Weiter so – ausgeschlossen

Unser Ziel ist klimaneutraler Stahlbau

Bernhard Hahner, mittelständischer Stahlbauunternehmer und Arbeitgeber von rd. 220 Mitarbeitern, sieht eine persönliche Verantwortung darin, sein Unternehmen und seine Branche im Interesse nachfolgender Generationen nachhaltig aufzustellen. In seinem persönlichen Beitrag erläutert er, wie er innerhalb der für sein Unternehmen herausgearbeiteten vier Handlungsbereiche agiert, um seinem Ziel „Klimaneutraler Stahlbau“ kontinuierlich näher zu kommen. Der Beitrag beleuchtet die Einflussmöglichkeiten auf Lieferanten und Dienstleister, stellt die Entwicklung eigener nachhaltiger Stahlbauprodukte vor und erläutert im Bereich „Unser Handeln“ bereits umgesetzte ebenso wie geplante Veränderungen und Verbesserungen an Gebäuden und Anlagen. Thema ist auch die Kooperation mit Kunden, die sowohl nachhaltige Produktion einfordern als auch selbst durch intensive Zusammenarbeit in der Planungsphase Projekte vor Produktionsbeginn optimieren können. Dabei geht der Beitrag auch auf Trends wie Urban Mining oder Building Information Modeling ein. Bernhard Hahners Fazit aus der gegenwärtigen Situation: Tiefgreifende Veränderungen sind unumgänglich, sie sind aber auch realistisch machbar.

Bild 1 Blick auf das Firmengelände von Hahner Technik am Standort Böckels

Aktuell gewinnt man den Eindruck, der Begriff Nachhaltigkeit taucht immer häufiger in fast allen Zusammenhängen auf und hätte das Zeug dazu, zum Wort des Jahres 2022 zu werden. Endlich! Eine sehr begrüßenswerte Entwicklung. Traurig ist allerdings, dass fast alle wichtigen Wirtschaftszweige und die Politik die dringend notwendige Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit wider besseres Wissen und trotz Mahnungen der Wissenschaft über Jahrzehnte ignoriert haben.

Die Versäumnisse werden klar, wenn man versucht, den gegenteiligen Begriff für Nachhaltigkeit zu definieren. Man landet dann sehr schnell bei „Endlichkeit“. Spätestens an diesem Punkt wird sich hoffentlich jeder der Verantwortung für künftige Generationen bewusst, denn es ist klar: Ein „Weiter so“ kann es nur für eine sehr begrenzte Zeit geben. Auf lange Sicht über mehrere Generationen hinweg kann Leben (speziell die menschliche Existenz) auf der Erde nur nachhaltig funktionieren. Somit wird es höchste Zeit, dieses Thema in ausnahmslos allen Branchen ganz oben auf die Agenda zu setzen.

Bild 2 Solarcarport 2011

Der Werkstoff Stahl mit seinen vorteilhaften mechanischen Eigenschaften wird bei der Gestaltung zukünftiger Lebensräume eine bedeutende Rolle spielen. Daher besteht auch hier die Notwendigkeit, die komplette Wertschöpfungskette nachhaltig auszurichten. Als Stahlbauer sind wir ein wichtiges Glied dieser langen Kette, die vom Erzabbau über die Roheisengewinnung, Verhüttung, Halbzeugherstellung, Verarbeitung, Nutzung bis zur Wiederverwertung einen ewigen Kreislauf darstellen muss, um wirklich nachhaltig sein zu können.

Natürlich bewegen mich diese Themen als Vater von drei Kindern, aber auch als mittelständischer Arbeitgeber sehr. Meine Familie, unser Team und ich selbst überlegen seit Jahren, wie unser Beitrag als Stahl verarbeitendes Unternehmen sein kann, um Nachhaltigkeit zu bewirken. Hier gibt es prinzipiell eine ganze Reihe von Möglichkeiten, bei denen uns und unserem betrieblichen Umfeld eine besondere Rolle zukommt:

  1. Unsere Lieferanten und Dienstleister
  2. Unsere Produkte
  3. Unser Handeln
  4. Unsere Kunden

1 Unsere Lieferanten und Dienstleister

An unseren Standorten in Petersberg-Böckels und Geschwenda verarbeiten wir rd. 10.000 t Profilstahl und Bleche pro Jahr. Diese Tonnage ist angesichts eines einzigen Hochofenabstichs von 700 t nicht wirklich relevant. Somit ist unser Einfluss auf die Stahl erzeugende Industrie nur gering. Allerdings können wir unseren Willen, mit nachhaltig wirtschaftenden Lieferanten zusammenzuarbeiten, klar formulieren und durch gezielte Lobby- und Verbandsarbeit einfordern.

