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BIM & Lean Construction am Beispiel Gasometer Berlin
Building Information Management (BIM) kombiniert mit Lean Construction verschlankt und beschleunigt Prozesse am Bau und reduziert Verschwendung. Mit beiden Methoden saniert WOLFF & MÜLLER den Gasometer auf dem Berliner EUREF-Campus und errichtet im Inneren des Industriedenkmals ein Bürogebäude.
Bauen ist energie- und materialintensiv. Umso relevanter ist, wie die Baubranche zum Klimaschutz beitragen kann. Deshalb ist es wichtig, möglichst gut und störungsfrei zu bauen und Verschwendung zu vermeiden. Nicht zuletzt aufgrund der von Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erarbeiteten Strategie für den Holzbau ist das serielle, modulare Bauen mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz in aller Munde. In kürzester Zeit lassen sich damit ganze Gebäude aus vorgefertigten Modulen errichten. Mit digitalen Methoden wie Building Information Management (BIM) entstehen die Bauwerke zuerst als virtuelles Modell und dann erst real. Dabei wird der Ressourceneinsatz genau kalkuliert. Auch die Bauprozesse sollten so schlank und energiesparend wie möglich gestaltet werden. Lean-Methoden helfen dabei, Abläufe auf der Baustelle möglichst effizient zu steuern, wie das Großprojekt Gasometer auf dem Berliner EUREF-Campus zeigt. Mit dem konsequenten Einsatz von BIM und Lean Construction lassen sich auch hier Energie und Ressourcen einsparen.
Jedes Bauwerk ist ein Unikat. Das gilt insbesondere für das Industriedenkmal Gasometer in Berlin-Schöneberg. Sein Gerüst hat das Stuttgarter Bauunternehmen WOLFF & MÜLLER saniert und baut das Innere nun schlüsselfertig als Bürohaus für 2000 Personen aus. Um das komplexe Großprojekt in nur zwei Jahren, bis Ende 2023, termin- und kostensicher realisieren zu können, setzt das Bauunternehmen u. a. auf BIM und verschiedene Lean-Methoden. Alle Beteiligten arbeiten mithilfe von BIM an einem virtuellen Modell des Bauwerks und reichern es im Laufe des Projekts mit immer mehr Daten an, bis ein Digitaler Zwilling entsteht. BIM bedeutet ein besseres Informationsmanagement, denn das Modell ist die Basis für die gesamte Kommunikation, Koordination und Kollaboration im Projektteam. Auch die Philosophie des Lean Managements wird beim Gasometer-Projekt eingesetzt. Mithilfe von auf die Bauwirtschaft zugeschnittenen Anwendungsfällen aus dem Lean Construction – das auf die Bauwirtschaft zugeschnittene Lean-Prinzip – geht es darum, die Prozesse auf der Baustelle zu verschlanken, Probleme möglichst früh transparent zu machen und Verschwendung zu vermeiden. Beim Gasometer kommen das Last Planner System, die Taktplanung und -steuerung sowie das Shopfloor Management zum Einsatz.
Außen Denkmal, innen neu
Der Gasometer ist ein Wahrzeichen Berlins und das Markenzeichen des EUREF-Campus, ein 5,5 ha großes Büro- und Wissenschaftsquartier im Herzen der Bundeshauptstadt. Auf dem ehemaligen Gelände der städtischen Gaswerke arbeiten, forschen und lernen heute mehr als 5000 Menschen. Auftraggeber für die Sanierung des Stahlgerüsts und den Neubau des inneren Bürogebäudes ist die DENKMALplus Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Erste Berlin KG, ein Tochterunternehmen der EUREF AG. Sie investiert insgesamt rd. 200 Mio. Euro in das Projekt. In den Neubau wird 2024 die Digitalsparte der Deutschen Bahn mit 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einziehen. Der grüne Stahlmantel, also der untere Teil des Gasometers, wird zum Konferenzbereich mit Hörsaal und damit zum Forum des EUREF-Campus. Auf der obersten Ebene wird eine Skylounge mit Terrasse errichtet, die öffentlich mittels eines Event-Aufzugs zugänglich ist und einen Blick über Berlin bietet.
Die Zweigniederlassung Berlin von WOLFF & MÜLLER, die ihren Sitz auf dem EUREF-Campus hat, und die Niederlassung Dresden realisieren das Projekt gemeinsam. Das Projektteam muss alle An- und Abfahrten sowie die Materialtransporte so planen, dass der Campus so wenig wie möglich beeinträchtigt wird und auch die vertikalen Zuwege innerhalb des Hochhauses gesichert sind. Das Bauteam errichtet nicht nur den Rohbau, sondern saniert das Gerüst des Gasometers denkmalgerecht.
