Mit welchem Material sollen wir bauen?

Aktuell steht diese Frage stark im Fokus des architektonischen Diskurses. Für viele ist die Antwort sehr einfach: mit Holz. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Mit „nachwachsend“ wird gerne eine nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit assoziiert. Zudem entnehmen Bäume im Wachstumsprozess der Atmosphäre CO2 und binden den Kohlenstoff in ihrer Biomasse. Was kann es also Besseres geben, als mit Holz zu bauen? Die CO2-Speicherfähigkeit nährt das Narrativ und führt zu der Schlussfolgerung, dass wir auf unserem allgemeinen gesellschaftlichen Wachstumspfad mit Holz gut aufgestellt sind und uns aus der Krise „herausbauen“ können – Klima­rettung durch Ausweitung der Bautätigkeit! Tolle Story für die Baubranche. Leider so nicht richtig. Das ist auch für die Verfassenden als ausgewiesene und überzeugte Holzbauer mit langer und oft prämierter Holzbauerfahrung eine zu akzeptierende Erkenntnis.

Wie immer stellen sich bei komplexen Themenstellungen stark vereinfachte Lösungsansätze als kritisch heraus. Auch wenn der Wunsch nach einfachen Wahrheiten verständlich ist, kann nur ein systemischer Denkansatz der Größe der Probleme gerecht werden. Weder Digitalisierung, BIM, modulares Bauen, einfaches Bauen noch Bauen mit Holz stellen einen alleinigen Lösungsansatz dar. Das alles können nur Bausteine oder Werkzeuge im notwendigen Transformationsprozess sein.

Das Bauen ist für einen erheblichen Anteil der Klimaveränderung verantwortlich. Ob dies weltweit knapp 40 % [1] oder bei anderer Emissionszuweisung sogar über 50 % [2] sind, scheint nicht vorrangig zu sein. Es ist in jedem Fall sehr viel.

Die hierfür verantwortlichen und vielfältigen Emissionen, die auf den Leitindikator CO2 als sog. CO2-Äquivalente (CO2e) aggregiert werden, resultieren aus allen Lebenszyklusphasen der Gebäude (Bild 1). Sie entstehen bei der Herstellung, der Nutzung sowie im Verlauf des späteren Entsorgungsprozesses. Bisher stand fast ausnahmslos die Nutzungsphase und damit die Frage, mit welcher Energie wir die Gebäude betreiben, im Fokus.

Stark geprägt durch die gesetzlichen Anforderungen konnten in der Nutzungsphase des Lebenszyklus eines Gebäudes erhebliche Fortschritte hinsichtlich der Verbräuche pro Fläche erzielt werden. Allerdings sind viele Verbesserungen durch Rebound-Effekte wie die deutliche Flächenausweitung [3] konterkariert. Und ja, es wäre besser gewesen, auf CO2-Emissionsreduktion zu setzen als auf Energieeinsparung. Jedoch ist die Zielrichtung in vielen Fällen identisch, sofern unsere Energieversorgung stark von fossilen Energieträgern geprägt ist. Die erneute Anpassung der gesetz­lichen Grundlagen (GEG) zum 1. Januar 2023 auf den sog. KfW-55-Standard und die avisierte weitere Anpassung auf KfW 40 markieren ein Ende dieser Optimierungen.

Durch die stetige Reduktion der energetischen Aufwendungen in der Nutzungsphase, die damit eine CO2-Emissionsreduktion bewirken, kommt der Herstellungs- und Entsorgungsphase eines Gebäudes eine immer größere Bedeutung zu – und folglich der Frage, aus welchem Material wir bauen sollen. Bei Einhaltung heutiger gesetzlicher energetischer Standards ist von einem Anteil der Konstruktion an den gesamten CO2-Emissionen eines Gebäudes von 30 bis 50 % [4] auszugehen – bei hohen Energiestandards wie KfW 40 oder dem Passivhaus von bis zu 70 % [5], bezogen auf den Lebenszyklus eines Gebäudes gemessen über 50 Jahre (Bild 2).