Mit unserem Grundwerkstoff Stahl haben wir das Glück, über ein Material zu verfügen, das sich nahezu ohne Qualitätsverlust unendlich oft recyceln lässt. Das sind beste Voraussetzungen für eine wirkliche Kreislaufwirtschaft. Für die Rohstahlerzeugung sind in Zukunft keine klassischen Hochöfen für die Reduktion mehr erforderlich. Das gelingt inzwischen auch per Direktreduktion mit Wasserstoff, der allerdings noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Durch die steigenden CO2-Abgaben werden die Stahlkonzerne jedoch zur Handlung gezwungen.

Eine wirkliche Kreislaufwirtschaft im Sinne der Nachhaltigkeit ist mit dem Werkstoff Stahl also machbar. Hier fehlt es noch am echten Willen der Politik und der Investitionsbereitschaft der Global Player in der Rohstoffproduktion. Im Vergleich zu Baumaterialien wie bspw. Beton, dessen CO2-Probleme sich nur durch Verpressen in tiefe Erdschichten lösen lassen, sehe ich im Stahl einen Werkstoff mit Zukunft.

Bei unseren externen Dienstleistern achten wir bereits heute genau darauf, wie diese sich für die Zukunft aufstellen. Beispielsweise arbeiten wir seit Jahren im Bereich Feuerverzinkungen mit einem Partner zusammen, der sich der Cradle-to-Cradle-Philosophie verschrieben hat, am Thema Nachhaltigkeit permanent arbeitet und sich kontinuierlich verbessert. Ein wesentlicher Durchbruch ist hier allerdings erst zu erreichen, wenn ausreichend nachhaltig erzeugter Wasserstoff zu Verfügung steht, um die Verzinkungskessel zu beheizen.

2 Unsere Produkte

Bereits vor zwölf Jahren haben wir uns mit der Entwicklung von nachhaltigen Produkten für den Stahl- und Metallbau beschäftigt. Dabei entstanden der Prototyp und die Kleinserie eines Solarcarports in Modulbauweise (Bild 2), für den wir 2011 mit dem Deutschen Metallbaupreis ausgezeichnet wurden. Dieses Produkt kam eindeutig zu früh für den Markt, da die Anzahl der E-Fahrzeuge damals noch sehr überschaubar war. Deshalb haben leider nur sehr wenige Solarcarports einen Besitzer gefunden.

Einige Bundesländer haben bereits gesetzliche Regelungen beschlossen, die neue gewerbliche Parkflächen ab einer gewissen Größe nur noch genehmigen, wenn Solaranlagen über der Fläche installiert werden.

Ich bin sicher, weitere Bundesländer werden nachziehen. Für uns ist das ein klarer Auftrag, an unsere bereits vor zwölf Jahren entstandene Produktidee anzuknüpfen. Wir werden die Entwicklung technisch auf den neuesten Stand und zur Marktreife bringen.

Für die Produktentwicklung haben wir im letzten Jahr ein eigenes Ingenieurbüro gegründet und wollen hier u. a. nachhaltige Stahlbauprodukte entwickeln. Darunter verstehen wir Produkte, durch die Nachhaltigkeit ermöglicht wird, bspw. zur Stromerzeugung – wie mit dem Solarcarport – oder zur Steigerung der Energieeffizienz. Hierfür arbeiten wir gerade am Design eines standardisierten Moduls für Klimaanlagen-Dachaufständerungen, um Wärmebrücken an der Durchdringungsstelle durch die Dachhaut zu vermeiden.

