Lösungsansätze und Umsetzungsbeispiele
Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie der Wärmewende. Durch die Nutzbarmachung von Umweltwärme und den Antrieb mit Elektrizität, die zunehmend aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, kann die CO2-Intensität der Wärmeversorgung gesenkt werden. Eine Herausforderung besteht in der Anwendung in größeren Mehrfamilienbestandsgebäuden. Lösungsansätze und beispielhafte Umsetzungen werden hierzu vorgestellt.
1 Transformationsbedarf in der Wärmeversorgung von Gebäuden
Die Umstellung von fossilen Heizsystemen auf klimagerechtere Technologien der Wärmeversorgung ist zur Erreichung von Klimaschutzzielen im Gebäudesektor notwendig. In der Energiesystemanalyse besteht Einigkeit, dass die zukünftige Wärmeversorgung auf zwei Grundpfeilern ruhen muss: der netzgebundenen Wärmeversorgung sowie dem Einsatz von Wärmepumpen in der Einzelversorgung von Gebäuden. Dies muss begleitet sein von einer Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung der Wärmenetze (z. B. über Großwärmepumpen und ggf. Nutzung von zentralen Solarthermiefeldern in Fernwärmenetzen) sowie einem massiven Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung [1]. Die Notwendigkeit der Abkehr von fossiler Verbrennungstechnik zur Gebäudebeheizung ist vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit aktuell noch einmal deutlicher geworden und ihre Umsetzung politisch erwünscht.
Ein Blick auf die Struktur des Gebäudesektors macht deutlich, dass in der Transformation von Bestandsgebäuden die größte Herausforderung und der größte Hebel liegen. 62 % des Gebäudebestands wurden vor 1979, dem Zeitpunkt des Erlasses der ersten Wärmeschutzverordnung, errichtet [2]. Diese Gebäude verursachen rund zwei Drittel des Endenergieverbrauchs im Gebäudesektor [3]. Es ist also deutlich: Klimaschutzziele sind nicht ohne eine Umstellung der Wärmeversorgung im Gebäudebestand zu erreichen. Ein Blick auf die Altersstruktur der Anlagentechnik zeigt, dass für über 40 % der Wärmeerzeuger aufgrund eines Alters von über 20 Jahren ein baldiger Austausch ansteht. Das mittlere Alter der Anlagentechnik liegt bei 17 Jahren [4], die jährlichen Austauschraten bei knapp 3 % des Anlagenbestands und somit höher als die Sanierungsraten der Gebäudehülle mit ca. 1 %. Daraus lässt sich ableiten, dass ein hoher Anteil des Erzeugeraustauschs ohne flankierende Maßnahmen zur Energiebedarfsreduktion am Gebäude durchgeführt wird. Dabei wurden im Gebäudebestand in den vergangenen Jahren bei der Heizungsmodernisierung immer noch sehr viele alte Heizkessel durch neue Gas- und Ölkessel ersetzt, die trotz Brennwerttechnik hohe CO2-Emissionen über viele Jahre festschreiben (Lock-in-Effekt). Eine Erreichung von Klimaschutzzielen im Gebäudesektor ist durch eine Fortführung der aktuellen Praxis ausgeschlossen.
Während Wärmepumpen in Ein- und Zweifamiliengebäuden im Neubau Standard sind und auch im Bestand inzwischen vermehrt eingesetzt werden, ist der Einsatz im Geschosswohnungsbau bisher wenig verbreitet. Bild 1 stellt die zur Wärmeversorgung genutzten Energieträger für den gesamten Gebäudebestand und zusätzlich für das Segment der Mehrfamiliengebäude unterschiedlicher Größe dar. In mittleren Mehrfamiliengebäuden (3–9 Wohneinheiten) überwiegt die Versorgung mit Gaskesseln (60 %), gefolgt von Heizölkesseln (18 %) und Fernwärme (15 %). In größeren Mehrfamiliengebäuden zeigt sich ein anderes Bild. Hier hat die Versorgung mit Fernwärme eine höhere Bedeutung (42 %). Gaskessel und Heizölkessel machen einen Anteil von 42 % bzw. 12 % aus. Die Nutzung von Elektrizität zur Wärmeversorgung – verwendet zum Antrieb von Wärmepumpen, aber auch in direktelektrischer Nutzung – liegt jeweils bei ca. 4 %. Eine Abkehr von fossiler Wärmeversorgungstechnik ist eine gewaltige Aufgabe.
