5 Thüringer Wald
„Es gibt keine Reste in der Holzwirtschaft, es wird alles kaskadisch verwertet.“ Dieser Meinung ist ein Forstwirtschaft-Professor der FH Erfurt. Geäst, Nadeln, Baumkronen und alles, was befallen oder keine Fichte ist, wird im Wald zurückgelassen. Weitere rd. 40 % werden bei der Verarbeitung im Sägewerk zu Subprodukten wie Zellstoff, Dämmmaterial, Sägespäne oder Hackschnitzel verarbeitet, der größte Teil sogar verbrannt. Ein enorm riesiges Potenzial, für welches es bessere Lösungen zu entwickeln gilt! Unser Kommilitone Dominik hat eines der größten deutschen Sägewerke in Saalburg Ebersdorf im Dreiländereck besucht und durfte sich von der Ausschussware einige Kubikmeter zur Bauhaus-Universität liefern lassen. Er hat es großzügigerweise mit uns geteilt.
Bis zu 12.000 m3, umgerechnet ca. 528.000 kg feinstes Thüringer Fichtenholz fallen jährlich als Restholz in einem mittelständigen Sägewerk an (Bild 1). Konstruktionsvollholz, welches nicht exakt der Norm entspricht, wird ausgemustert und ohne Nachdenken über Alternativen verbrannt.
Eines der größten deutschen Sägewerke hat seinen Standort in Saalburg-Ebersdorf im Dreiländereck Bayern/Sachsen/Thüringen. Mit ca. 400 Mitarbeiter:innen zählt das Unternehmen zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region. Dominik ist dort zu Besuch gewesen und hat gesehen, wie ein Holzvollernter sich systematisch durch den Wald arbeitet. Abseits der gewöhnlichen Forstwege gehen zugewucherte Harvester Straßen ab, welche mit einer großen Erntemaschine befahren werden. Diese nimmt immer doppelt so viel Abstand wie Länge, so können bei einer Kranreichweite von 10 m Flächen mit Gassen in Abständen von 20 m bearbeitet werden. Um möglichst wenig Waldboden zu verdichten, werden abgestreifte Äste als Polster auf den Weg gelegt. Dann wird gefällt, entastet und geteilt. Schon in diesem Schritt trennt sich das nutzbare Holz vom Abschnitt (Bild 2). Blauschimmel, Äste, Nadeln, Baumkronen und alles, was nicht Fichte ist, wird im Wald zurückgelassen und kann so verrotten, wieder in den Kreislauf finden und zu Humus werden. Auch im Werk fällt eine riesige Menge an Ausschussware an. Alles, was sich beim Trocknen verzieht, einreißt oder Produktionsfehler aufweist, ist unverkäuflich und gilt als Abfall. Holz, an das keiner mehr glaubt. Angeblich nicht genug, um das hauseigene effektive Holzkraftwerk anzutreiben, daher wird auch alles aus der Umgebung verbrannt. Holz des Thüringer Waldes, vom Fichtel- sowie Erzgebirge und aus dem Wald in Sachsen-Anhalt. Auch wenn umweltfreundlicher als fossile Brennstoffe, setzt die Verheizung das gespeicherte CO2 im Holz wieder frei. Immerhin 3,7 m3 haben es nach Weimar geschafft und sind dem elenden Kreislauf entkommen (Bild 3).
6 Dorfner Werkstatt
„Umbau und Sanierung des Denkmals zu Studentenapartments, Café und Verkaufshop“, steht auf einem kleinen Baustellenschild im Schaufenster. Wir rufen an und haben just einen Besichtigungstermin in Aussicht. Das Architektur- und Investor Paar Stevens kommt extra aus Erfurt gefahren, verbindet unser Treffen aber auch mit Spaziergang und Broteinkauf. Als hauseigener Bauherr und federführende Bauleiterin ergänzen sich die beiden gut.
Aufmerksam schreiten wir gemeinsam durch die bedeutsamen Räume in der Erfurter Straße. Das Gebäude von 1860 war lange Zeit Wirkungsstätte des Buchbinders Otto Dorfner, einer der renommiertesten Einbandkünstler des 20. Jahrhunderts. Hier konnte er u. a. zusammen mit Paul Klee Grundlagen für moderne Buchkunst setzen und viele Hunderte Buchbinder:innen ausbilden. Heute stehen viele seiner weltweit geschätzten Einbände in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek aufbewahrt, so die von ihm kunstvoll eingebundenen Ausgaben der Faust-Sammlung, eine repräsentative Reihe der Cranach Presse und Werke von Henry van de Velde. Nach seiner Zeit wurden die Werkstätten zunächst durch die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und bis 2011 als Ausbildungsort der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle genutzt. Von dort an als temporärer Ausstellungsort bespielt und zuletzt durch eine zehnstündige Hausbesetzung bekannt, wartet sie nun auf eine Sanierung. Mit einem antizipierten Sanierungsvolumen, weitaus viermal so hoch wie der Kaufwert, werden Einzellofts in die ehemals großzügigen Räume der oberen Geschosse geplant (Bild 4). Als Quartett machen wir uns auf die Suche nach potenziell nutzbarem, aber vom Denkmalschutz freigestelltem Material (Bild 5). Wir finden nichts. Das Eichenparkett, ungewöhnlich verlegt für seine Zeit, soll aus Gründen des Schallschutzes ausgetauscht werden. Wenn die Zeit reif ist, dürfen wir wiederkommen. Wir danken für die Führung und das zukünftige Angebot!
Autor:innen
Marie Heyer, Nora Iannone
info@materialgeschichten.org
Bauhaus Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
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