Sieger der DGNB Sustainability Challenge 2023 Innovation
Biobasierte Materialien erleben in der Bauwirtschaft einen Innovationsschub. Kein Wunder, angesichts knapper werdender Ressourcen und der Diskussion um CO2-Emissionen. Das Münchner Unternehmen Smarter Habitat setzt auf expandiertes Biogranulat aus Industriemais und erschließt mit seinen Leichtbauplatten vielfältige Anwendungsfelder.
Bei der Entwicklung der pflanzenbasierten Platten stand die Georg-August-Universität Göttingen Pate. Die Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie forscht seit Jahren an alternativen Rohstoffen für Holz und Kunststoff. Mais erwies sich dabei aufgrund seiner strukturgebenden und dimensionsstabilen Eigenschaften als besonders spannend. Für die patentierten Entwicklungen der Universität Göttingen sicherte sich das Unternehmen Smarter Habitat die Lizenzen und baut nun eine Pilotfabrik in Ramstein auf.
Damit aus dem Mais ein bauschaumartiger Werkstoff entsteht, wird dem Korn zunächst die Stärke entnommen. Proteine und Öle können in anderen Industriebranchen weiterverwendet werden. Aus der Stärke entstehen durch thermische Behandlung 2–6 mm große gepuffte Kügelchen – eine Art Popcorn –, die mit Bindemitteln versetzt und gepresst werden. Je nach gewünschten technischen Eigenschaften (Festigkeit, Wärmedämmung, Schallschutz) stellt Smarter Habitat die Platten in unterschiedlichen Rohdichten her. Bemerkenswert sind die Brandschutzeigenschaften, die durch ein neues, biobasiertes Flammschutzmittel erreicht werden: Erste Versuche zeigen, die Platten halten einer Temperatur von 850 °C für 60 min stand.
Das neuartige Baumaterial kann geschäumte Materialien aus fossilen Rohstoffen ersetzen, bspw. in Füllungen für Türen, Dach- und Wandelemente. Konkrete Anfragen von Industrieunternehmen liegen bereits vor.
Trockenbauwände aus Mais und Naturfasern
Ein Schlüsselprodukt von Smarter Habitat sind die Trockenbauwände als Alternative zu Gipskartonplatten. Ein großes Marktsegment, für die das junge Unternehmen Sandwichelemente in Leichtbauweise entwickelt. Die Platten aus Maisgranulat werden dazu mit Laminaten aus Naturfasern kombiniert. Letztere werden zu einem Vliesfilz verarbeitet, mit einem Harzsystem imprägniert und unter hohem Druck zu dünnen, hochfesten Platten verpresst.
Hinter der Entwicklung dieser Laminate stehen das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen und die C3 Technologies GmbH in Halle. Die material- und verfahrenstechnischen Grundlagen für die industrielle Herstellung wurden gemeinsam in mehrjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten gelegt.
Die Prototypen des Trennwandsystems, die aktuell bei Smarter Habitat entwickelt werden, zeigen vielversprechende Eigenschaften in puncto Schalldämmung (je nach Rohdichte), Brandschutz (Klasse B1, schwer entflammbar), Rauchentwicklung (S1, keine/kaum Rauchentwicklung) und Brandverhalten (d0, kein Abtropfen/Abfallen). Je nach verwendetem Bindemittel liegt die Wasseraufnahme des Paneels unter 0,5 % in 24 h. Der Zuschnitt der Elemente ist übrigens mit üblichen Holzsägewerkzeugen möglich. Die Montage der Module geht schnell vonstatten.
Damit die Produktion der biobasierten Platten in die breite Umsetzung gehen kann, wirbt das Unternehmen nun Kapital ein. Smarter Habitat freut sich über eine direkte Beteiligung ebenso wie über eine Investition am – von der BAFIN genehmigten – Crowdfunding.
Erdbeben als Auslöser für die Gründung
Den Impuls für die Gründung des Unternehmens bekam Datty Ruth, Geschäftsführer von Smarter Habitat, als er Haiti zwei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben besuchte. Unter dem Eindruck des Trümmerfelds, in dem viele Tausend Menschen ihr Leben gelassen hatten und Millionen obdachlos geworden waren, entstand die Vision, sichere, preiswerte und umweltfreundliche Unterkünfte zu entwickeln und in der Breite verfügbar zu machen. Die langfristige Perspektive von Smarter Habitat ist es, in ausgewählten Regionen der Welt einfache Häuser anzubieten. Ein Prototyp ist bereits entwickelt.
Smarter Habitat
www.smarter-habitat.com