Grenzwerte von CO2e in den Bereichen der Herstellung und Entsorgung sind bis heute gesetzlich nicht geregelt. Aktuell spielt die Frage des sog. CO2-Fußabdrucks eine Rolle in den staatlichen Förderprogrammen mit QNG-Siegel. Obwohl die notwendigen Daten zu vielen Baumaterialien bereits seit vielen Jahren frei zugänglich sind (www.oekobaudat.de), wurden sie durch die Planenden bisher kaum genutzt. Bauherr:innen verfügen zum Teil über ein Inter­esse an Reduktionen in der Nutzungsphase, da daraus wirtschaftliche Vorteile resultieren. Gründe für die Materialwahl stellen meist die Ästhetik, die Dauerhaftigkeit und v. a. der Preis dar. Wichtig ist aber zu erkennen, dass heutige Materialpreise die Umweltfolgekosten nicht abbilden. Die Frage der Nachhaltigkeit und damit auch der CO2-Bilanz wird jedoch zunehmend werbewirksam eingesetzt. Immer mehr Materialien werben mit Klimaneutralität oder gar Klimapositivität. Nach dem Besuch einer Baumesse bleibt daher der Eindruck, dass die Probleme gelöst sind und wir ungehindert weiterbauen können.

Was also ist Klimaneutralität und wie können Gebäude einen solchen Status erreichen?

Zunächst muss festgestellt werden, dass bei der Errichtung von Gebäuden CO2e-Emissionen entstehen – unabhängig von der Materialwahl. Der Versuch, dies mit dem Einsatz von Holz so weit wie möglich zu reduzieren, führt dennoch zu Emissionen. Dies konnte in einem durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojekt (AZ 31718-25) im Jahr 2017 nachgewiesen werden (Bild 3).

Die Lösung zur Neutralität liegt in der Energieversorgung durch Photovoltaik. Natürlich entnehmen PV-Module der Umwelt kein CO2. Im Gegenteil, auch Strom aus PV hat durch die notwendigen Herstellungsaufwendungen der Module einen CO2-Fußabdruck. 2017 lag dieser bei ca. 75 g CO2e/kWh. Dieser Wert ist deutlich geringer als die CO2e-Emissionen des deutschen Strommixes (2017: ca. 617 g CO2/kWh [5]). Die Differenz der CO2-Emissionen wird den Gebäuden, über die angesetzte Nutzungszeit für jede durch PV erzeugte kWh Energie, gutgeschrieben (Bild 4).

Dabei wird nicht berücksichtigt, dass sich die Differenz (hoffentlich) in den kommenden Jahren deutlich verringert, weil die Energieproduktion auf regenerative Energien umgestellt wird. Im Jahr 2021 lag das Treibhausgaspotenzial des deutschen Strommixes bereits bei 420 g CO2e/kWh [6]. So wird verständlich, dass sich die Befürworter:innen von Massivbauweisen für einen möglichst langen Betrachtungszeitraum einsetzen. Ist der Betrachtungszeitraum ausreichend lang, gilt jedes Haus als klimaneutral oder bei einem rechnerischen Überschuss als klimapositiv. Es wird schnell deutlich, dass diese Art von Klimapositivität die Probleme nicht lösen kann. Das spricht keinesfalls gegen den Einsatz von PV zur Energiegewinnung, aber gegen die Suggestion, wir würden dem Klima mit klimapositiven Neubauten einen Gefallen tun.

Vor dem Hintergrund der zweifelhaften CO2e-Gutschriften macht eine absolute Reduktion der CO2e-Werte durch die Errichtung, den Unterhalt und die spätere Entsorgung von Gebäuden Sinn.

Dass Beton hierbei aufgrund seines Zementanteils große Emissionen erzeugt, ist bekannt: 8 % [7] der weltweiten Emissionen sind auf die Betonproduktion zurückzuführen. Da diese zu ca. zwei Dritteln stofflich bedingt sind, wird durch eine Abkehr von fossilen Energieträgern eine CO2-Reduktion nur unzureichend stattfinden.

