Bauphysik-Kalender 2023

Schwerpunkt: Nachhaltigkeit

Den Bauphysik-Kalender gibt es seit 2001 als praktisches Kompendium zu jährlich wechselnden Themen der Nachweisführung und Berechnung bauphysikalischer Fragestellungen. Der aktuelle Bauphysik-Kalender 2023 behandelt das Themenspektrum der Nachhaltigkeit von Gebäuden und Bauwerken sowie praktische Maßnahmen für mehr Klimaschutz und Ressourceneffizienz im Bausektor.

In Teil A gibt der erste Beitrag von Annette Hafner et al. eine Übersicht zu Zertifizierungssystemen zur Nachhaltigkeitsbewertung im Hochbau, greift daraus die Klimaschutzaspekte auf und geht dann beispielhaft auf das aktuelle Thema der Bewertung von Wohngebäuden ein. Im nachfolgenden Beitrag vertiefen zwei Praktiker die ökologische Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden. Dem folgt eine schöne Übersicht zu klimaangepasstem Bauen. Allerdings, dass hier das Ressourcenmonster Bosco Verticale als vermeintlich positives Beispiel für Stadtgrün aufgeführt wird, ist bedauerlich. Stefan Bringezu et al. schließen Teil A passend mit einer Betrachtung zu Ressourceneffizienz und Klimabelastung von Bauwerken ab. Hierzu wird zuerst auf Ressourcen- und Klimafußabdrücke in verschiedenen Bewertungssystemen eingegangen. Beispielhaft werden dann die Vorgehensweisen für Beton an sich sowie für Betonrecycling, für Außenwände und für Heizungssysteme sowie die Vorteile der Nutzung von BIM in diesem Zusammenhang erläutert.

In Teil B dreht sich alles um Dämmstoffe. Mit den physikalischen Grundlagen und der Beschreibung sehr vieler Dämmstoffe von der Herstellung über die Anwendung und Verarbeitung bis zu charakteristischen Kenngrößen wird ein systematischer Überblick geliefert. Dem folgt eine weitere Vertiefung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Flachsfasern, Schafwolle oder Stroh. Abschließend geht es um das an Bedeutung gewinnende Thema Recycling von Wärmedämmstoffen. Dazu gibt es recht viel Rechtliches und Statistisches und schließlich auch eine schöne Übersicht zu dem, was schon geht und gemacht wird.

Von Inhalt und Umfang her bildet Teil C Konstruktion und Baustoffe den Löwenanteil des Buchs. Hier beginnen wieder Annette Hafner et al. mit einem Vergleich der ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der Aufstockung von Wohngebäuden im Vergleich zu Abriss und Neubau. Dabei wird auf die Ermittlung und den Vergleich von Ökobilanz und Lebenszykluskosten für ein ursprünglich zweistöckiges, nun dreistöckiges Wohngebäude eingegangen. Danach folgt ein langer Beitrag von Michael Haist, Konrad Bergmeister, Manfred Curbach und vielen weiteren zu CO2– und ressourceneffizienten Betontragwerken. Hier wird der Wissensstand zu den enormen Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit im Betonbau aktuell vielleicht am umfassendsten dargestellt. Wertvoll sind hierbei insbesondere die zahlreichen Literaturverweise, oft mit Link. Inhaltlich reicht der Beitrag von der Baustoffebene mit Bindemittel, Beton, Betonstahl und Carbonbewehrung über Betonkonstruktionen mit Themen wie Strukturoptimierung, Bauverfahren oder Carbonbeton zu den bauphysikalischen Eigenschaften. Dem folgt ein Beitrag Ökobilanzierung von Wohnquartieren in Holzbauweise anhand zweier geplanter Bauvorhaben in Thüringen mit Architektur-, Konstruktions- und Versorgungsvarianten. Aus dem Blickwinkel von Fensterbauelementen werden anschließend Nachhaltigkeitszertifizierungen, Ökobilanzen und Umweltproduktdeklarationen erneut betrachtet. Der folgende Bericht zur Integration von modernstem Vakuumglas in Bestands- und Neufenster ist vielversprechend, weil damit die im Vergleich plumpen Isolierglas-Kastenfenster abgelöst werden und sich neue Optionen für die Sanierung ergeben können. Das ressourceneffiziente und recycelbare Holz-Wandsystem Cross Layers Light wird anschließend beschrieben. Mit diesem sind bessere Rohstoffausnutzung und höhere Tragfähigkeiten als bei der üblichen Holzrahmenbauweise erreichbar; die Anpassungs- und Recycelfähigkeit ist ebenso ein Plus. Philipp Geyer et al. geben nachfolgend einen aktuellen Überblick zu Gebäudesystemen für die Wärme-, Kälte- und Feuchtekonditionierung. Bauphysikalische Ergebnisse von den Demonstrationsgebäuden des Solar Decathlon Europe 2022 von Karsten Voss et al. folgen. Im nächsten Beitrag werden Planung und Ausführung der Sanierung des Chemiehochhauses der TU Wien zum Plus-Energie-Bürohochhaus sowie die ersten Betriebserfahrungen wiedergegeben. Dem folgt eine praktische Untersuchung verschiedener Strategien zur Integration der Energieerzeugung und zur Verbesserung der Energieeffizienz von Bestandsgebäuden.

Im abschließenden Teil D sind noch materialtechnische Tabellen für den Brandschutz, wärme- und feuchtetechnische sowie schallschutztechnische und akustische Kennwerte zu finden. Der Bauphysik-Kalender 2023 ist wieder eine solide Arbeitsgrundlage und ein verlässliches aktuelles Nachschlagewerk für die Planung in Neubau und Bestand. Kleiner Kritikpunkt ist die Wiederholung von Grundlagen wie Zertifizierungssysteme zur Nachhaltigkeitsbewertung oder Ökobilanzierung und EPDs in diversen Beiträgen jeweils mit leicht verändertem Blickwinkel. Dies mag das Lesen einzelner Beiträge erleichtern, führt aber zu unnötigen Dopplungen. Nichtsdestotrotz, die Beiträge stellen meist den Übergang von der angewandten Forschung zur erforderlichen Baupraxis dar. Mit zahlreichen Planungshinweisen, Konzepten und Praxisbeispielen für nachhaltiges Bauen mit Schwerpunkt auf den bauphysikalischen Aspekten ist der Bauphysik-Kalender 2023Nachhaltigkeit eine gute Übersicht und Arbeitshilfe für die anspruchsvolle Planungspraxis.


Bauphysik-Kalender 2023

Schwerpunkt: Nachhaltigkeit
Nabil Fouad [Hrsg.] (2023)
Berlin: Ernst & Sohn
736 S., Hardcover, 159 Euro

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