Im Jahr 2020 erreichte der weltweite Verbrauch von Rohstoffen über 90 Mrd. t, während der Anteil der Treibhausgasemissionen aus der Materialherstellung an den weltweiten Treibhausgasemissionen von 15 % im Jahr 1995 auf 23 % im Jahr 2015 stieg. Auf den europäischen Bausektor entfallen 42 % des Gesamtenergieverbrauchs, 38 % der gesamten THG-Emissionen, 50 % der gewonnenen Materialien und 30 % des Wasserverbrauchs. Wie Ursula von der Leyen auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments im September 2020 sagte, muss die EU zu einem Kreislaufwirtschaftsmodell übergehen, um den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu verringern. Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, dass die EU ihr Klimaneutralitätsziel für 2050 erreichen kann. Um die Auswirkungen des Bauwesens und anderer materialintensiver Industrien auf den Klimawandel zu bekämpfen, müssen wir alternative, nachhaltige und ressourceneffiziente Materialien finden.
Ein Forscnungsprojekt des Karlsruher Instituts für Technologie am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen basiert auf den Zielen Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und Nutzung erneuerbarer Materialien, um alternative Produkte für die Bauindustrie zu entwickeln und so deren Beitrag zu den CO2-Emissionen zu verringern. Dies hat zur Entwicklung einer neuen Klasse biobasierter, ressourceneffizienter und CO2-negativer Materialien namens NEWood geführt. Dafür werden ausschließlich verfügbare organische Abfälle wie Holzabfälle oder landwirtschaftliche Abfälle verwendet. Dazu wird Pilzmyzel als natürliches Bindemittel eingesetzt, ohne dass synthetische Bindemittel erforderlich sind. NEWood ist ein 100%ig biobasierter Ersatz für Holz und Holzwerkstoffe und wird nach einem Kreislaufwirtschaftsmodell hergestellt, bei dem kein frisch geschlagenes Holz oder frisch geschnittene Naturfasern verwendet werden. Darüber hinaus zielt NEWood darauf ab, einen Paradigmenwechsel im Bausektor herbeizuführen, indem Millionen von Tonnen organischer Abfälle in Holz ohne Holz umgewandelt werden, sodass die Treibhausgasemissionen der Bauindustrie reduziert werden können.
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass NEWood vergleichbare Eigenschaften wie Holzwerkstoffe wie z. B. MDF-Platten und Spanplatten aufweist. Die Verwendung von Myzel, dem strukturellen Teil von Pilzen, der ihr vegetatives Wachstum und ihre Masse bildet, ist eine neuartige Bindungsmethode, die die Herstellung einer 100 % nachhaltigen, biobasierten und vollständig recycelbaren Alternative zu Holzwerkstoffen ermöglicht. Darüber hinaus erforscht das Team des Karlsruher Instituts für Technologie am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen bei der Entwicklung von Verbundwerkstoffen auf Mycelbasis in Zusammenarbeit mit einem Industriepartner den Einsatz digitaler und fortschrittlicher Fertigungstechnologien, um NEWood schnell und effizient herzustellen. Die entwickelten digitalen Fertigungstechnologien werden die zukünftige Kommerzialisierung von NEWood in der nächsten Forschungsphase ermöglichen, in der Produktivität, Ressourceneffizienz und Recyclingfähigkeit von NEWood von großer Bedeutung sein werden. Die KIT-Forscher sind überzeugt, dass NEWood eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen MDF- und Spanplatten sein wird und das Potenzial hat, einen Paradigmenwechsel dahingehend herbeizuführen, dass wir unsere zukünftigen Baumaterialien auf der Grundlage des Modells der Kreislaufwirtschaft produzieren und dabei keinen Abfall hinterlassen.
NEWood ist Sieger der DGNB Sustainability Challenge 2022 in der Kategorie Forschung.
Weitere Infos: https://nb.ieb.kit.edu/index.php/category/research/mycelium