Auswirkungen von Baustoffen auf die Umwelt werden mithilfe von umfangreichen Daten beschrieben. Sie werden in sog. Ökobilanzen nach DIN EN 15804 erhoben. Auch hier ist ein vertiefter Blick zum Verständnis erforderlich.

Ökobilanzen beurteilen die Umweltwirkungen von Produkten im Verlauf des Lebenszyklus. Sie tun dies für fünf unterschiedliche Wirkungspfade, d. h. mögliche Umweltschäden. Das sog. Treibhauspotenzial ist einer davon. Es entstehen Umweltwirkungen sowohl bei der Herstellung und Errichtung (Phase A) als auch bei der Nutzung (Phase B) durch Instandhaltungs- oder Instandsetzungsaufwendungen und in der Entsorgungsphase (Phase C). Darüber hinaus wird die Phase D (potenzielle Gutschriften) als ergänzende Information außerhalb der Systemgrenzen ausgewiesen. Die Anrechnung dieser Phase ist aktuell in der Diskussion, weil sie v. a. den Baustoff Holz rechnerisch stark begünstigt. Grundsätzlich gibt der Werkstoff Holz den in seiner Herstellungsphase (dem Baumwachstum) gebundenen Kohlenstoff in der Entsorgungsphase wieder an die Umwelt ab. Bei der Verrottung über einen langen Zeitraum, bei der Verbrennung sehr schnell. Aufgrund der notwendigen zusätzlichen Aufwendungen für Waldpflege, Holzernte und Holzverarbeitung verbleibt somit eine kleine CO2-Belastung über den gesamten Lebenszyklus (Beispiel Fichte: 32,442 kg CO2e/m³ Holz [8]). Holz ist nicht gänzlich klimaneutral, aber deutlich weniger klimaschädlich als z. B. Betonwerkstoffe (Bild 5). Bei der Verbrennung erzeugt Holz neben der Freisetzung von CO2 auch Energie. Diese Energie kann einen anderen Energieträger substituieren. Ähnlich zur Gutschrift bei PV-Anlagen erhält Holz innerhalb der Ökobilanz eine Gutschrift in der Phase D von derzeit 368,5 kg CO2e/m³ [8].

Holz gilt unter Einberechnung dieser Gutschrift als klimapositiv. Die Einberechnung dieser Gutschrift wird zunehmend kritisch gesehen. Im Zertifizierungssystem der DGNB war sie bisher vorgesehen. Dies wird sich wie bereits im System des Bundes (BNB) sowie im für die Förderung vorgeschriebenen QNG-Siegel umgesetzten Nichtanrechnen der Phase D ändern. Der große Rechenvorteil geht folglich verloren.

Dennoch bleibt der Vorteil der CO2-Speicherfähigkeit von Holz in der Wachstumsphase bestehen. Wenn nun dieser gebundene Kohlenstoff langfristig in Gebäuden durch die Nutzung als Baumaterial eingelagert wird, kann die CO2-Senke möglichst lange aufrechterhalten bleiben. Die mehrstufige Kaskadennutzung des Materials kann den Effekt verstärken. Zudem muss die Neupflanzung von Bäumen an der Stelle der gefällten stattfinden und eine ausreichend dauerhafte Holzverfügbarkeit gewährleistet sein.

In dem durch das Umweltbundesamt veröffentlichten Bericht Potenziale zum Bauen mit Holz [4] wird deutlich, dass die Frage der Holzverfügbarkeit vom weiteren Umgang mit den Wäldern abhängt. Wenn wir den Wald nicht nur als Baustofflieferant und CO2-Bindungssystem betrachten, sondern die weiteren vielfältigen lebenswichtigen Ökosystemleistungen mit berücksichtigen (z. B. Wasserhaushalt, Kühleffekte, Artenschutz, …), scheint nur das dort aufgezeigte Naturschutzszenario denkbar. Dabei werden wir weiterhin auf den Import von Holz, insbesondere Nadelholz, angewiesen sein. In welcher Höhe bei vorgegebener Steigerung der Holzbauquote Holz zu importieren wäre, kann aus den bisherigen Forschungsergebnissen nach Auffassung des Umweltbundesamts nicht abgelesen werden. Eine Ausweitung von Waldflächen in Deutschland wird dort als unrealistisch eingeschätzt.