2 Wärmepumpen koppeln Umweltwärme ein
Wärmepumpen (Bild 2) nutzen einen thermodynamischen Kreisprozess, in dem ein Kältemittel auf niedrigem Druckniveau verdampft wird, dann über einen Verdichter auf ein höheres Druckniveau gebracht wird und hier bei der Kondensation im Verflüssiger Wärme abgibt. Das Kältemittel wird anschließend in einem Expansionsventil wieder entspannt, d. h. auf den (niedrigen) Verdampferdruck gebracht. Der Trick hierbei ist, dass im Verdampfer Umweltwärme, die sich auf einem niedrigen Temperaturniveau befindet – üblicherweise aus den Wärmequellen Außenluft, Erdreich oder Grundwasser –, in den Kreislauf eingekoppelt wird. Die zugeführte (und bezahlte) Endenergie ist die Elektrizität zum Antrieb des Verdichters. Die Effizienz wird durch die Leistungszahl angegeben (COP – Coefficient of Performance): liegt diese bei 4,0, so liefert die Wärmepumpe mit 1 kW Antriebsleistung (Elektrizität) eine Wärmeleistung von 4 kW. Hierzu werden 3 kW der Umwelt entzogen und durch den Kreisprozess zur Wärmeversorgung nutzbar gemacht. Leistungszahlen werden für bestimmte Betriebsbedingungen angegeben (z. B. A2/W35: Außenlufttemperatur von 2 °C, Vorlauftemperatur von 35 °C).
Grundlegend gilt: die Effizienz von Wärmepumpen ist abhängig vom Temperaturhub, also der Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle (z. B. Außenlufttemperatur) und Wärmesenke (z. B. Temperatur im Heizkreis). Bild 3 zeigt exemplarisch die Abhängigkeit der Effizienz vom Temperaturhub. Dargestellt ist die Effizienz über der Heizkreistemperatur bei einer Wärmequellentemperatur von 0 °C und einheitlichen Güte des Kältekreises über den gesamten Temperaturbereich.
Niedrige Temperaturhübe sind vorteilhaft hinsichtlich der Effizienz und möglichst im Betrieb anzustreben. Die häufig gehörten Aussagen „Wärmepumpen gehen nicht bei hohen Vorlauftemperaturen/gehen nur mit Fußbodenheizung“ sind hingegen in der Form nicht korrekt. Ausschlaggebend für die Effizienz sind die tatsächlich im Betrieb vorliegenden Systemtemperaturen – auch Heizkörper können häufig mit abgesenkten Vorlauftemperaturen betrieben werden.
Als zweite Effizienzkennzahl wird die Arbeitszahl definiert. Diese berücksichtigt den Betrieb der Wärmepumpe über einen längeren Zeitraum und somit bei sich ändernden Betriebsbedingungen. So setzt die Jahresarbeitszahl die durch die Wärmepumpe über ein Betriebsjahr gelieferte kumulierte Wärme (Energie) ins Verhältnis zur eingesetzten elektrischen Energie. Bei der Angabe der Arbeitszahl ist es wichtig, die bei der Berechnung berücksichtigten Systemgrenzen mit anzugeben [6].
