5. Jahreskonferenz der re!source Stiftung

Ressourcenverfügbarkeit und die Vorreiterrolle der öffentlichen Hand sind Schlüsselfaktoren

Aktuelle Zahlen belegen die Dringlichkeit einer Ressourcenwende in der Bau- und Immobilienwirtschaft: Etwa 215 Mio. t mineralischer Bauschutt fallen jährlich allein in Deutschland an. Das sind mehr als 50 % des gesamten Abfallaufkommens. Die gemeinnützige re!source Stiftung setzt sich für eine umfassende Ressourcenwende ein, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt. Unterstützt wird re!source von Bundesbauministerin Klara Geywitz: „Wir haben ein Qualitätssiegel für nachhaltige Gebäude entwickelt, das sich bereits erfreulich gut am Markt etabliert. Es beinhaltet u. a. eine Ökobilanz und Kriterien an eine nachhaltige Materialgewinnung. Zudem werden wir einen Rohstoffindikator einführen, der einen schonenden Umgang mit Ressourcen fördern soll.“ Vor diesem Hintergrund fordert Sandra Weeser (FDP), MdB und Vorsitzende des Bauausschusses des Deutschen Bundestags, eine Technologie-Offensive: „Mit der richtigen Technologie wird der Bausektor vom Klimaproblem zur Klimalösung. Dazu müssen wir innovative Materialien und Techniken aber schneller aus dem Labor zum Prototyp und vom Prototyp auf die Baustellen bringen. Weesers dringender Appell: „Mehr Daniel Düsentrieb wagen!“

Annette von Hagel, geschäftsführende Vorständin der re!source Stiftung, und Sandra Weeser, MdD, Vorsitzende des Bundestags-Bauausschusses
Quelle: re!source Stiftung e. V./Mara von Kummer

re!source fordert auch vom öffentlichen Sektor, bei Vergaben an die Bauwirtschaft den Klimaschutz stärker zu berücksichtigen. „Die öffentliche Hand ist mit ca. 20 % des Hochbaus einer der größten Bauherren in Deutschland und könnte jährlich 1,9 Mio. t CO2 einsparen“, betont Annette von Hagel, geschäftsführende Vorständin der re!source. Die Stiftung setzt sich dafür ein, bei Baumaßnahmen stets auch an den Rückbau zu denken. Das sieht aktuell weder das Planungs- und Bauverhalten noch die Gesetzgebung vor. Dringend benötigt wird eine durchgängige Dokumentation für alle Baumaßnahmen, sei es im Neubau- oder Sanierungsbereich. Im Mittelpunkt der diesjährigen re!source Jahreskonferenz standen neben der Ressourcenverfügbarkeit die Themen Wissenschaft und Forschung sowie Industrialisierungsstrategien zur Ressourcenwende, Finanzierungs- und Bewertungsstrategien sowie der politische Diskurs mit dem Schwerpunkt öffentliche Hand.

Die einseitige Fokussierung auf Energiesicherheit ist nicht ausreichend.

Rolf Brunkhorst
Geschäftsführender Vorstand re!source

Zum Abschluss der Konferenz betonte Rolf Brunkhorst, geschäftsführender Vorstand der re!source: „In der gegenwärtigen Lage ist die einseitige Fokussierung auf Energiesicherheit nicht ausreichend. Die Ressourcensicherheit ist gerade für die Bau- und Immobilienwirtschaft essenziell.“
re!source fordert daher:

  1. Die Rahmenbedingungen für die Wiederverwendung von Bauteilen und den Einsatz von Recyclingmaterialien müssen deutlich vereinfacht und den technischen Möglichkeiten angepasst werden.
  2. Wiederverwendungs- und Recyclingpotenziale der Baumaterialien und Bauprodukte müssen in der Lebenszyklusbetrachtung berücksichtigt werden. Dazu sind die Umnutzung, der Rückbau und die Wiederverwendung schon bei der Planung mitzudenken.

