzimportüberschuss von rd. 15 %, auch weil wir einen Großteil des Holzes verbrennen, z. B. in Pelletheizungen. Aber auch das Abbruchholz am Ende des Baulebenszyklus muss aktuell zu rd. 85 % verbrannt werden, mit besonders hohem CO2-Ausstoß.
Der Baustoff Beton und das Bauen mit Betonbauteilen müssen sich trotzdem an die eigene Nase fassen und alle Maßnahmen einleiten und umsetzen, die tatsächlich den Fußabdruck verbessern. Denn nur, wenn der weltweit mit Abstand meistverwendete Baustoff – Beton – sich sehr schnell nachhaltiger entwickelt, kann der größte Hebel zur CO2-Reduzierung genutzt werden.
Das Bauen mit Zement und Beton verändert sich …
Der Bauboom der letzten zwölf Jahre in Deutschland hat nicht unbedingt die Kreativität beim Bauen mit Beton gefördert: Das Schalen dicker Wände auf der Baustelle und das Verkleben mit vielen Schichten an Wärmedämmverbundsystemen haben die gesetzlichen Anforderungen der EnEV erfüllt, aber ressourcenschonend sieht anders aus. Deshalb müssen die Potenziale der Art des Bauens mit Beton besser genutzt werden: vorgefertigte Betonbauteile können im Werk per se schlanker konzipiert werden, und allein mit intelligenter Vorfertigung (z. B. Fertigteilwände und Rippendecken statt Massivwände und Flachdecken) können bei einer Immobilie mit einer BGF von 3800 m² rd. 157 t CO2, also rd. 40 % gegenüber der Ortbetonbauweise eingespart werden [2].
Dazu kommen neue CEM-II- und CEM-III-Zemente in den Markt, die den Fußabdruck des Hauptverursachers Zement um 30–50 % senken können. Der Einsatz von carbonbewehrten Betonbauteilen wird durch die noch in 2023 erwartete Richtlinie des DAfStb Nichtmetallische Bewehrung einen Anwendungsschub erhalten, denn damit sind Querschnittreduzierungen um mehr als 50 % und CO2-Einsparungen um bis zu 70 % möglich. Auch die Digitalisierung mit neuen Technologien macht den Einsatz neuer und zementreduzierter Betone leichter und anwendungssicherer. Schöne Beispiele sind alcemy mit KI-gesteuerter Zement- und Betonherstellung oder Sonocrete mit Betonfrüherhärtung durch Hochleistungsultraschall.
… und am Ende wird Carbon Capture helfen
Die letzten rd. 50 % des prozessbedingten CO2-Ausstoßes bei der Zementherstellung werden mit bereits am Markt verfügbaren Carbon-Capture-Technologien aufgefangen, eingelagert oder weitergenutzt. Erste Full-Scale-Anlagen gehen 2024 in Betrieb. In Deutschland skeptisch beäugt, hat die Politik in Form des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) u. a. Kooperationen mit Norwegen geschlossen, die sich bereithalten, alles aufgefangene CO2 Europas für die nächsten 1000 Jahre mit einer entstehenden Transportinfrastruktur in leeren Öl- und Gaskavernen sicher einzulagern.
Die Politik kann jetzt schon die richtigen Rahmenbedingungen setzen
Im Augenmerk der Politik sollten die Anwendungsfelder liegen, die am schnellsten den größten Hebel zur CO2-Reduzierung bieten. Bei ökobilanziellen Lebenszyklusbetrachtungen sollten Lebensdauern von mindestens 100 Jahren für Beton angesetzt werden, weil dies effektiv möglich ist und die tatsächliche Nachhaltigkeit von Betonbauten widerspiegelt. Die heute üblichen 50 Jahre Lebensdauer werden eher den weniger robusten oder langlebigen Leichtbauweisen gerecht werden. Dies würde vielfach mineralische Baustoffe gegenüber dem Leichtbau gleichstellen, weil mineralische Baustoffe ihre Langlebigkeit im Wettbewerb seit Langem nachgewiesen haben.