Dass Wärmepumpen auch im Bestand mit guter Effizienz eingesetzt werden können, konnte das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in umfangreichen Feldtests mit dem Schwerpunkt auf Ein- und Zweifamiliengebäuden nachweisen. So wurden zuletzt im Projekt WPsmart im Bestand (BMWK) 29 Außenluft- und zwölf Erdreich-Wärmepumpen im Feld in einem wissenschaftlichen Monitoring analysiert. Im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 haben die untersuchten Außenluft/Wasser-Wärmepumpen Jahresarbeitszahlen von 2,5 bis 3,8 erreicht. Der Mittelwert lag bei 3,1. Für die zwölf Sole/Wasser-Wärmepumpen wurden JAZ3 zwischen 3,3 und 4,7 bei einem Mittelwert von 4,1 ermittelt [6]. Die hier angegebene Jahresarbeitszahl (JAZ3) berücksichtigt den elektrischen Verbrauch von Verdichter, Steuerung, Wärmequellenantrieb sowie Heizstab. Dies wird bezogen auf die bereitgestellte Wärme vor etwaigen Speichern.
3 Herausforderungen im Bestandsgeschosswohnungsbau
Beim Einsatz von Wärmepumpen in Mehrfamilienbestandsgebäuden liegen besondere Randbedingungen vor. Technische Herausforderungen ergeben sich aus der höheren erforderlichen Leistung des Wärmeerzeugers und der Verortung der Gebäude auch in Quartieren mit dichter Bebauung. Beide Aspekte führen dazu, dass der Erschließung der Umweltwärmequelle eine hohe Bedeutung zukommt. Weiter erfolgt die Wärmeübergabe in Mehrfamilienbestandsgebäuden zum Großteil mit Heizkörpern (auch älteren Datums), die häufig mit hohen Vorlauftemperaturen betrieben werden. Trinkwarmwasser wird ebenfalls bei hohen Temperaturen bereitgestellt (Legionellenschutz). Daher ergeben sich die zwei thematischen Bereiche Quellenerschließung und Absenkung von Systemtemperaturen als Schwerpunkte, die in der Identifikation von Lösungsansätzen zu beachten sind (Tab. 1).
Wärmequelle | Wärmepumpe | Wärmesenke |
Herausforderungen | ||
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Lösungsansätze | ||
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4 Lösungsfamilien für Wärmepumpen in Mehrfamiliengebäuden
Bei der Umsetzung von Wärmepumpen in Mehrfamiliengebäuden ist eine Vielzahl an möglichen Systemkombinationen denkbar. Eine Systematisierung dieses großen Lösungsraums wurde im Rahmen der Arbeitsgruppe IEA HPT Annex 50 Heat Pumps in Multi-Family Buildings anhand von umgesetzten Systemen in verschiedenen teilnehmenden Ländern erarbeitet. Die Kategorisierung und vereinfachte schematische Visualisierung ermöglicht einen Überblick über die Möglichkeiten von Wärmepumpenlösungen in Mehrfamilienhäusern (Bild 4).
Ein wichtiger Punkt bei der Klassifizierung von Wärmepumpensystemen ist die Definition der Integrationstiefe in das Gebäude. Diese reicht von komplett zentralen Systemen für das ganze Gebäude über Etagenlösungen bis hin zu vollständig dezentralen raumweisen Systemen. Die Integrationsmöglichkeiten sind im Folgenden aufgelistet:
- Lösungsfamilie 1 – Zentrale Wärmepumpensysteme für das Gesamtgebäude
- Lösungsfamilie 2 – Kombination von zentralen und dezentralen Lösungen
- Lösungsfamilie 3 – Wärmepumpen für bestimmte Wohneinheiten
- Lösungsfamilie 4 – Wohnungsweise Wärmepumpen
- Lösungsfamilie 5 – Einzelraum-Wärmepumpe
In Deutschland dominierend sind die zentralen Systeme der Lösungsfamilie 1, in die auch bivalente Wärmepumpensysteme (Kombination Gaskessel/Wärmepumpe) fallen. Systeme, die eine zentrale Bereitstellung von Raumwärme mit einer dezentralen, ggf. auch direktelektrischen Bereitstellung von Trinkwarmwasser kombinieren, werden in die Lösungsfamilie 2 eingeordnet. Aktuell kaum von Bedeutung in Deutschland sind die stärker dezentralen Systemkonzepte der Lösungsfamilien 3–5. Hier besteht weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Eine detaillierte Beschreibung der Lösungsfamilien und ihrer Familienmitglieder findet sich auf der Website des IEA HPT Annex 50 (https://heatpumpingtechnologies.org/annex50).
