Wohnungsnot statt ­Zeitenwende

Deutschland hat ein Wohnungsproblem. Die ZIA-Immobilienweisen stellten zu Beginn des Jahres das höchste Wohnungsdefizit für Deutschland seit 20 Jahren fest. Während Branchenvertreter, aber auch die Bundesbauministerin Klara Geywitz einen Bedarf von 700.000 Wohnungen identifizieren, scheitert diese Bundesregierung schon im ersten Regierungsjahr an ihrem selbst gesteckten Ziel von 400.000 Wohnungen. Bundeskanzler Olaf Scholz trat im Wahlkampf als Kanzler für bezahlbaren Wohnraum auf. Sogar ein eigenes Ministerium wurde durch die Ampel eingerichtet. Doch das erste Jahr ist ein verheerendes für die Wohnungsbaupolitik in unserem Land. Statt Zeitenwende erleben wir Wohnungsnotstand. Das wiegt doppelt schwer, denn auch die klimapolitischen Herausforderungen im Gebäudebereich zur Erreichung unserer CO2-Ziele sind immens.

Dr. Jan-Marco Luczak, MdB
Quelle: www.luczak-berlin.de, Yves Sucksdorff

Wohnungsnotstand

Der Trend könnte nicht besorgniserregender, die Rahmenbedingungen für den Neubau kaum schwieriger sein: hohe Inflation, Zinswende, stark gestiegene Baukosten, anhaltende Energiekrise, Fachkräftemangel und fehlendes Bauland. Von den Partnern im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen, die die Bundesbau­ministerin zusammengerufen hatte, hörte man zuletzt meist nur noch ein Wort: Stornierung.

Statt der angepeilten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr gehen alle Experten davon aus, dass mittelfristig allenfalls die Hälfte realistisch ist. Trotz der geeinten 187 Maßnahmen des Bündnispapiers, eine groß angekündigte Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive, vergeht derzeit kaum eine Woche, in der kein Hilferuf in Richtung Krausenstraße, der Heimat des neu eingerichteten Bauministeriums, gerichtet wird. Sie alle verhallen ungehört.

Vielmehr hält es die Ministerin für angebracht, der Baubranche den Schwarzen Peter zuzuschieben. Geringe Innovationskraft, keine Kapazitäten, zu teures Bauen – so intonierte Klara Geywitz im Bundestag. Das Bündnis ist offensichtlich Makulatur. In einem aktuellen Brandbrief vom 13. März 2023 an die Bundesbauministerin formierten sich nun erneut 30 Spitzenverbände der Bau- und Immobilienwirtschaft gegen die fatale Talfahrt im Wohnungsbau, forderten ein entschlossenes Gegensteuern der Bundesregierung und ein deutliches finanzielles Signal des Aufbruchs.

Fordern ohne Fördern

Denn was tat diese Bundesregierung bislang? Wie manifestiert sich die von Bundeskanzler Scholz ausgerufene Zeitenwende im Immobiliensektor? Mit dem von Bundeswirtschaftsminister ­Robert Habeck angezettelten Förderchaos bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) verunsicherte er nicht nur die Branche nachhaltig, er warf damit auch ein Schlaglicht auf die überschaubare Durchsetzungskraft der Bauministerin am Kabinettstisch. Ohne Rücksprache oder Vorwarnung beendete er das Förderprogramm vorzeitig, um es dann nach großem öffentlichem Druck einige Wochen später mit verschlechterten Bedingungen erneut zu starten. Die reduzierten Programmmittel reichten nicht einmal für drei Stunden, dann waren diese erschöpft. Ein erneuter Vertrauensbruch. Danach folgte lange nichts, außer einem weiteren vorzeitigen Programmstopp, als das erfolgreiche Baukindergeld über Nacht ein Jahr vorzeitig eingestellt wurde. Diese Bundesregierung hat innerhalb eines Jahres das Vertrauen einer gesamten Branche, aber auch vieler privater Bauherren verspielt.

Nun startete zum 1. März das Programm Klimafreundlicher Neubau (KFN) als Teil des BEG. Als großer Wurf angekündigt, ist es doch in Wahrheit mit einem Volumen von 750 Mio. Euro bestenfalls ein laues Lüftchen. Obendrein dient es eben nicht nur der Schaffung von Wohnraum, sondern kann auch zum Bau von Nichtwohngebäuden, Kitas und Schulen beantragt werden. Und ein Rest für private Bauherren. Die Förderung wurde zusammengestrichen, die Klimaanforderungen dafür in die Höhe getrieben. Gefördert wird, wer den Effizienzstandard EH 40 erfüllt. Wer dazu noch das bürokratiefördernde Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) erfüllt, bekommt einen netten Bonus. Die Reaktion der Branche: Ernüchterung.

