Zeitenwende im Betonbau – nomen est omen?

Ulmer BetonTage mit einem Hauch von Aufbruchstimmung

Zeitenwende im Betonbau – so waren die 67. Ulmer BetonTage überschrieben. Nachdem das Branchentreffen der Beton- und Fertigteilindustrie im vergangenen Jahr eher mit Ihr könnt ja sowieso nicht ohne uns zusammengefasst werden konnte, war die Erwartung diesmal gering. In Zeiten des Klimawandels und vor dem Hintergrund endlicher Ressourcen steht die Bauindustrie zunehmend im Visier der Öffentlichkeit – hieß es immerhin in der Einladung zum Pressegespräch. Was bedeutet das konkret?

Vorher war noch der bereits zum dritten Mal in Folge als Keynote-Speaker eingeladene Nestor des konstruktiven Betonbaus zu hören, Prof. Manfred Curbach von der TU Dresden, der 100 neue Ideen für das Bauen, die beschleunigte Zulassung und Normung sowie eine Änderung der Studienordnung und Weiterbildung der Praktiker:innen forderte, weil der Klimawandel sich beschleunige und es inzwischen Sekunden vor zwölf sei. „Uns steht der größte Wandel im Bauwesen bevor, den wir je hatten“, so Curbach.

Prof. Bernd Raffelhüschen (Universität Freiburg), Prof. Manfred Curbach (TU Dresden), Friedrich Gebhart (Fachverband Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg) und Dr. Ulrich Lotz (FBF Betondienst)
Quelle: Bernhard Hauke

Dann das Pressegespräch mit Prof. Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg und Prof. Curbach sowie mit Friedrich Gebhart vom Fachverband Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg und Gastgeber Dr. Ulrich Lotz vom FBF Betondienst. Im wenig sympathischen Duktus des Volkswirtschaftlers stellte Prof. Raffelhüschen fest, dass – ob der Gaußschen Normalverteilung – zwei Siebtel der Studierenden deutlich unterbefähigt seien, und forderte entsprechend bei der notwendigen Zuwanderung auf junge und qualifizierte Personen zu setzen sowie einen Nachzug ihrer Eltern auszuschließen. Gemeint war das wohl als Beitrag zu Fachkräftemangel und demografischem Wandel.
Manfred Curbach forderte, die Effizienz des Bauens deutlich zu steigern und entsprechend in Forschung und Entwicklung zu investieren. „Wir wollen CO2-neutral bauen“, ergänzte Friedrich Gebhart, berichtete von einem entsprechenden Wandsystem und beschwerte sich gleichzeitig, dass die Politik den Neubau diskreditiere. Auf Nachfrage erzählte er von CO2-armem Beton, alternativen Bindemitteln und einer komplett umgestellten Produktion mit 20 % weniger CO2-Emissionen, die aber aktuell noch 10 % mehr koste. Bei all dem fehle die Unterstützung auch der lokalen Politik. Dr. Lotz wies auf die in Ulm vorgestellte neue Richtlinie Nichtmetallische Bewehrung hin, mit der zumindest für Carbonbeton ein Rechtsrahmen geschaffen werde.
Im Laufe der dreitägigen Veranstaltung gab es eine Vielzahl an weiteren Vorträgen zur angekündigten Zeitenwende im Betonbau. Die Beton- und Fertigteilindustrie, so scheint es, hat die Aufgabe verstanden und angenommen, die Prof. Curbach eingangs skizziert hatte: Klimaschutz, CO2-Neutralität & Co. Auf dem Weg dahin, der Zeitenwende also, wünscht sich die Betonbranche bei den Rahmenbedingungen mehr Unterstützung der großen Politik; bspw. ein degressives CO2-Budget pro m2, wie es das in Dänemark oder Frankreich bereits gibt. Das klingt nach einem Wettbewerb der Ideen zugunsten des Klimas, der sich dann auch lohnen würde – Klara Geywitz, Robert Habeck, bitte übernehmen.
Also unter dem Strich eine positive Überraschung. Gibt es nun also wirklich eine Zeitenwende im Betonbau? Nötig ist sie, und mehr als schöne Worte zählen konkrete, niedrige CO2-Zahlen in der Gesamtbilanz. In der nbau 5/2023 wollen wir es wissen und lassen die Ulmer Betonköpfe zu Wort kommen.

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