Die Wiederverwendung ganzer Bauteile oder die vollständige Recyclingfähigkeit muss ein Ausschreibungskriterium werden. Wenn neu gebaut wird, dann muss neben einer langen Lebensdauer bereits bei der Planung die Kreislauffähigkeit der maßgeblichen Konstruktionselemente im Mittelpunkt stehen. Betonbauteile, insbesondere vorgefertigte, stellen sich dieser Anforderung schon heute mit Erfolg.
Die Grenzwerte für CO2 müssen fair bemessen werden. Der aktuell vom BMWK seit Januar 2023 verschärfte CO2-Anforderungswert für die Förderfähigkeit von 24 kg CO2e/m²a (auf 50 Jahre Laufzeit bemessen) wird von mineralischen Bauweisen wie Leichtbeton-Mauersteinen oder -wänden gut eingehalten. Bei einer angemessen langen Lebensdauer von 100 Jahren kann dieser Wert auch weiter abgesenkt werden, dazu ist die Betonbranche bereit.
Nicht berücksichtigt werden darf heute allerdings – unverständlicherweise – das Reduktionsvolumen durch die Klimaneutralstellung von Produkten, auch wenn diese mit Premium-Zertifikaten mit strengsten Kontrollen versehen sind. Dieses Engagement, das heute zahlreiche Hersteller mineralischer Bauprodukte zeigen, verpufft damit ein gutes Stück weit, da es von Auftraggebern nicht berücksichtigt werden darf, so wird insgesamt die Durchsetzung im Markt von der Politik blockiert.
Technologieoffenheit statt Wettbewerbsverzerrung
Das Bauen muss durch den nachhaltigen Einsatz aller Baustoffe einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Einseitige Förderungen einzelner Baustoffe wie Holz führen jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen, die rationale und nachhaltige Entscheidungen verhindern. Dadurch wird gerade dort, wo der größte Hebel zur CO2-Reduktion beim Bauen besteht, nämlich beim Baustoff Beton, noch viel zu wenig angesetzt.
Das BMWK fördert hierbei allerdings weitsichtig mit seinem Referat Bauwirtschaft bzw. Leichtbau gezielt schlanke Betonbauweisen wie Carbonbeton. Hier ist der Blick bereits nach vorne gerichtet. Innerhalb des Betonbaus sollten allerdings ressourcenminimierende Technologien wie die Vorfertigung gezielt in Ausschreibungen einfließen, denn diese Maßnahme ist kostenneutral und unmittelbar nachhaltigkeitsfördernd.
Literatur
- Peng, L.; Searchinger, T. D.; Zionts, J. et al. (2023) The carbon costs of global wood harvests. Nature 620, pp. 110–115.
https://doi.org/10.1038/s41586-023-06187-1 - Penz, T. (2023) Serielle und modulare Systembauweise – ein Beitrag zum nachhaltigen Bauen mit Beton [Vortrag].
67. BetonTage. Ulm, 20.–22. Juni 2023.
Autor:innen
Friedrich Gebhart, Diplom-Wirtschaftsingenieur, Familienunternehmer, dessen Firmengruppe in der dritten Generation Leichtbeton-Mauersteinsysteme (heute mit Klimaneutralstellung), Pflastersteinsysteme und Maschinen zur Steinbearbeitung im württembergischen und bayerischen Allgäu herstellt und mit eigenem Ingenieurbüro nachhaltige, energieeffiziente Planung voranbringt.
Präsident Fachverband Beton- und Fertigteilwerke
Baden-Württemberg e. V., Ostfildern
Dr. Ulrich Lotz, Diplom-Ökonom, seit fast 30 Jahren für die Beton- und Fertigteilindustrie auf regionaler, deutscher und europäischer Ebene als hauptamtlicher Geschäftsführer, Leiter von Gremien und Ausrichter von Europas größtem Branchenkongress BetonTage für das nachhaltige Bauen mit Beton und vorgefertigten Betonbauteilen engagiert.
Geschäftsführer Fachverband Beton- und Fertigteilwerke
Baden-Württemberg e. V., Ostfildern
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