Brunkhorst: „Zur Umsetzung werden geeignete politische und gesetzliche Rahmenbedingungen benötigt. Nur so wird zukünftig kreislauforientiert gebaut und saniert werden und der Rohstoff- und Materialverknappung langfristig entgegengewirkt.“

Konferenz-Dokumentation der Diskussionsbeiträge aller Speaker der Konferenz

Klara Geywitz (SPD), Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, versprach in ihrem Grußwort, das klimafreundliche Sanieren und Bauen voranzubringen. „Dafür müssen wir zukünftig den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden stärker berücksichtigen, um auch die sog. grauen Emissionen zu reduzieren. Das soll zu einer wichtigen Ziel-, Planungs- und Nachweisgröße im Bauwesen werden“, sagte die Ministerin. Insgesamt, so Klara Geywitz, wolle die Bundesregierung viel stärker auf Kreislaufwirtschaft setzen. „Kreislaufwirtschaft ist mehr als Material-Recycling oder Rückbau von Gebäuden. Sie beginnt bei der Planung, in der festgelegt wird, ob beim Bauen Ressourcen geschont werden, ob langlebige Bauwerke geschaffen werden, die auch flexible Nutzungen erlauben. Ein Gebäude, das heute als Bürokomplex gebaut wird, sollte morgen auch als Wohnanlage genutzt werden können.“ Das Bundesbauministerium hat dafür ein Qualitätssiegel für nachhaltige Gebäude entwickelt, das sich laut Geywitz bereits erfreulich gut am Markt etabliert habe. Es beinhalte u. a. eine Ökobilanz und Kriterien an eine nachhaltige Materialgewinnung. Geplant sei zudem die Einführung eines Rohstoffindikators, der den schonenden Umgang mit Ressourcen fördern solle.

Sandra Weeser (FDP), Vorsitzende des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, betonte in ihrer Keynote, dass keine Branche so materialintensiv sei wie die Baubranche. Daher bestehe enormes Potenzial für zirkuläre Rohstoffnutzung und Recycling. „Es ist faszinierend und ermutigend, mit welchen innovativen Technologien man den Gebäudebestand vom CO2-Emittenten zur CO2-Senke machen kann“, so Weeser. Dies betreffe nicht nur Holz, sondern auch absorbierenden Beton, Dämmmaterialien aus Stroh, Hanffaser und Recycling-Ziegel. Mit der richtigen Technologie werde laut Weeser der Bausektor vom Klimaproblem zur Klimalösung. „Dazu müssen wir innovative Materialien und Techniken aber schneller aus dem Labor zum Prototyp und vom Prototyp auf die Baustellen bringen. Mehr Daniel Düsentrieb wagen!“, lautete Weesers Aufruf.

Panel 1: Ressourcenverfügbarkeit

Dr. Thomas Gäckle, Leiter der Unterabteilung Rohstoffpolitik des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), zeigte auf, dass rd. die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen auf die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen zurückgehe. Gäckle appellierte, Rohstoffe daher zukünftig effizienter zu nutzen und hierfür konsequent auf Kreislaufwirtschaft und innovative Technologien wie den Leichtbau zu setzen. „Damit der Earth Overshoot Day im Kalender nicht immer weiter nach vorne rückt, müssen wir Rohstoffe künftig deutlich effizienter nutzen. Dazu müssen wir die Kreislaufwirtschaft konsequent ausbauen und innovative Technologien wie den Leichtbau in die breite Anwendung tragen“, so seine Forderung.

Dr. Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), machte darauf aufmerksam, dass die globale Rohstoffproduktion zum Teil hoch konzentriert sei, da nur wenige Länder außerhalb Europas wichtige Rohstoffmärkte dominierten. „Von den 60 wesentlichen Metallen und Industriemineralen und ihren über 200 ersten Zwischenprodukten weisen knapp 45 % erhöhte potenzielle Beschaffungsrisiken auf“, so seine beunruhigende Bilanz.

Rolf Brunkhorst, Dr. Peter Buchholz (Leiter Deutsche Rohstoffagentur (DERA) – Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)), Nadja Lavanga (Expertin Netzwerk Ressourceneffizienz Schweiz (Reffnet), Intep | Integrale Planung GmbH), Dr. Thomas Gäckle (Leiter Unterabteilung Rohstoffpolitik – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK))
Quelle: re!source Stiftung e. V./Mara von Kummer

Nadja Lavanga von der Intep Integrale Planung GmbH und Expertin beim Netzwerk Ressourceneffizienz Schweiz (Reffnet) begleitet Organisationen und Bauprojekte auf dem Weg der Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft. „Wir unterstützten bei der Identifizierung von Handlungsmöglichkeiten und ersten Schritten, bei der Entwicklung von Strategien und zirkulären Geschäftsmodellen sowie beim Aufbau eines Ressourcen-Monitorings“, so Lavanga. „Im Bereich Gebäude und Ausstattungen erstellen wir bspw. reuse-Konzepte, die sich bereits in der Praxis bewährt haben. Mittels Ökobilanzierung (LCA) und Lebenszykluskostenbetrachtung (LCC) schaffen wir datenbasierte Entscheidungsgrundlagen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft“, erläuterte Lavanga. Neben Zürich hat Intep Büros in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt/Main.