Es geht aber auch um ein radikales Umdenken in den Herstellungsmethoden klassischer Metallbauprodukte, um Energie zu sparen. So haben wir bspw. ein einfaches Absturzsicherungsgeländer entwickelt, bei dem wir die Schweißarbeiten komplett durch ein Stecksystem ersetzen. So werden nicht nur Arbeitszeit, sondern auch Energie und Schweißzusatzwerkstoff eingespart.

3 Unser Handeln

Wichtig erscheint mir, dass sich jeder in der Prozesskette seiner Verantwortung bewusst ist und entsprechend handelt. Wir als Stahlbauer/-verarbeiter müssen hierzu genauso unseren Beitrag leisten wie alle anderen Beteiligten an diesem Kreislauf.

Das Thema Energie, speziell elektrische Energie, spielt im Stahlbau eine wichtige Rolle. Diese benötigen wir zum Heizen, zum Schweißen, zur Lacktrocknung oder zum Transport. Um unseren Hunger nach elektrischem Strom zu stillen, haben wir bereits vor rd. 15 Jahren die erste Photovoltaikanlage auf den Dächern montiert, damals etwa 40 KWP. Aus diesen bescheidenen Anfängen hat sich bis heute ein Anlagensystem auf eigenen Dächern und Fassaden entwickelt, das mit fast 1 MWP die Stromversorgung sicherstellt (Bild 1). Die PV-Anlagen liefern rd. 800.000 KWh elektrischer Energie jährlich, von denen wir rd. 350.000 KWh selbst verbrauchen. Den Überschuss speisen wir ins Netz ein.

Tab. 1 Überblick über Solaranlagenpflichten in deutschen Bundesländern (Stand 10/2021)
Quelle: www.energie-experten.org/erneuerbare-energien/solarenergie/solaranlage/solardachpflicht

Um Vorbehalte der Mitarbeiter gegenüber der E-Mobilität auszuräumen, habe ich selbst den Praxistest gewagt und bin auf ein E-Fahrzeug mit größerer Reichweite umgestiegen. Nach gut einem halben Jahr kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass die Reichweitendiskussion an der Realität vorbeigeht und ein E-Fahrzeug absolut alltagstauglich ist. Die Kollegen mit Firmenwagen und Mitarbeiter mit ihren Privatfahrzeugen werden sicher bald folgen, zumal sie während der Arbeitszeit an unseren betriebseigenen Ladestationen kostenfrei Solarstrom tanken können.

Gleichzeitig arbeiten wir daran, unseren Strombedarf zu reduzieren und haben unsere rd. 10.000 m² Fertigungsfläche und 2000 m² Bürofläche bereits vollständig auf LED-Beleuchtung umgestellt. Im Bereich der Schweißtechnik tauschen wir unsere alten stufengesteuerten Schweißmaschinen gerade Zug um Zug gegen wesentlich stromsparendere, elektronisch geregelte Anlagen aus (Bild 3).

Erst im letzten Jahr haben wir in Schweißrauchabsaugungen investiert, die die Wärme im Gebäude verbleiben lassen und sich durch ihre intelligente Regelungstechnik dem tatsächlichen Bedarf automatisch anpassen. Das spart Heizenergie und Strom und ist gleichzeitig ein aktiver Beitrag zum Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiter.

Im Bereich der Heiztechnik haben wir damit begonnen, die komplette Beheizung auf Hackschnitzel umzustellen. Der letzte Ölkessel wird Ende 2022 außer Dienst gestellt. Über unser firmeneigenes Nahwärmenetz werden dann alle Hallen und Büros beheizt. In den Hallen kommt eine Fußbodenheizung mit Bodenkernaktivierung und im älteren Bereich eine Deckenstrahlheizung zum Einsatz. Zum Beheizen der Lackiererei setzen wir auf bewährte Wasser-Luft-Wärmetauscher mit Wärmerückgewinnung, die ebenfalls an das Wärmenetz angeschlossen ist. Der Einsatz dieser 100 % regenerativen Beheizung ersetzt einen Jahresheizölverbrauch von rd. 80.000–100.000 l.

Mit einer nachträglichen Isolierung unserer Bürogebäude und der älteren Werkhallen ist es uns mittlerweile gelungen, für alle Gebäude den KFW-40-Standard zu unterbieten.