5 Absenkung von Systemtemperaturen bei der Weiternutzung von Heizkörpern
Um die Effizienzpotenziale von Wärmepumpen zu heben, ist die Absenkung von Systemtemperaturen anzustreben. Wenn die Quellentemperaturen durch die Wahl der Umweltwärmequelle größtenteils festgelegt sind, besteht ein Freiheitsgrad in der Anpassung der Temperaturen für die Bereitstellung für Raumwärme. Dies betrifft insbesondere die über die Heizkurve vorgegebenen Vorlauftemperaturen. Um die praktischen Hürden beim Einsatz der Wärmepumpe zu reduzieren, wird die Weiternutzung bestehender Wärmeverteil- und -übergabesysteme angestrebt. Hier stellt der Austausch einzelner unterdimensionierter Heizkörper, in Kombination mit einem hydraulischen Abgleich, eine wirksame Möglichkeit dar, die Systemtemperaturen abzusenken und damit das bestehende Übergabesystem für den Einsatz von Wärmepumpen zu ertüchtigen. Zur Identifikation der kritischen, unterdimensionierten Heizkörper sind die folgenden Berechnungsschritte notwendig:
- Berechnung der raumweisen Heizlast, z. B. nach DIN EN 12831-1:2017
- Bestimmung der installierten Heizkörperleistung bei Norm-Bedingungen (75 °C/65 °C/20 °C)
- Berechnung der Heizkörperleistung bei abgesenkten Heiztemperaturen
- Vergleich der raumweisen Heizlast mit der berechneten Heizkörperleistung
- Identifikation der unterkritisch dimensionierten Heizkörper je Nenntemperatur
Im konkreten Beispiel eines Mehrfamiliengebäudes in Karlsruhe-Durlach (Projekt Smartes Quartier Durlach – BMWK, Bild 5) wird eine Absenkung der Nennheiztemperaturen von 75 °C/60 °C auf 55 °C/45 °C durch einen Austausch von 7 % aller Heizkörper erzielt. Dadurch steigt die Jahresarbeitszahl für die Bereitstellung von Raumwärme um 40 %. Bei geringem Investitions- und Umsetzungsaufwand werden die verbrauchsbedingten Betriebskosten und die CO2Äq-Emissionen entsprechend um 40 % reduziert. Die Maßnahme weist damit eine hohe Wirtschaftlichkeit auf und ist sowohl unter ökonomischen und energetischen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll.
6 Quellensysteme für Wärmepumpen im Geschosswohnungsbau – beispielhafte Umsetzungen
Aufgrund der im Vergleich zu Ein- und Zweifamiliengebäuden höheren erforderlichen Heizleistung im Geschosswohnungsbau sind auch größere Entzugsleistungen auf der Wärmequellenseite erforderlich. In häufigen Fällen ist als Standardsystem der Einsatz von Luft-Wärmepumpen, häufig in Kaskadierung, möglich. Werden Propan-Wärmepumpen eingesetzt, liegt der Einsatz mit der Wärmequelle Außenluft auch aufgrund der üblichen Aufstellung außerhalb des Gebäudes nahe. Im Folgenden werden drei im Geschosswohnungsbau umgesetzte Beispiele von Wärmepumpensystemen mit weiteren Quellensystemen vorgestellt: eine Mehrquellenkombination von Außenluft und Erdreich, ein System mit Nutzung von Grundwasser und ein System mit PVT-Kombikollektoren zur quellenseitigen Einbindung. Weitere Wärmequellen sind bspw. Abwärme und Abwasser für Quartierslösungen, die hier aber nicht im Detail beschrieben werden.