Panel 2: Wissenschaft und Forschung zur Ressourcenwende

Prof. Dr.-Ing. Gunnar Grün, stellvertretender Institutsleiter beim Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP), Professor für Bauphysik an der Universität Stuttgart, Institut für Akustik und Bauphysik (IABP), stellte eine völlig neuartige Form der Wiederaufbereitung von Baustoffen vor: die sog. elektrodynamische Fragmentierung, kurz EDF. Dabei werden mithilfe von ultrakurzen Hochleistungsimpulsen Verbundwerkstoffe selektiv in ihre Einzelbestandteile aufgetrennt. In geeigneten nachgeschalteten Sortierprozessen können dann diese Bestandteile in Stoffgruppen separiert und recycelt oder neuen Verwertungswegen zugeführt werden. „Jetzt kommt es darauf an, die Technik hochzuskalieren. Für eine große Versuchsanlage sind wir weiter auf der Suche nach Investoren“, erklärte Grün. Auf der re!source Konferenz konnte der Fraunhofer-Experte dafür mit neuen Interessenten in Kontakt treten.

Annette von Hagel, Prof. Dr.-Ing. Sabine Flamme (Professur für Ressourcenmanagement, Institut für Infrastruktur – Wasser – Ressourcen – Umwelt (IWARU), FH Münster, stellvertretende Vorstandsvorsitzende re!source Stiftung e. V.), Prof. Dr.-Ing. habil. Anica Meins-Becker (Professur für die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Bergische Universität Wuppertal), Prof. Dr.-Ing. Gunnar Grün (stellvertretender Institutsleiter Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP), Professor für Bauphysik Universität Stuttgart, Institut für Akustik und Bauphysik (IABP))
Quelle: re!source Stiftung e. V./Mara von Kummer

Prof. Dr.-Ing. Sabine Flamme, Professorin für Ressourcenmanagement, Institut für Infrastruktur – Wasser – Ressourcen – Umwelt (IWARU) der FH Münster und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der re!source Stiftung e. V.. stellte das innovative Projekt RessProKA vor. Ziel von RessProKA ist es, technische und finanzielle Lösungsansätze zu entwickeln, um die für Gewerberäume genutzten Bauprodukte möglichst lange im Kreislauf zu halten. Dafür können Bauprodukte während ihrer gesamten Nutzungsphase im Eigentum der Herstellerinnen und Hersteller verbleiben. Diese sind nach Gebrauch auch für die Rückführung und die Refabrikation verantwortlich. „Wir verfolgen mit RessProKA einen systemischen Ansatz, der konzeptionell und instrumentell eine Übertragung der entwickelten Modelle auch auf andere Bauprodukte ermöglichen soll“, so Flamme. Die Möglichkeiten, die die Digitalisierung – etwa mittels Building Information Modeling (BIM) – zur Datendokumentation und zur Kennzeichnung für Verortung und Rückverfolgung bietet, sollen ebenfalls im Rahmen des Projekts untersucht und bewertet werden.

Prof. Dr.-Ing. habil. Anica Meins-Becker, Professur für die digitale Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Bergische Universität Wuppertal, verwies darauf, dass Konzepte zur Datendurchgängigkeit und die damit ermöglichte Produktrückverfolgbarkeit entlang der Informationslieferkette in einigen Branchen bereits erfolgreich in der Praxis etabliert seien, so z. B. im Gesundheitswesen, im Einzelhandel oder in der Automobilindustrie. „Bei der Digitalisierung baulogistischer Prozesse stehen wir leider immer noch am Anfang, obwohl es zu etwa 80 % der Bauprodukte bereits Datensätze gibt, da diese im Handel benötigt werden“, so Meins-Becker. „Was wir brauchen, sind Digitale Lebenszyklus-Zwillinge mit Stamm- und baulogistischen Ereignisinformationen zu Objekten.“ Das ab Anfang 2023 geltende Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette von Bauprodukten erhöhe zusätzlich die Anforderungen an die Bereitstellung und Verfügbarkeit von Informationen zu Bauprodukten durch die Hersteller, die Händler und die Bauausführenden. „Ohne die digitale Bauproduktrückverfolgbarkeit wird die Ressourcenwende kaum umzusetzen sein“, so der eindringliche Appell der Professorin.