Nach der WWF-Studie Alles aus Holz aus Juli 2022 ist Deutschland seit langen Jahren Netto-Importeur von Holz (in 2021: Produktion von 76 Mio. m³ Rundholzäquivalenten im Gegensatz zu einem Verbrauch von 104 Mio. m³ [9]). Würden global alle Länder den gleichen Holzverbrauch aufweisen wie Deutschland, wäre das global abgeschätzte Verfügbarkeitspotenzial um den Faktor drei überschritten.

Dies liegt auch an den vielfältigen sehr kurzfristigen Nutzungen von Holz: sei es als Energieträger (Deutschland 2016: 26 Mio. m³ von 76 Mio. m³) oder als Produkt in der Papier- und Verpackungsindustrie (2016: 6 Mio. m³ von 76 Mio. m³) [10]. Das Verbrennen ist vor dem Hintergrund der ca. doppelt so hohen CO2-Emission von Holz pro Energieeinheit gegenüber Gas für die jetzt dringend notwendige CO2e-Reduktion völlig kontraproduktiv. „Pro Megawattstunde (MWh) sind es bei Gas 202 Kilogramm CO2, bei Steinkohle 340 – und bei Holz 403.“ [11]

Aufgrund des bereits erfolgten Klimawandels und dessen Fortschreiten gemäß WWF-Studie Alles aus Holz ist für die Zukunft mit einer geringeren Holzverfügbarkeit zu rechnen. Vor allem die Nadelholzproduktion, die aktuell nach Studie des deutschen Holzwirtschaftsrats für 96 % [10] der genutzten Bauhölzer Grundlage ist, wird stark zurückgehen.

Eine nachhaltige Ausweitung der Holznutzung im Baubereich ist nur bei drastischer Reduktion der Verbräuche in anderen Bereichen und einer hocheffizienten Nutzung im Bauwesen möglich. Ob dieses Holz Deutschland bzw. den westlichen Ländern zur Verfügung stehen sollte oder eher den Weltregionen mit stark wachsender und zumeist verarmter Bevölkerung, ist eine Gerechtigkeitsfrage, der man sich ebenso nicht entziehen kann.

Aber womit sollen wir dann bauen? Ist nicht trotzdem der Einsatz von Holz als CO2-bindendes Material dem von Beton mit seiner hohen CO2-Emission in jedem Fall vorzuziehen?

Die reine Quantifizierung der CO2e-Mengen der jeweiligen Materialien ist nicht nur wegen der Verfügbarkeitsfrage nicht alleinig ausschlaggebend.

Eine Fichte wächst in Deutschland bis zu ihrer sog. Hiebsreife von etwa 40 cm [12, 13], zu der sie geerntet wird, im Durschnitt 60 Jahre [12, 13] und bindet bis zu diesem Zeitpunkt ca. 1,5 t CO2e. Nach dem Fällen können ca. 80 % [14] des Baums zu Bauholz verarbeitet werden, 20 % [14] werden über Verrottung bzw. in kurzfristigen Produkten das gebundene CO2 in den kommenden 60 Jahren [15] wieder freisetzen (Bild 6).

Wenn an der Stelle des gefällten Baums ein neuer Baum gepflanzt wird, kann dieser CO2 aufnehmen (Bild 7): in den ersten Jahrzehnten aufgrund seiner geringen Größe jedoch noch sehr wenig. Am Ende dieses Szenarios existiert ein Baustoff, der einen deutlich stärker CO2-emittierenden Baustoff wie z. B. Beton ersetzen kann.