6.1 Mehrquellensystem kombiniert Außenluft und Erdreich
Im Projekt HEAVEN (BMWK) wurde ein Mehrquellensystem zur Kombination der Wärmequellen Erdreich und Außenluft entwickelt und in einem Mehrfamilienbestandsgebäude in Karlsruhe-Durlach umgesetzt (Bild 6). Das Gebäude mit Baujahr 1963 wurde 1995 teilsaniert (Fenstertausch, Perimeterdämmung 6 cm, Dämmung von Kellerdecke und oberster Geschossdecke). Es hat eine beheizte Wohnfläche von 2107 m² bei 30 Wohneinheiten. Der Raumwärmebedarf liegt bei rd. 55 kWh/(m2a) und der Trinkwarmwasserbedarf inkl. Zirkulationsverlusten bei 29 kWh/(m²a). Zwecks Temperaturabsenkung wurde ein selektiver Heizkörpertausch vorgenommen, bei dem ca. 7 % der Heizkörper durch größer dimensionierte Modelle ersetzt wurden.
Kernstück der Anlage ist eine neu entwickelte Mehrquellenhydraulik mitsamt Regelungslogik (Bild 7) (Tab. 2). Der systemische Ansatz adressiert das Problem der begrenzten Flächenverfügbarkeit in städtischen Wohngebieten. Im Vergleich zu einem System mit nur einer Wärmequelle wird der Flächenbedarf des Erdwärmeübertragers im vorliegenden Fall um 50 % reduziert. Im Demonstrator wird das Mehrquellen-WP-System von einem 91-kWth-Gasbrennwertkessel unterstützt und ist als bivalent paralleles System ausgelegt. Der Gasbrennwertkessel ist dabei für die Bereitstellung von Trinkwarmwasser oberhalb von 62 °C und für die Unterstützung der Heizwasserbereitstellung bei Außentemperaturen von unter -5 °C vorgesehen. Bild 8 zeigt die Energieflüsse im Demonstrator für die ersten Betriebsmonate Februar–September 2022. Der Wärmebedarf für Raumwärme und Trinkwarmwasser wurde zu 68 % von der Wärmepumpe gedeckt. Der Gaskessel war insbesondere für die Trinkwarmwassererzeugung zuständig.
Wärmepumpen | Gaskessel | |
Einsatzbereich | Haupterzeuger für Raumheizung und Trinkwarmwasser | Zusatzerzeuger |
Tmax in °C | 60…68 | 80 |
Kältemittel | R410A | n. a. |
Nennheizleistung in kW | 42,3/28,7 (B0/W35, 100 %) | 91 |
COP (B0/W35) | 4,9/4,8 | n. a. |
COP (B0/W55) | 3,3/3,3 | n. a. |
Das Erdsondenfeld stellte rd. 36 % der Umweltwärme auf der Quellenseite bereit. Dieser Anteil wird sich voraussichtlich bei Berücksichtigung einer vollständigen Heizsaison erhöhen. Die Mehrquellenhydraulik erzielt im beobachteten Betriebszeitraum relativ hohe Quellentemperaturen. Dies führt trotz hoher Temperaturen der Wärmebereitstellung (Vorlauftemperatur für Raumwärme 55–60 °C bei 0 °C Außentemperatur) zu einer hohen Arbeitszahl des ersten Betriebshalbjahrs von 3,2 (Raumwärme, Trinkwarmwasser). Für eine Skalierung und Übertragung der Ergebnisse auf Anlagen ohne wissenschaftliche Begleitung scheint v. a. eine Standardisierung von Komponenten, Hydraulikschemen und Regelung erfolgsversprechend.