Informationen, zentral für alle Beteiligten
Mit BIM steht allen an einem Bauprojekt Beteiligten ein gemeinsames Datenmodell zur Verfügung. Dank der digitalen Aufbereitung sind Pläne, Abläufe oder Mengenberechnungen für das gesamte Projektteam zugänglich, veränderbar und visualisierbar – und alle Daten sind auch langfristig an einem einzigen Platz aufbewahrt (Single Source of Truth). Besonders die 3D-Visualisierungen überzeugten das Gasometer-Projektteam in so unterschiedlichen Bauphasen wie der Rohbauplanung, der TGA-Planung oder in der Bauausführung. Denn sie zeigen jederzeit den Istzustand und erlauben, auch den Baufortschritt visuell erfahrbar zu machen, Änderungen einzuarbeiten, Mengenberechnungen zu variieren oder Kollisionen offenzulegen. Visualisierungen werden deshalb oft bei Besprechungen mit dem Bauherrn oder dem Architekten eingesetzt und für ihre Anschaulichkeit geschätzt. Doch das Modell enthält neben der 3D-Geometrie viele weitere Informationen, etwa Aufbau und Materialien der Bauteile. Per Knopfdruck lassen sich genaue Mengen oder auch Kosten und Dauer der einzelnen Bauleistungen ermitteln.
WOLFF & MÜLLER nutzt BIM seit 2008 in immer größerem Umfang und ist von den Vorteilen der Methode überzeugt. Beim Gasometer-Projekt steuerten verschiedene Partner ihre BIM-Fachmodelle bei: die Architekten EC-EUREF Consulting, das Ingenieurbüro MVD als Tragwerksplaner, das Dresdner Ingenieurbüro Klemm als Fachplaner für Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik sowie das Ingenieurbüro IBR Berlin als Planer für die elektrischen Anlagen. Alle Beteiligten wurden dafür im Rahmen von Workshops frühzeitig eingebunden. So gab es etwa für die externen Partner einen BIM-Planer-Workshop, geleitet vom BIM-Manager des Bauprojekts und unterstützt vom BIM-Koordinator aus der Niederlassung. Unter anderem übermittelte das Bauunternehmen dabei auch seine Anforderungen und Erwartungen an das BIM-Projekt, inkl. der Standards für die gemeinsame Arbeit. Der BIM-Koordinator führte schließlich die von den einzelnen Fachplanern aufgesetzten Modelle in der Softwarelösung Desite zusammen. Parallel dazu spielte der Planungskoordinator die Modelle in der webbasierten Plattform Dalux ein, einem BIM-Tool für die Anwendung auf Baustellen. Das BIM-Modell ist sowohl online als auch mittels Software über einen Server zugänglich. Um die Qualität des BIM-Modells zu sichern, überprüfen die BIM-Koordinatoren von WOLFF & MÜLLER regelmäßig seine Qualität.
Schlanke Prozesse beim Gasometer-Projekt
Lean Construction passt zum Grundsatz von WOLFF & MÜLLER, nachhaltig und möglichst verschwendungsfrei zu planen und zu bauen. Mit Verschwendung ist im Zusammenhang mit Lean der nicht wertschöpfende Teil der Arbeit gemeint, etwa Suchprozesse und Wartezeiten auf der Baustelle. Ein terminlich anspruchsvolles und komplexes Sanierungs- und Neubauprojekt wie der Gasometer eignet sich gut, um die Methode für verschiedene Anwendungen einzusetzen. Unterstützt von Kollegen aus dem zentralen Team für Bauprozesse und Lean Management bei WOLFF & MÜLLER sowie der lokalen Lean-Koordinatorin der Niederlassung definierte das Baustellenteam zunächst in Workshops die entsprechenden Arbeitsgruppen für die Anwendungsfälle Last Planner System, Taktplanung und -steuerung und Shopfloor Management. Für jede dieser Arbeitsgruppen gibt es einen verantwortlichen Leiter aus dem Gasometer-Team. In Schulungen vermittelte das zentrale Lean-Team schließlich allen Beteiligten, wie sie die Anwendungsfälle vor Ort beim Gasometer zielführend einsetzen können. Die lokale Lean-Koordinatorin unterstützt bei Bedarf vor Ort und ist regelmäßig auch für Audits auf der Baustelle, um die Qualität der Umsetzung der verschiedenen Anwendungsfälle zu sichern. Die positiven Erfahrungen mit auf die Bauwirtschaft zugeschnittenen Lean-Management-Anwendungsfällen zeigen, dass transparentes Informationsmanagement und gemeinsames Planen und Bauen im Team, besonders über Hierarchiegrenzen hinweg, zu schlanken und damit verschwendungsarmen Prozessen führt.
Besser bauen
BIM und Lean Construction machen Bauen effizient, verschlanken also die Abläufe beim Planen und in der Ausführung, verhindern Verschwendung und erhöhen die Planungssicherheit. Durch die verbesserte Kommunikation arbeitete das Gasometer-Bauteam reibungslos zusammen. Neue Methoden erzeugen jedoch teils auch Widerstände, weil nicht alle Baubeteiligten von Anfang an die Vorteile sehen. Entscheidend für den Erfolg ist daher, dass alle Baubeteiligten frühzeitig eingebunden werden.
Vanessa Flauaus, Carsten Hofmann, Zeynep Kaplan,
Margarita Ruschke