Panel 3: Industrialisierungsstrategien zur Ressourcenwende

Frank Steffens, Geschäftsführer der Brüninghoff Group und im Vorstand der re!source Stiftung e. V., stellte das geplante Betonfertigteilwerk vor, mit dem Brüninghoff seinen Standort in Heiden erweitern will. Mit dem neuen Werk verfolge man ein nachhaltiges Gesamtkonzept, denn hier soll zukünftig Beton mit einem Recyclinganteil von bis zu 45 % verarbeitet werden. Derzeit stehe man bereits in Kontakt mit Abbruchunternehmen, um die Zulieferung der aufbereiteten Gesteinskörnung Typ 1 sicherzustellen. In Heiden sollen zudem Holz-Beton-Verbunddecken inkl. der Vorrüstung von Heiz- und Kühlsegmenten in großer Serie produziert werden. „Bereits heute kommen die innovativen Deckenelemente europaweit bei Großprojekten zum Einsatz – ab 2023 dann auch mit rezyklierten Beton“, versprach Steffens.

Rolf Brunkhorst, Frank Steffens (Geschäftsführer Brüninghoff Group, Vorstand re!source Stiftung e. V.), Inga Stein-Barthelmes (Geschäftsführerin planen-bauen 4.0 GmbH), Dominik Campanella (Geschäftsführer Concular GmbH, Mitglied re!source Stiftung e. V.)
Quelle: re!source Stiftung e. V./Mara von Kummer

Inga Stein-Barthelmes, Geschäftsführerin der planen-bauen 4.0 GmbH und Kooperationspartnerin der re!source Stiftung e. V., betonte, dass digitale Tools wie Building Information Modelling (BIM) sehr gefragt seien. Das Problem: zwar würden auch im Bauwesen für die Planung, Errichtung und den Betrieb von Bauwerken digitale Werkzeuge eingesetzt, der Grad der Weiternutzung einmal erzeugter digitaler Informationen bliebe jedoch weit hinter anderen Branchen zurück. „Viel zu häufig gehen wertvolle Informationen verloren. Derartige Informationsbrüche treten über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg auf: angefangen bei den verschiedenen Phasen der Planung über die Ausführung und die lange Phase der Bewirtschaftung bis hin zum Um- bzw. Rückbau des Bauwerks“, erläuterte Stein-Barthelmes. planen-bauen 4.0, das sich als zentraler Ansprechpartner von Politik und Wirtschaft für die Digitalisierung im Bauwesen versteht, setzt sich für eine erfolgreiche Implementierung innovativer digitaler Lösungen ein. „Dafür benötigen wir durchgängige Informationsflüsse, Daten und Prozesse“, so Stein-Barthelmes.

Dominik Campanella, Geschäftsführer der Concular GmbH und Mitglied der re!source Stiftung e. V., präsentierte ein von Concular aufgebautes Portal, auf dem Nutzerinnen und Nutzer in einer Online-Datenbank zahlreiche Sekundärmaterialien finden können. Die Daten und Fotos aus Bestandsgebäuden, die abgerissen werden sollen, hat Concular dafür mit einer eigens entwickelten Smartphone-App zusammengetragen. „Wir versuchen so genau wie möglich den Bestand zu digitalisieren, denn vieles kann vor dem Abriss ausgebaut werden“, erläuterte Campanella. Ein weiterer Vorteil: Interessenten werden benachrichtigt, wenn ihre gewünschte Ware eintrifft. Zu diesem Zeitpunkt muss sie noch nicht einmal ausgebaut sein. Denn durch die frühzeitige Vermarktung kann alles, was in einem Gebäude ausgebaut wird, direkt zur neuen Baustelle geliefert werden. Das spart Lager- und Transportkosten. Hersteller können zudem ihre Baustoffe zurückkaufen, um sie aufzubereiten. Das ist z. B. bei Gipskartonwänden der Fall. „Gips entsteht bei der Verstromung von Kohle. Doch da weniger Kohle abgebaut wird, gibt es auch immer weniger Gips. Der Bedarf ist aber gleichbleibend hoch. Daher nehmen immer mehr Gips-Erzeuger die Wände gern zurück, um sie dann recycelt wieder auf den Markt bringen“, so Campanella.