Wenn wir den Baum nicht fällen, sondern weiterwachsen lassen, so kann z. B. eine Fichte bis zu ihrer Kulmination, also dem maximalen Wachstum von ca. 70 cm [12, 16] Stammdurchmesser, noch ca. 40 Jahre [12, 16] weiterwachsen und zusätzlich 3,5 t CO2 aufnehmen (Bild 8).

Selbst bei einem massenmäßig identischen Einsatz von Beton als Ersatzwerkstoff (i. d. R. kann Beton mit weniger Masse Holz sub­stituieren) führt dieses Szenario zu einer höheren CO2-Bindungskapazität (Bild 9).

Bei Buchen verschärfen sich die Verhältnisse der unterschied­lichen Szenarien (Bild 10). Buchen weisen eine deutlich längere Wachstumszeit bis zur Hiebsreife mit ca. 60 cm [12, 17] von ca. 120 Jahren [12, 17] auf. Aufgrund der schlechteren Nutzbarkeit des Holzes als Bauholz können derzeit nur ca. 45 % [14] genutzt werden. Der Rest emittiert das gebundene CO2 aufgrund der kurzfristigen Nutzungen v. a. als Energieholz innerhalb von durchschnittlich 30 Jahren [15].

Da auch hier neue Bäume eine erhebliche Anlaufzeit zu einer hohen CO2-Speicherung benötigen, ist bereits ohne Berücksichtigung der CO2-Emissionen von Ersatzbaustoffen diese Rechnung schlechter als das weitere Wachsen der Buchen bis zu deren Kulmination mit 70 cm [16] und ca. 140 Jahren [12] (Bilder 11–13).

Diese schlechte Bilanz wird durch die hohen CO2-Emissionen eines Ersatzbaustoffs nicht ausgeglichen.

Es ergibt in jedem Fall Sinn, die Bäume erst dann zu fällen, wenn sie ihr maximales Wachstum erreicht haben.

Nach den IPCC-Berichten sind die nächsten sieben Jahre von entscheidender Bedeutung. Von dem für Anfang 2020 ausgerechneten weltweiten CO2e-Restbudget von ca. 420 Gt, welches bei ­einer Wahrscheinlichkeit von 66 % noch das 1,5-Grad-Ziel erreichbar erschienen ließ, haben wir in den vergangenen Jahren jeweils ca. 42 Gt pro Jahr verbraucht. Bei gleichbleibendem Handeln wäre das Budget Ende 2030 aufgebraucht [18].

Holz ist zwar als nachwachsender Baustoff grundsätzlich nahezu CO2-neutral, die Zeitabläufe sind jedoch für die aktuelle Situation deutlich zu lang.

Damit wird Holz in den kommenden Jahren unser Problem im Bauen leider nicht lösen.

Nichtsdestotrotz können wir das begrenzt verfügbare Holz (z. B. auch die aktuell anfallenden Kalamitätsmengen aus Waldschäden) für das Bauen nutzen. Hingegen sollten wir nicht suggerieren, dass wir damit der Umwelt und dem Klima einen Gefallen tun. Wir handeln nur etwas weniger schlecht als mit den meisten anderen Bauweisen. Die für Holzbauweisen ausgewiesenen Einsparungen implizieren eben keine CO2-Reduktion in der Atmosphäre, sondern lediglich eine weniger hohe zusätzliche Belastung.

Wir sollten Holz als knappe Ressource verstehen und dementsprechend damit umgehen. Massivholzkonstruktionen sind aufgrund der hohen Holzbedarfe vermutlich nicht der richtige Weg, wenn sie aus statischen Gründen nicht zwingend erforderlich sind. Auch stark verklebte Holzprodukte werden für eine spätere Wiederverwendung wenig förderlich sein. Hier können alther­gebrachte stahl- und leimfreie Verbindungstechniken in Kombi­nation mit digitalen Fertigungstechniken neue Möglichkeiten ­aufzeigen (Bild 14). So kann die notwendige vielstufige Kaskadenverwendung von Holz in unterschiedlichen Produkten befördert werden.

