Besser – Weniger – Anders Bauen: Kreislaufgerechtes Bauen und Kreislaufwirtschaft

Grundlagen – Fallbeispiele – Strategien

Besser – Weniger – Anders Bauen ist eine geplante Buchreihe zum nachhaltigen Bauen, die sich an den Kriterien Effizienz (Besser), Suffizienz (Weniger) und Konsistenz (Anders) orientiert. Der erste Band behandelt die Themen kreislaufgerechtes Bauen und Kreislaufwirtschaft und deren Wechselwirkungen.

Die erste Einleitung ist eine Übersicht zur Historie der Nachhaltigkeit. Weil es so schön ist, eine kleine Tour de Force: Los geht es mit der ökologischen Katastrophe der Osterinsel im 18. Jahrhundert durch die Übernutzung der Flora. Dem folgt Carl von Carlowitz’ Sylvicultura Oeconomica von1713 mit Gedanken zur maßvollen Nutzung der Erzgebirgswälder für den Bergbau. Dann ein Zeitsprung zur US-Biologin Rachel Carson mit ihrem Buch Silent Spring 1962, das die Zusammenhänge zwischen Pestiziden etc. und den Folgen für Tier und Mensch verdeutlicht. Eine Dekade später folgt The Limits of Growth des Club of Rome mit der Vorhersage des Kollapses der Erde für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts. Der Brundtland-Bericht der World Commission on Environment and Development definiert 1987 die drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziales; 1997 veröffentlichen Mathis Wackernagel und William Rees Our Ecological Footprint mit der Einführung ebendieses und 2002 etablieren William McDonough und Michael Braungart mit Cradle to Cradle ein wichtiges Prinzip der Kreislaufwirtschaft, womit wir nach zehn Seiten beim Thema angekommen sind.

Das Cradle-to-Cradle-Prinzip unterscheidet einen biologischen und einen technischen Kreislauf, die nicht miteinander vermischt werden dürfen, um nicht die Kreislauffähigkeit von Nährstoffen, Produkten und Gütern und die dafür notwendigen Mechanismen zu zerstören (nach: William McDonough und Michael Braungart, Cradle to Cradle)
Zeichnung: Elena Boerman, Sebastian Kreiter, Tom Unverzagt 

Mit den Prinzipen des kreislaufgerechten Bauens und der Kreislaufwirtschaft geht es nun richtig los mit Materialpass und dem Schmetterlingsdiagramm der Ellen MacArthur Foundation oder einem wichtigen Satz von Julie Hirigoyen: „[…] die Messung und Offenlegung der ökologischen und sozialen Auswirkungen über die gesamte Lieferkette hinweg [ist] der wichtigste Katalysator für nachhaltiges Bauen.“ Das wusste auch schon Managementexperte Peter Drucker: „You can only manage what you can measure. “ Nur, dass hier neu die Ökobilanzierung gemeint ist.
Nun kommt die Grundstruktur zum Tragen: Unter Besser werden Themen wie die Effizienz der Bauwirtschaft mit der Kernaussage, regenerative Materialquellen zu erschließen, oder Rückbau statt Abriss mit verschiedenen Definitionen und einer Fallstudie aus den USA und einer weiteren Fallstudie Neue Häuser aus alten Häusern zum kreislaufgerechten Bauen präsentiert. Dann geht es logisch weiter mit der Kreislaufwirtschaft: Da werden Bürgerinitiativen zur Wiederverwendung – ReUse is gorges – oder sehr lokale Rückbaurichtlinien vorgestellt. Leider fehlen hier Hinweise auf wesentlich weiter gehende Richtlinien, welche es gerade in Nordamerika schon lange gibt.

Mit Weniger und kreislaufgerechtem Bauen geht es gemäß der Struktur weiter mit Philippe Block zu Tragwerken mit Geometrie- und Materialeffektivität, die überwiegend durch 3D-Druck erreicht werden. Dann bereits Kreislaufwirtschaft mit dem bekannten Urban-Mining-Projekt Rathaus Korbach und Anja Rosen, ein paar Ideen zur CO2-Besteuerung von Ken Webster und einem ganz kurzen Text zum Verursacherprinzip von Annette Hillebrandt.

Letztes Kriterium ist Anders (Bauen), und jetzt ist schon klar, dass dies mit kreislaufgerechtem Bauen beginnt. Tut es auch mit der Forderung nach einem Vorrang für die Ökologie – d’accord. Dem folgen einige Fallstudien, so die Triodos Bank von Thomas Rau zur digitalen Aufnahme von Materialien in Gebäuden und Materialpässen und ein Urban-Village-Projekt mit modularen Holzbausystemen. Dann Kreislaufwirtschaft mit Fallstudien wie Kühlung als Dienstleistung oder zu Bodenbelägen. Abschließend gibt es noch was zu allen drei Kriterien zusammen, die spätestens jetzt etwas nerven. Gut, die UMAR Unit im Schweizer NEST-Gebäude gehört schon dazu.

Die UMAR Unit im NEST-Gebäude der Empa Dübendorf
Quelle: Zooey Braun
Die 5 m × 5 m messende Decke in der NEST-Unit HiLo im schweizerischen Dübendorf (Fertigstellung 2021) wird von einer Tragschale aus etwas mehr als 3 cm unbewehrtem Beton mit niedriger Festigkeitsklasse und hohem Recyclinganteil gestützt
Quelle: Juney Lee 

Das Buch ist eine strukturverliebte Sammlung von kurzen, meist gut zu lesenden Beiträgen vieler verschiedener engagierter Autor:innen aus Amerika und Europa mit sehr vielen Einleitungen. Naturgemäß kommen die einzelnen Texte ob dieser Knappheit über Konzeptionelles und Inspirierendes nicht hinaus. Was wirklich fehlt, ist ein bisschen mehr Tiefe, mehr Technik, mehr echtes Know-how; der Teufel sitzt bekanntlich im Detail. Alles ist, wenn auch offenbar unglaublich gut gemeint, mehr Engagement im Kleinen denn wirkliche Anleitung zur Veränderung im Großen im notwendigen bauwirtschaftlichen Maßstab. Also ein schönes Buch zum Wohlfühlen, das sicher anregt, aber die Bauwelt (noch) nicht wirklich verändert.


Besser – Weniger – Anders Bauen: Kreislaufgerechtes Bauen und Kreislaufwirtschaft

Grundlagen – Fallbeispiele – Strategien
Dirk E. Hebel, Felix Heisel mit Ken Webster (2022)
Basel: Birkhäuser Verlag 160 S., Softcover, 48 Euro

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