Panel 4: Finanzierungs- und Bewertungsstrategien

Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei der Union Investment Real Estate GmbH, sieht auch die Immobilienwirtschaft in der Pflicht: „Es führt kein Weg an einer Verringerung des Ressourcen- und Energiebedarfs – im Neubau, insbesondere aber bei Bestandsgebäuden – vorbei“, betonte von Mallinckrodt. Dass die notwendigen Sanierungsmaßnahmen in vielen Fällen unterbleiben, sei u. a. auf die unzureichenden Möglichkeiten für Eigentümer zurückzuführen, die Investitionskosten über Mietanpassungen wieder zu erwirtschaften, während der Mieter einseitig von den verringerten Betriebskosten profitiere. Dieses Investor-Nutzer-Dilemma aufzulösen, sei Aufgabe der Politik im Zusammenwirken mit der Immobilienwirtschaft, so von Mallinckrodt. Das von der EU und einem Konsortium aus hochrangigen Immobilieninvestoren unterstützte CRREM-Projekt (Carbon Risk Real Estate Monitor) schaffe diesbezüglich mehr Transparenz. Doch auch mit dieser Hilfestellung bleibe die Reduktion der hohen Emissionen des Gebäudesektors eine enorme Herausforderung, die nicht durch nachhaltigen Neubau allein zu stemmen sei, sondern auch in der heute bereits gebauten Umwelt realisiert werden müsse: „Etwa 80 % des Gebäudebestands im Jahr 2050 sind bereits gebaut, deshalb kann die Lösung nicht im Neubau, sondern muss v. a. im Bestand liegen“, so sein klares Fazit.

Michael Seeberg, Geschäftsführer der hypcloud GmbH, Plattform für gewerbliche Immobilienfinanzierung, unterstützt die Immobilienbranche mit hypcloud bei der institutionellen Immobilienfinanzierung. „Gerade da, wo es Lücken in der Förderlandschaft gibt, ist der Bedarf für innovative Finanzierungslösungen besonders groß. Hier kommen wir von hypcloud ins Spiel und schaffen Zugang zu Kapital, schnell und unbürokratisch“, erläuterte Seeberg. Es dürfe aber nicht vergessen werden: 90 % aller Investitionen in der Immobilienfinanzierung stammen aus der Privatwirtschaft. Wichtiger als höhere Subventionen müsse deshalb eine möglichst effiziente Allokation dieser privaten Mittel sein. „Weniger Bürokratie würde uns und unseren Partnern diese Aufgabe erleichtern“, so Seeberg. An erster Stelle seien hier lange Genehmigungsverfahren für Baugenehmigungen und Bebauungsplanänderungen zu nennen. Ein Planungszeitraum von drei bis fünf Jahren wirke sich wie ein Klotz am Bein auf die zu erwartende Rendite aus und verhindere dadurch manches Bauprojekt. Zudem hake es oft bereits bei der Bereitstellung von Bauland. „Hinzu kommt: durch die föderale Struktur gibt es in den 16 Bundesländern 16 verschiedene Baugesetze mit unterschiedlichen Standards und Anforderungen, die einer Typenbaugenehmigung und damit einer seriellen Bauweise entgegenstehen.“

Brigitte Adam, geschäftsführende Gesellschafterin bei ENA EXPERTS GmbH & Co. KG Real Estate Valuation, betonte, dass man unbedingt valide Informationen und Daten brauche, um eine Investitionsentscheidung zu treffen, und kritisierte gleichzeitig die immer noch unzureichende Datenverfügbarkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Inzwischen gebe es aber die lang geforderte Richtlinie zum Immobilien-Daten-Austausch gif-IDA (Guideline of Real Estate Data Exchange) sowie Best-Practice-Empfehlungen für die Besichtigung von Objekt und Standort, die Datenerhebung, das Analysieren, das Würdigen mit Blick auf die Ergebnisse der Objektbesichtigung und die nachvollziehbare Beurteilung der jeweils relevanten Aspekte im Gutachten. Im Gegensatz zu anderen Ländern existierte in Deutschland bis 2014 kein Standard für den Austausch prozessbezogener Daten zwischen einzelnen Dienstleistern der Immobilienwirtschaft. Vor diesem Hintergrund entwickelte die gif eine Richtlinie zum Immobilien-Daten-Austausch (gif-IDA).