6.2 Grundwasser-Wärmepumpen versorgen Bestandsensemble
In Freiburg im Breisgau wurde ein Wärmepumpensystem zur Versorgung eines Bestandsquartiers mit 43 Wohneinheiten unter Nutzung von Grundwasser als Wärmequelle neu implementiert (Projekt SanBest – BMWK) und messtechnisch begleitet (Projekt LowEx im Bestand – BMWK). Das Ensemble mit Baujahr 2002 besteht aus zwei Mehrfamilienhäusern (11 bzw. 15 Wohneinheiten) und zwei Reihenhauszeilen mit je fünf Häusern und zwei Doppelhäusern (Bild 9) und umfasst eine beheizte Fläche von 3430 m². Die im Contracting-Modell implementierte Wärmeversorgung erfolgt zentral (Heizung, Trinkwarmwasser) und nutzt Fußbodenheizungen für die Wärmeübergabe. Ein bestehendes ineffizientes Wärmepumpensystem wurde u. a. aufgrund mangelnder Ersatzteile ausgebaut und durch eine neue Anlage ersetzt. Das neue System besteht aus zwei zweistufigen Grundwasser/Wasser-Wärmepumpen (Bild 10). Die Wärmepumpen wurden für einen monovalenten Betrieb ausgelegt, ohne elektrische Zusatzheizung (Heizstab). Es erfolgte eine Aufteilung der Wärmepumpen nach den vorrangigen Einsatzbereichen Raumheizung und Trinkwassererwärmung und somit eine Separierung nach Temperaturniveaus über die meiste Zeit im Jahr.
Der Betrieb der Anlage konnte im Rahmen eines zweijährigen Monitorings analysiert werden (hier dargestellt: Juli 2020–Juni 2022). Die Heizwärmenutzung lag bei 59 kWh/(m²a) im ersten Auswertungsjahr (2020/2021) und 51 kWh/(m²a) im zweiten Auswertungsjahr (2021/2022). Zur Trinkwassererwärmung wurde eine jährliche Wärmemenge von 36 kWh/(m²a) bzw. 42 kWh/(m²a) benötigt. Die Wärmemenge, die am Speicherausgang im Zuge von Trinkwasserzapfungen (bei regulärem Betrieb) gemessen wird, beträgt rd. 15 kWh/(m²a). Die Wärmemenge der Zirkulation, die 24 h/d in Betrieb ist, liegt mit 19 kWh/(m²a) um ein Viertel höher.
Bild 11 zeigt die Arbeitszahl AZ1 der Wärmepumpengeräte abhängig von der Wärmesenkentemperatur (Mittelwert aus Vorlauf- und Rücklauftemperatur) als Tageswerte. Die Bilanzgrenze 1 berücksichtigt die Wärmebereitstellung direkt nach den Wärmepumpen und umfasst den elektrischen Energiebezug des Verdichters und der Steuerung. Die überwiegende Zeit wurde die Niedertemperatur-Wärmepumpe (NT) bei einer mittleren Heizkreistemperatur um 39 °C bei Arbeitszahlen im Bereich von 5,0 bis 5,5 betrieben. Für die Trinkwassererwärmung lag die mittlere Betriebstemperatur bis April 2021 bei 62 °C/58 °C (Vorlauf/Rücklauf der Hochtemperatur-Wärmepumpe (HT)) und wurde anschließend auf rd. 66 °C/61 °C angehoben. Die gemessenen Jahresarbeitszahlen der zwei Wärmepumpen sind in Tab. 3 zusammengefasst.
