Band 1: Graue Emissionen und Lösungsansätze zum Klimaschutz
Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein (DBV) greift mit dem DBV-Heft 50 Nachhaltiges Bauen mit Beton die Themen Klimaschutz und Klimawandelfolgen auf und bietet Lösungsansätze für nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen mit Beton. Das Thema ist komplex und der DBV zerlegt es in mehrere Bände. Nun ist Band 1 Graue Emissionen und Lösungsansätze zum Klimaschutz zu den Grundlagen für das nachhaltige Bauen mit Beton erschienen. Drei Aufsätze wollen Hintergründe, Zahlen und Lösungsansätze dazu liefern.
Der erste Beitrag von Roland Bechmann und Stefanie Weidner von der Werner Sobek AG liefert eine Übersicht zu grauen Emissionen im Bauwesen und schlägt Strategien zur Verringerung vor. Nachdem festgestellt wird, dass die Tragkonstruktion bei Massivbauten 50–70 % der grauen Emissionen ausmacht, wird nachfolgend auf diese fokussiert. Naheliegend sind Erhalt und Revitalisierung vorhandener Baustrukturen, weil damit oft nur geringe zusätzliche graue Emissionen aufgewendet werden müssen. Im nächsten Schritt können die Bauteile optimiert werden, sodass die tragwerksbedingten Emissionen geringer werden. Maßgebend sind bei Geschossbauten in Massivbauweise Deckenkonstruktionen, Bodenplatte und Gründung sowie die tragenden Innenwände. Weiters wird auch auf Holz (in Kombination mit Beton) und auf Bewehrungsstahl, der ca. 15 % der grauen Emissionen eines Massivbaugebäudes ausmacht, eingegangen. Zu Beton gibt es einen eigenen Aufsatz; hier wird z. B. auf Recyclingbeton oder die CSC-Zertifizierung hingewiesen. Die Baustellentransporte können 5–10 % der gesamten Bauwerksemissionen ausmachen. Wie die Kosten können auch die grauen Emissionen in den frühen Planungsphasen am effektivsten beeinflusst werden.
Im zweiten Beitrag befassen sich Christian Glock et al. von der RPTU Kaiserslautern mit Lösungsansätzen und Anreizen für eine Treibhausgas- und ressourcenreduzierte Betonbauweise. Nach einer hier vielleicht auch lässlichen, allgemeinen Beschreibung der Herausforderungen im Bauwesen folgen Lösungsvorschläge. Die Optimierung der Baustoffherstellung bietet großes Sparpotenzial bei Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbräuchen. Die Optimierung von Entwurf, Tragwerk und Bauteilen wird erneut thematisiert. Neu ist jetzt ein möglicher Verzicht auf Untergeschosse; Systembauweisen ermöglichen eine Ressourcenoptimierung. Viele Einsparpotenziale der Betonbauweise auf Bauteilebene sind lange bekannt, werden aber aus baupraktisch-wirtschaftlichen Überlegungen oft nicht umgesetzt. Der Bestandserhalt mittels Recycling und insbesondere reuse kommt erneut gut weg. Ganzheitliche, digitalisierte Prozesse sind ebenso hilfreich bei entsprechenden Einsparungen. Und last but not least kommt Lehre und Forschung bei einer umweltfreundlicheren Betonbauweise eine große Rolle zu, was an dieser Stelle keine Überraschung ist. Schließlich sollen, damit sich etwas ändert, entsprechenden Anreize geschaffen werden. Dafür wird vorgeschlagen, das Vergütungssystem für Planungsleistungen von Menge auf Effizienz umzustellen. Der ökotechnische Fortschritt wird oft durch Rebound-Effekte wieder aufgezehrt, sodass auch die Fördersysteme umgestellt werden sollten. Langwierige Normungs- und Zulassungsprozesse behindern neue, umweltfreundlichere Bauweisen und Bauprodukte. Die zunehmende ökobilanzielle Bewertung von Bauwerken über deren gesamten Lebenszyklus erlaubt eine gute Abschätzung der jeweiligen Umweltwirkungen. Auch die Ausweitung der CO2-Bepreisung oder die Einführung von CO2-Budgets im Lebenszyklus bzw. auf Bauteilebene sind mögliche Anreize.
Schließlich erläutert Christoph Müller vom VDZ die Dekarbonisierung von Zement und Beton. Bekannt ist inzwischen, dass bei der Herstellung der Zementklinker als Vorprodukt des klassischen Portlandzements nur etwa ein Drittel der CO2-Emissionen aus dem Brennstoffbedarf herrührt, zwei Drittel aber prozessbedingt sind und nur über Carbon Capture and Storage reduziert werden können. Weitere Möglichkeiten sind die Reduzierung des Klinkeranteils bzw. die Verwendung klinkereffizienterer Zemente sowie die Nutzung alternativer Bindemittel. Auch auf effizientere Bauweisen wie Hohldecken, Carbonbeton, additive Fertigung oder Gradienten- und Leichtbeton wird kurz eingegangen. Nachfolgend wird erläutert, was Planer und Ausschreibende heute bereits tun können. Dabei wird auf die oft von den lokal verfügbaren Ausgangsstoffen bestimmte Wechselwirkung von technischer Leistungsfähigkeit und Umweltperformance der verschiedenen Betone eingegangen und auf die BetonBauQualität-Gespräche verwiesen. Abschließend wird auf die Erreichbarkeit der Grenzwerte des Qualitätssiegels Nachhaltige Gebäude QNG Plus und QNG Premium mit der Betonbauweise eingegangen und ebenso auf die Bauausführung mit CO2-effizienten Zementen und Betonen.
Der später erschienene Band 1 des DBV-Hefts 50 Nachhaltiges Bauen mit Beton ist weniger stringent organisiert als Band 2 Quick Wins. Dadurch gibt es teilweise inhaltliche Sprünge und Dopplungen und Band 1 ist weniger praktisch einsetzbar als der zuvor dafür gelobte Band 2. Auch ist nun der Preis im Vergleich zum konkreten Nutzen noch etwas sportlicher. Allerdings, wenn damit mehr Betonprojekte mit deutlich weniger CO2-Emissionen realisiert werden können, sollte sich der Aufwand allemal lohnen.
Nachhaltiges Bauen mit Beton
Band 1: Graue Emissionen und Lösungsansätze zum Klimaschutz
Berlin: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein (2023)
92 S., Softcover, 117,70 Euro