Politischer Diskurs: Öffentliche Hand als Vorreiter

Sven Lemiss, Geschäftsführer der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), unterstrich, dass die gegenwärtige Marktsituation mit bisher nie da gewesener Schärfe die Notwendigkeit verdeutliche, mit unseren Ressourcen anders umzugehen. „Inzwischen ist auch der letzte Rest an trügerischem Gefühl abhandengekommen, immer irgendwie noch etwas Zeit zu haben“, so seine eindringliche Warnung. Dabei sieht sich die BIM als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit: im Bereich Energie- und Umweltmanagement wurden laut BIM mit den aktuellen energetischen Maßnahmen 6678 t CO2 eingespart. Mit den elf 2021 installierten Photovoltaikanlagen kommt die BIM auf ein Volumen von 151 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 15,3 MWp. Den mit Abstand größten Sanierungsstau bei Liegenschaften der öffentlichen Hand hat laut Lemiss die Polizei. „Dann kommen aber auch schon die Feuerwehren. Zum Teil, gerade in Bezug auf die freiwilligen Feuerwehren, hat es hin und wieder aber auch Sinn, die vorhandenen Objekte nicht mehr zu sanieren, sondern neu zu bauen“, so Lemiss.

Sven Lemiss (Geschäftsführer Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM)), Dr. Sibyl Steuwer (Head of BPIE Berlin Office Buildings Performance Institute Europe (BPIE)), Annette von Hagel, Barbara Metz (Bundesgeschäftsführerin Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)), Dietmar Menzer (Referatsleiter EU-Binnenmarkt und Ressourceneffizienz im Bauwesen, Bauproduktenrecht – Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen)
Quelle: re!source Stiftung e. V./Mara von Kummer

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), wies darauf hin, dass sich die Treibhausgasemissionen für Gebäude allein aus der Herstellung, Errichtung und Entsorgung von Bauprodukten inzwischen auf etwa 8 % der deutschen Gesamtemissionen pro Jahr beliefen. Gleichzeitig werde der Großteil der Bauabfälle minderwertig verfüllt, deponiert oder verbrannt, anstatt diese für den Ersatz von Primärmaterialien aufzuarbeiten. „Wir können es uns nicht mehr leisten, dass die Kreislaufwirtschaft am Bau weiterhin in den Kinderschuhen stecken bleibt“, so Metz. Ihre Forderung: „Es müssen sofort die politischen Weichen für eine effektive Kreislaufwirtschaft im Baubereich verankert werden und die öffentliche Hand ihre Vorreiterrolle durch klimazielkonformes, ressourcenschonendes und kreislaufgerechtes Bauen erfüllen.“

Dr. Sibyl Steuwer, Head of BPIE Berlin Office bei Buildings Performance Institute Europe (BPIE), ist überzeugt, dass ein klimaneutraler Gebäudesektor nur mit einem schnellen Perspektivwechsel zu schaffen sei. Es gehe bei der Sanierung des Bestands nicht länger um „mehr Effizienz, sondern um Klimaneutralität bis 2050“. Eigentümer und Eigentümerinnen bräuchten für ihre Sanierungsentscheidungen eine klare Orientierung, das Richtige zu tun. Darüber hinaus sei es enorm wichtig, wie man im Gebäudebestand nicht nur Klimaneutralität, sondern auch Klimaresilienz schaffen könne.

Dietmar Menzer, Referatsleiter EU-Binnenmarkt und Ressourceneffizienz im Bauwesen, Bauproduktenrecht im Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, setzte ebenfalls den Fokus auf den Gebäudebestand und dessen Sanierung, denn von den 21,6 Mio. Gebäuden in Deutschland seien 11,8 Mio. Ein- und Mehrfamilienhäuser energetisch sanierungsbedürftig. „Die Sanierungsrate verharrt nach wie vor bei 1 %. Eine Verdopplung wäre nötig, um die Minderungsziele bei den deutschen Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich bis 2030 zu erreichen“, so Menzer.


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