Zur Bewertung der Anlageneffizienz ist der Wärmequellenantrieb zu berücksichtigen. Dies wird mit der Bilanzgrenze 3 wiedergegeben. Der Wärmequellenantrieb besteht hier aus einer Grundwasserpumpe und einer Wärmequellenpumpe je Wärmepumpe. Der Energiebezug des Wärmequellenantriebs beläuft sich auf gut ein Fünftel des Energiebezugs der Verdichter und Steuerung der Wärmepumpen. Daher fällt die Jahresarbeitszahl JAZ3 gegenüber der JAZ1 signifikant ab (Tab. 3). Der hohe Energiebezug ist auf die Brunnenpumpe zurückzuführen. Diese wird mit der gleichen Drehzahl betrieben, unabhängig davon, ob eine oder beide Wärmepumpen in Teillast oder Volllast aktiv sind. Die Leistungsaufnahme beträgt 5 kW. Hier liegt eine gute Optimierungsmöglichkeit. Im Rahmen der Betriebsanalyse ist ein häufiges Takten der Wärmepumpen beobachtet worden. Für Auslegungen in zukünftigen Wärmepumpeninstallationen lässt sich aus dieser Anlage ableiten, dass eine angepasste Dimensionierung, insbesondere eine sinnvolle Kaskadierung und Wärmepumpenmodulation, wichtige Voraussetzung ist, um einen Betrieb mit geringer Taktung zu ermöglichen.
NT-Wärmepumpe | HT-Wärmepumpe | |
Einsatzbereich | Raumheizung | Trinkwarmwasser |
Tmax in °C | 64 | 75 |
Kältemittel | R410A | R134A |
Nennheizleistung (W10/W35, 100 %) in kW | 146 | 77 |
COP (W10/W35) | 5,6 | 5,3 |
JAZ1 (Jahr 1/Jahr 2) | 5,6/5,1 | 2,8/2,7 |
JAZ1 der Kaskade (Jahr 1/Jahr 2) | 4,0/3,5 | |
JAZ3 der Kaskade (Jahr 1/Jahr 2) | 3,1/2,8 | |
6.3 PVT-Kombikollektoren als geräuschlose Wärmequelle zur Nutzbarmachung von Solar- und Umweltenergie
PVT-Kollektoren kombinieren die photovoltaische und thermische Energiewandlung und erzeugen so in einer Komponente Strom und Wärme. Neuartige PVT-Kollektoren ohne rückseitige Dämmung oder mit vergrößerten Wärmetauscherflächen können als alleinige Wärmequelle für Wärmepumpenanlagen eingesetzt werden. Diese Bauarten nutzen neben Solarstrahlung auch die Umweltwärme und sind daher besonders für diesen Anwendungsfall geeignet. Bild 12 vergleicht die Jahresarbeitszahl von zwei PVT-Wärmepumpensystemen mit der JAZ einer Außenluft-Wärmepumpe und einer Erdreich-Wärmepumpe. Dazu wurden Simulationen für ein saniertes Mehrfamiliengebäude mit Heizkreistemperaturen von 55 °C/45 °C und einer spezifischen PVT-Kollektorfläche von ca. 3–5 m²/kWth durchgeführt. Die Effizienz der PVT-Wärmepumpenanlagen liegt bei diesem Gebäude bei JAZ3 = 2,9 (ungedämmte Bauart) bzw. JAZ3 = 3,1 (ungedämmt mit rückseitigem Wärmetauscher) und liegt damit 5–10 % über der JAZ einer Außenluft-Wärmepumpe. Die Simulationen wurden mit einer marktdurchschnittlichen Außenluft-Wärmepumpe mit einem COP von 3,8 (A2/W35) und einer Erdreich-Wärmepumpe mit einem COP von 4,9 (B0/W35) durchgeführt.
