Ein Stammtisch zur Kreislaufwirtschaft
Am 26. Juli 2022 konnten ca. 50 Personen auf einer Stuttgarter Dachterrasse erleben, wie wohltuend es ist, nach den Covid-Kontaktbeschränkungen wieder in den persönlichen Austausch zu treten, wie schön es ist, dass doch so viele von uns Bauschaffenden den Wunsch verspüren, anders und besser zu agieren, und einfach auch wie wichtig es ist, mit unterschiedlichen Charakteren konfrontiert zu werden, zu merken, wie die Bauplanungsbranche langsam, aber sicher diverser wird, und ins soziale Leben einzutauchen („Ich bin gleich wieder da.“ – „Willst du auch noch ein Bier?“ – „Ach krass, du arbeitest jetzt auch vor allem von zu Hause?“ – „Ne, schon schön, wieder im Büro zu sein.“ – „Ja, ich muss leider schon los.“). Mit ein paar Monaten Abstand drängt sich die Frage auf: Aber reicht das?
Denn die Bauindustrie fährt wie ein großer, träger Tanker auf den Sturm zu. Kursänderungen sind schwierig, ein Großteil der Crew ist im Maschinenraum mit Reparieren und Verwalten beschäftigt, trägt Ohrenschützer gegen den Lärm und freut sich auf‘s Mittagessen. Wir, die Crew der Bauschaffenden, sind Teil der Flotte, die die Lebensbedingungen auf dem Planeten untergräbt.
Das Thema des Nachhaltigkeitsstammtisches auf der sonnenüberströmten Dachterrasse im Juli war Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie. Eigentlich sind sich alle einig, dass wir jetzt Kreisläufe schließen müssen, nicht nur die Demontierbarkeit im Entwurf von Neubauten mitdenken, sondern vor allem den Bestand jetzt sofort in den Kreislauf zu bringen.
Und doch überwiegt noch das business as usual. Wenn wir hierzulande und in anderen (weniger klimabewussten) Ländern weiterhin Projekte akquirieren, bei denen Nachhaltigkeit nur ein Nachgedanke ist, müssen wir nächsten Juli auf der Dachterrasse konstatieren, dass wir uns im Kreis drehen, anstatt die Kreislaufwirtschaft in Gang zu bringen. Es hapert noch bei der Umsetzung.
Der Wind dreht, aber er dreht zu langsam und der Tankermotor ist stark. Die gesamte Branche muss mitziehen – möglichst viele Planungsbüros, möglichst viele Bauunternehmen, die Aufsichtsbehörden und die Gesetzgebenden. Beim Nachhaltigkeitsstammtisch könnten wir die Planungsbüroblase platzen lassen und Bauunternehmen und Bauherren einladen.
Dazu gehört vor allem eine angemessen hohe Emissionsabgabe auf jede Tonne Treibhausgas, die schrittweise erhöht wird, bei der Einfuhr von Gütern am Zoll abgezogen wird und die gesamte Lieferkette beinhaltet. Automatisch würden Bestandserhalt und Wiederverwendung attraktiver werden, Forschungsgelder in Kartografierung des Bestands und in die statische Bewertung alter Bauteile fließen, Investmentgelder in klimaschonende Unternehmen. Falls das nicht klappt, fehlt uns der politische (Umsetzungs-)Wille auf nationaler und EU-Ebene. Dann müssen mehr klimatransformierende Bauschaffende in die Politik!
Außerdem müssen wir im Kleinen jeden Bauherren und jedes Bauunternehmen sensibilisieren und in jedem Projekt möglichst viel erhalten, wiederverwenden und davon berichten. Darüber können wir dann beim nächsten Stammtisch auf der Dachterrasse diskutieren.
Stuttgarter Nachhaltigkeitsstammtisch
Termin: jeder letzte Dienstag im Monat, 18.00 Uhr
Ort: online, MS-Teams
Nächste Präsenzveranstaltung: vorauss. Dienstag, 25. Juli 2023, in Stuttgart
(Informationen und Anmeldung über den Mailverteiler)
Kontakt: sustainability@knippershelbig.com