Der Bausektor ist für etwa 50 % der Rohstoffgewinnung in der EU verantwortlich und einer der rohstoffintensivsten Wirtschaftsbereiche der EU. Neben dem Ressourcen-, Energie- und Flächenverbrauch sowie den CO2-Emmissionen ist der Bausektor mit 230 Mio. Mg/a auch für etwa 55 % der Abfallmengen in Deutschland verantwortlich. Die notwendige Transformation von der linearen zur zirkulären Wertschöpfung stellt das Bauwesen vor große Herausforderungen, für die neue Lösungsansätze zu entwickeln sind. Daran knüpft das im Aufbau befindliche Zentrum für Zirkuläre Wertschöpfung im Bauwesen (ZWiB) an der FH Münster an und stellt die Förderung der Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten. Dabei bietet insbesondere die Digitalisierung viele Ansatzpunkte, um die zirkuläre Wertschöpfung über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken – von der Planung bis zum Rückbau – zu unterstützen und die Ressourceneffizienz der Baubranche zu steigern.
Bauwerke im Hoch- und Tiefbau, mit den hierin verbauten Materialien und technischen Ausstattungen, können wichtige (Sekundär-)Rohstoffquellen der Zukunft werden, mit denen den Herausforderungen der zunehmenden Ressourcenverknappung entgegengewirkt werden kann. Für die effiziente Nutzung der verbauten Rohstoffe bedarf es jedoch Informationen, bspw. Angaben zu Materialarten, -mengen und -qualitäten, ihren Verbindungen miteinander sowie der Verortung. Nur so können Baustoffe nach dem Rückbau gezielt einem Recycling oder sogar einer Wiederverwendung zugeführt und im Wertstoffkreislauf gehalten werden.
In diesem Zusammenhang können digitale Instrumente und Methoden, wie z. B. Building Information Modeling (BIM), unterstützen. Bauwerke lassen sich so anhand eines digitalen Bauwerksmodells mit geometrischen Informationen und den dazugehörigen Bauteileigenschaften vollständig abbilden. Dieser Ansatz wird in der Planungs- und Genehmigungsphase einzelner Bauprojekte bereits genutzt. Er ermöglicht die Speicherung, Pflege und Erweiterung aller Informationen zum Bauwerk (Identität der Bauteile, Konstruktions- und Materialinformationen sowie Montage- und Demontageanleitungen, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen).
Eine gezielte Aufnahme, Weiterentwicklung und Nutzung dieser Daten für die Aspekte der zirkulären Wertschöpfung fehlt jedoch bislang. Um hier neue Ansätze zu entwickeln und Impulse zu liefern, haben sich Prof. Dr. Sabine Flamme, Prof. Dr. Henriette Strotmann und Prof. Dr. Carsten Bäcker von den Fachbereichen Bauingenieurwesen sowie Energie – Gebäude – Umwelt an der FH Münster als interdisziplinäres Team im Rahmen des Forschungsprojekts ZWiB zusammengeschlossen. Es wird angestrebt, die vorhandene Expertise an der Hochschule zu bündeln und mittelfristig mit anderen Fachbereichen das Zentrum für Zirkuläre Wertschöpfung im Bauwesen an der FH Münster zu etablieren. Im Rahmen des vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zwei Jahre geförderten Forschungsprojekts wird seit Oktober 2021 an verschiedenen Fragestellungen in diesem Kontext gearbeitet. Hierzu sind in den nächsten Monaten Veranstaltungen und Gespräche mit der Bauwirtschaft vorgesehen.