Die Frage, wie viele Wohnungen und andere Gebäudenutzungen wir noch zwingend bauen müssen, ist eine soziale Frage. Für das Klima wäre ein möglichst weitgehender Verzicht insbesondere auf Neubauten hilfreich. Die begrenzt vorhandenen Ressourcen an Material, Personal und Finanzen für die dringend notwendige energetische Sanierung des Bestands zu nutzen, ist klimapolitisch zwingend notwendig. Selbst die unzureichenden Klimaziele der Bundesregierung können nur mit einer Steigerung der Sanierungsquote auf ca. 3–4 % [19] statt bisher 1 % erreicht werden. Für viele Bestandsgebäude ist dies hinsichtlich baukultureller Qualitäten mehr Chance als Risiko.

Die CO2e-Emissionen, die durch die Sanierung in der Bauphase entstehen, sind sehr schnell über die Einsparungen im Betrieb zu kompensieren.

Hierfür wurden vorgefertigte holzoptimierte Holztafelbaulösungen schon seit vielen Jahren erprobt (Bild 15).

Sowohl für den Bestand als auch für die wenigen aus sozialen Gründen noch erforderlichen Neubauten brauchen wir aufgrund der knappen Holzressourcen eine materielle Vielfalt. Bestehende Materialien müssen weiter optimiert werden. Dies gilt v. a. für Beton. Die technologischen Fortschritte dieses Baustoffs der letzten Jahre sind zu begrüßen und weiter auszubauen. Der Einsatz muss auf ein Minimum reduziert werden und die damit geschaffenen Strukturen über hohe Flexibilitäten über sehr lange Zeiträume nutzbar sein. Alte Materialien wie z. B. Lehm können in besonderen Anwendungsfällen sinnvoll sein. In einem Forschungsprojekt konnte die Nutzung als tragende F90-Brandwand im Prüfversuch nachgewiesen werden (Bild 16).

Weitere Materialien, speziell schnell nachwachsende Rohstoffe wie Stroh, Bambus und insbesondere Myzel-Baustoffe (unterirdische Hyphen der Pilze), müssen erforscht und zugänglich gemacht werden (Bild 17).

Aber auch hier gilt es durch eine systemische Betrachtung die Verfügbarkeiten und weiteren Auswirkungen der Nutzung zu betrachten. Der Einsatz bereits genutzter Bauteile und Baustoffe im Sinne einer Reuse- und Recycling-Strategie ist durch Forschung und Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu befördern.

Solange Gebäude weiterhin die Umwelt belasten, sollten wir v. a. weniger neu bauen und den Bestand energetisch sanieren.


Literatur

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  2. Sobek, W. (2022) Non nobis – über das Bauen in der Zukunft, Band 1: Ausgehen muss man von dem, was ist. Stuttgart: ­avedition, S. 18.
  3. Statistisches Bundesamt (2022) Gesellschaft und Umwelt, Wohnen – Wohnfläche pro Kopf [online]. Wiesbaden: Destatis. www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/Tabellen/wohnungsbestand-deutschland.html;jsessionid=07754F69C80D8B9A6E76968F52020548.live731
    [Zugriff am: 21. Dez. 2022]
  4. Wolf, T.; Untergutsch, A.; Wensing, C.; Mittelbach, H.; Lu-­Pagenkopf, F.; Kellenberger, D. (2019) Potenziale von Bauen mit Holz [online]. Bonn: Umweltbundesamt, S. 27. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2020_10_29_texte_192_2020_potenziale_von_bauen_mit_holz_aktualisiert.pdf [Zugriff am: 21. Dez. 2022]
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Autor:in

Prof. Christian Schlüter-Vorwerg, christian.schlueter@hs-bochum.de, info@acms-architekten.de
Hochschule Bochum; ACMS Architekten GmbH, Wuppertal

Christina Sonnborn, info@acms-architekten.de
ACMS Architekten GmbH, Wuppertal
www.hochschule-bochum.de
www.acms-architekten.de

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