Die im Sommer startende Wohneigentumsförderung für Familien könnte man gleichermaßen mit einem Satz von Robert Habeck zusammenfassen: „Die Bürger müssen viel mehr selbst bezahlen.“ 350 Mio. Euro in Form von zinsverbilligten Krediten zur Stärkung des Eigenkapitals sollen zur Verfügung stehen. Antragsberechtigt sind Familien mit einem Haushaltseinkommen von maximal 60.000 Euro. Das mag über dem Durchschnitt der Familien liegen, die das von der Großen Koalition aufgelegte Baukindergeld in Anspruch genommen haben, aber die fanden einerseits deutlich bessere Rahmenbedingungen vor, andererseits mussten sie keinen teuren Effizienzhausstandard 40 erfüllen. Das ist ein schwerwiegender Konstruktionsfehler dieses Programms der Ampel. Wenn eine Förderung nur bei Erfüllung der allerhöchsten und entsprechend kostenträchtigen Baustandards gewährt wird, ist die Einkommensgrenze unter den derzeitigen Bedingungen viel zu niedrig gesetzt. Das Programm wird ins Leere laufen. Vor allem aber sieht das Programm – anders als noch das Baukindergeld – keine Förderung für den Kauf von Bestandswohnungen vor. Eigentumsbildung vollzieht sich aber gerade in großen Städten und Ballungsgebieten fast ausschließlich im Bestand. Denn neu gebaute Wohnungen oder gar Einfamilienhäuser sind hier schlechterdings unerschwinglich. Faktisch wird Familien in diesen Gebieten mithin keinerlei Unterstützung auf dem Weg in die eigenen vier Wände gewährt. Zusammen wird für den Neubau eine Summe von 1,1 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Mit einem Zehntel der Summe der alten Förderung sollen nun unter erschwerten Rahmenbedingungen noch höhere, also teurere Klimaschutzvorgaben eingehalten werden. Der Spagat zwischen dringend benötigtem Wohnungsneubau, bezahlbaren Mieten und Klimaschutz wird so nicht gelingen.

Nur fürs Protokoll: Das angesprochene Bündnis hat eine Verzehnfachung der aktuell aufgelegten Förderung im Wohnungsneubau gefordert. Ein Bündnis Soziales Bauen, zu dem auch der Mieterbund gehört, forderte gar ein Sondervermögen in Höhe von 50 Mrd. Euro. Die Standard-Replik der verhinderten Bauministerin: Viel hilft gar nicht viel. Dabei zitiert sie gern den Immobilienweisen Lars Feld, der auch Berater des Bundesfinanzministers ist. Allerdings konstatiert ebenjener Weise auch, dass es aktuell keinerlei Anreize zum Bauen für Investoren gäbe.

Das derzeit mehr als frostige Investitionsklima liegt nicht nur an externen Faktoren, sondern auch an den unzureichenden politischen Rahmenbedingungen bei der Förderung. Hinzu kommen immer neue Vorschläge für Regulierung und – wie in Berlin – Debatten über die Enteignung von großen Wohnungsgesellschaften. Das zerstört das Vertrauen in Planungs- und Investitionssicherheit endgültig.

Die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung ist zudem von Fehleinschätzungen und Widersprüchen geprägt. Noch im April 2022 erklärte Bauministerin Geywitz den Neubau von Einfamilienhäusern für „ökonomisch und ökologisch unsinnig“. Nun wird er doch gefördert. Im Februar 2023 präsentierte sie die Studie Nachhaltiges Bauen des Umweltbundesamts. Dieses sprach sich in dem Gutachten komplett gegen einen unökologischen Neubau aus, stattdessen für Nachverdichtung und Aufstockung. Die Bezahlbarkeit all dessen blieb wie immer offen.

Ideologisch statt nachhaltig

Gerade im Gebäudebereich stehen wir vor großen Herausforderungen beim Klimaschutz. Unser Bauen muss nachhaltiger werden. Die ambitionierten Ziele, die wir als Union ausdrücklich mittragen, benötigen jedoch Akzeptanz. Und Akzeptanz setzt in erster Linie Bezahlbarkeit voraus. Kerngedanke für nachhaltiges Bauen sollte sein, unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen. Die Bundesregierung scheint dagegen den Klimaschutz als Ziel verabsolutieren zu wollen. Beispielhaft dafür sind nicht nur die aufgezeigten KfW-Programme, sondern auch das Gebäudeenergiegesetz, dessen Entwurf noch vor der Kabinettsbefassung großen sozialen Sprengstoff offenbart.