7 Zusammenfassung und Ausblick
Wärmepumpen werden im Geschosswohnungsbau sowohl im Neubau als auch im Bestand vermehrt eingesetzt werden. Dabei sind niedrige Systemtemperaturen auch bei Weiternutzung von Heizkörpern in Bestandsgebäuden anzustreben, um die Effizienzpotenziale der Wärmepumpen gut zu heben. Hier ist der selektive Austausch unterdimensionierter Heizkörper ein häufig wirtschaftlicher und zielführender Lösungsansatz. Die Erschließung der Umweltwärmequelle kann in Gebäuden mit höherem Wärmebedarf neue Lösungsansätze erfordern, z. B. den Einsatz von Mehrquellensystemen oder PVT-Kombikollektoren. Die vorgestellten Umsetzungsbeispiele machen die Einsetzbarkeit von Wärmepumpen im Mehrfamilienhausbestand deutlich, aber auch die Notwendigkeit individueller Planung, Installations- und Inbetriebnahmebegleitung. Eine weitere Standardisierung von Systemen und die Weiterentwicklung von Planungsgrundsätzen sind hier notwendig. Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht für Lösungen zum Ersatz von Gasetagenheizungen im Geschosswohnungsbau und bei der Weiterentwicklung von Wärmepumpen mit dem klimafreundlichen Kältemittel Propan.
Dank
Die hier dargestellten Ergebnisse wurden in den folgenden, durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags geförderten Projekten erarbeitet: LowEx Bestand (FKZ 03SBE0001B), HEAVEN (FKZ 03ET1540B), SanBest (FKZ 03EGB0007A), Smartes Quartier Karlsruhe-Durlach (FKZ 03ET1590B) und WPsmart im Bestand (FKZ 03ET1272A).
Literatur
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https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/wege-zu-einem-klimaneutralen-energiesystem.html - Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (2020) Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa. Umweltgutachten 2020. Berlin.
- Deutsche Energie-Agentur (2016) Der DENA-Gebäudereport 2016. Statistiken und Analysen zur Energieeffizienz im Gebäudebestand. Berlin.
- Deutsche Energie-Agentur (2022) DENA Gebäudereport 2022. Zahlen, Daten, Fakten. Berlin.
- Ebert, B.; Rodenbücher, B.; Hess, S.; Köhler, B.; Bongs, C.; Wagner, A. (2020) Systematische Analyse der Mehrfamilien-Bestandsgebäude [Forschungsbericht]. Freiburg: Institut für Nachhaltige Technische Systeme – INATECH.
www.lowex-bestand.de - Günther, D.; Wapler, J.; Langner, R.; Helmling, S.; Miara, M.; Fischer, D.; Zimmermann, D.; Wolf, T.; Wille-Haussmann, B. (2020) WPsmart im Bestand – Felduntersuchung optimal abgestimmter Wärmepumpenheizungssysteme in Bestandsgebäuden beim Betrieb im konventionellen sowie im intelligenten Stromnetz (Smart Grid) [Abschlussbericht]. www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/downloads/pdf/Forschungsprojekte/BMWi-03ET1272A-WPsmart_im_Bestand-Schlussbericht.pdf
- IEA HPT Annex 50 (o. J.) Heat Pumps in Multi-Family Buildings for Space Heating and Domestic Hot Water (DHW), Solution Matrix [online]. Göteborg: RISE Research Institutes of Sweden.
https://heatpumpingtechnologies.org/annex50/solution-matrix - Lämmle, M.; Bongs, C.; Wapler, J.; Günther, D.; Hess, S.; Kropp, M.; Herkel, S. (2022) Performance of air and ground source heat pumps retrofitted to radiator heating systems and measures to reduce space heating temperatures in existing buildings. Energy 242, 122952. doi.org/10.1016/j.energy.2021.122952
- Metz, J.; Günther, D.; Bongs, C. (2022) Mehrquellenwärmepumpensystem im Feldversuch. Vortrag Deutsche Kälte- und Klimatagung 2022, Magdeburg, 16.–18. Nov. 2022. Hannover: Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein.
Autor:innen
Dr.-Ing. Constanze Bongs, constanze.bongs@ise.fraunhofer.de
Jeannette Wapler, jeannette.wapler@ise.fraunhofer.de
Jakob Metz, jakob.metz@ise.fraunhofer.de
Dr.-Ing. Marek Miara, marek.miara@ise.fraunhofer.de
Dr. Manuel Lämmle, manuel.laemmle@inatech.uni-freiburg.de
INATECH – Universität Freiburg