Die Bürgerinnen und Bürger erkennen langsam, welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen und fühlen sich oftmals – nicht zu Unrecht – überfordert. Dabei ist doch ein Dreiklang aus Klimaschutz, bezahlbaren Mieten und Eigentumsbildung zu erreichen. Denn auch Eigentumsbildung ist ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit, der sozialen Nachhaltigkeit. Eigentum bedeutet, sich dauerhaft niederlassen zu können und für das Alter vorzusorgen. Vor allem aber wird durch jedes neu gebaute Haus, durch jede neu erworbene Wohnung auch eine Wohnung frei, für die es viele verzweifelte Interessenten gibt. Diese Bundesregierung verspielt nicht nur nachhaltig überall Vertrauen, sondern zeigt wiederholt, dass ihnen die Eigentumsbildung nicht wichtig ist. Wenn die FDP ihrem eigenen Motto eines Deutschlands als Land der Eigentümer gerecht werden möchte, dann muss sie sich innerhalb der Regierung durchsetzen – oder diese verlassen.

Bauen wagen: Instrumente und Schlüssel

Es bedarf dringend eines Aufbruchssignals für Investoren und Bauwillige. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen sind verlässliche Anreize wichtig. Immer neue kostentreibende Anforderungen, die den Preisdruck mehr und mehr erhöhen, müssen wir vermeiden. Ein konkreter Impuls wäre, zunächst die steuer­lichen Rahmenbedingungen für Investitionen in den Mietwohnungsbau und den Erwerb von Wohneigentum zu verbessern. Dazu gehören insbesondere die Wiedereinführung einer Sonder-Afa (eine auf vier Jahre befristete 5%-ige Sonderabschreibung für energieeffiziente Wohngebäude ab Standard EH55) und eine Länderöffnungsklausel bei der Grunderwerbsteuer, um bspw. beim Ersterwerb von selbst genutztem Wohneigentum einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von 250.000 Euro pro Erwachsenen und 150.000 Euro pro Kind einzuführen.

Die Kostenspirale muss gebrochen werden. Dafür brauchen wir eine radikale Entschlackung des Bauordnungsrechts. Es bedarf neuer Ansätze, um wieder einfacher zu bauen. Die Initiative der Bayerischen Architektenkammer für einen Gebäudetyp E kann hier den Weg weisen. E steht dabei für vieles, von experimentell bis einfach. Kundige Bauherren, Architekten, Bau- und Handwerksunternehmen sollen im Rahmen dieses Gebäudetyps rechts- und haftungssicher abweichend von den anerkannten Regeln der Technik innovative und nachhaltige Lösungen vereinbaren können, wobei notwendige Schutzansprüche mit vertretbar geringeren Baustandards in Einklang gebracht werden.

Auch das serielle und modulare Bauen hat erhebliche Potenziale zur Senkung von Baukosten. Was in einem Bundesland bereits genehmigt ist, sollte in einem anderen Bundesland nicht noch einmal einem kompletten Genehmigungsprozess unterzogen werden. Lange Genehmigungsverfahren können wir uns angesichts des dringenden Wohnungsbedarfs nicht mehr leisten. Dafür müssen Genehmigungs- und auch Bauprozesse schneller und digitaler werden. Medienbrüche darf es keine mehr geben, Personalressourcen müssen ausgebaut und die Potenziale etwa des Building Information Modeling genutzt werden.

Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten wir auf wiederverwendbare bzw. wiederverwertbare Baustoffe zurückgreifen. Im Baubereich enden 30 % der eingesetzten Materialien als Bauschutt. Wir müssen die Voraussetzungen verbessern, damit diese bspw. wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Vor allem aber brauchen wir Förderprogramme, insbesondere für Familien, die diesen Namen auch verdienen – für den Neubau und auch für den Erwerb von Bestandsimmobilien. Sonst wird uns weder der wichtige Klimaschutz im Gebäudebereich noch die Schaffung von dringend benötigtem bezahlbarem Wohnraum gelingen.

Fazit

Für mich persönlich und für uns als CDU/CSU ist völlig klar: Damit klimafreundlicher Bau nicht zur sozialen Frage wird, bei der nur Besserverdienende die Möglichkeit zur Schaffung von Wohnraum erhalten, bleibt uns keine Zeit. Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger eine Wohnung nicht mehr leisten können und der Traum von den eigenen vier Wänden wie eine Seifenblase zerplatzt, dann ergeben sich gesellschaftliche Spannungen. Das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft, sich mit der eigenen Hände Arbeit Wohlstand erarbeiten und sich ein kleines Häuschen leisten zu können, muss künftig wieder eingehalten werden.


Autor

Dr. Jan-Marco Luczak, jan-marco.luczak@bundestag.de

MdB, Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Bauen und Wohnen

www.luczak-berlin.de

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