Im nächsten Schritt werden wir uns den Bereich Oberfläche/Lackiererei ansehen und sehr genau prüfen, welche Optionen wir haben, um Lösungsmittel im Lack zu vermeiden. Ich gehe davon aus, dass die Zukunft in wasserbasierten Systemen oder in Pulverbeschichtungen liegt.

Mit den bereits umgesetzten Maßnahmen haben wir rein baulich und anlagentechnisch schon einiges erreicht und weitere konkrete Schritte sind geplant. Damit unser Betrieb dauerhaft wirklich nachhaltig wird, genügt das natürlich nicht. Hierzu ist es notwendig, sich die Produkte, die unser Werk verlassen, genauer anzuschauen. Nachhaltigkeit beginnt bereits viel weiter vorne in der Prozesskette. Es gilt, die Konstruktionen im Hinblick auf Ressourcenverbrauch zu optimieren und zu verschlanken. Dies macht intensive Zusammenarbeit mit allen Prozessbeteiligten wie Architekten und Statikern erforderlich und wird den reinen Planungsanteil am Projekt erheblich steigern.

Bild 3 Die neuen Schweißmaschinen sind stromsparende, elektronisch geregelte Anlagen
Bilder: Hahner Technik

4 Unsere Kunden

Nachhaltiges Arbeiten kann durchaus zum Wettbewerbsvorteil werden. Hierzu ein Beispiel aus der Praxis. Wir arbeiten mit einem namhaften und renommierten Kunst- und Architekturbüro zusammen. Es steht mit seinen Projekten in der Öffentlichkeit und nimmt eine Vorbildfunktion ein, da es mit seinem visionären Handeln Grenzen austestet, Richtungen aufweist und Fortschritt ankurbelt. Dementsprechend sind viele Augen auf das Studio gerichtet und beurteilen die Kunstobjekte auch in Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen. Daher wurde ich zu einem Online-Gespräch eingeladen, um herauszufinden, wie nachhaltig unser Unternehmen wirklich arbeitet und wie nachhaltig damit auch die bei uns gefertigten Kunstobjekte sind. Ich bin sicher, solche Interviews werden in Zukunft häufig vorkommen und zu wirklichen Audits werden. Auch in öffentlichen Ausschreibungen ist die nachhaltige Produktion immer häufiger eine zwingende Voraussetzung für die Auftragsvergabe. Wer hier nicht gut aufgestellt ist oder nicht schnellstmöglich nachzieht, dem entgehen in Zukunft Aufträge.

Sicher wird auch Building Information Modeling (BIM) – also die Digitalisierung des Bauens im weitesten Sinne – immer wichtiger. Ziel ist es, alle relevanten Daten eines Bauwerks digital zu erfassen, zu kombinieren und zu modellieren. Diese Daten ermöglichen eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten an einem Bauwerk. So können Informationen schneller ausgetauscht werden, ohne dass sich dabei Fehler einschleichen. Beim Thema Nachhaltigkeit sind diese Daten die Grundlage für das sogenannte Urban Mining. Dabei werden die neu errichteten Bauwerke von heute als Rohstoffquellen für die Bauwerke von morgen betrachtet. Beim Abriss eines Gebäudes in ferner Zukunft landen die einzelnen Gebäudeteile nicht mehr auf dem Müll, sondern das Bauwerk wird wieder in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und für das Errichten neuer Gebäude verwendet. Dafür benötigen die Stahlbauer der Zukunft umfassende Daten zu allen in der Gegenwart verwendeten Baumaterialien. Mit der Digitalisierung ist das Erfassen aller Daten eines Bauwerks kein Problem mehr, allerdings muss es in der Praxis auch noch umgesetzt werden. Die erhobenen Daten müssen an einem zentralen Ort gespeichert und über Generationen hinweg abrufbar sein.

Unser Ziel ist der klimaneutrale Stahlbau – und wir fühlen uns auf einem guten Weg dorthin, weil wir schon früh begonnen haben, alle Bestandteile unserer Produktion auf den Klima-Prüfstand zu stellen und entsprechend zu modernisieren. Niemand in diesem Kreislauf kann sich langfristig seiner Verantwortung entziehen. Selbstverständlich müssen die Kosten für diesen gesamten Kreislauf auf die Nutzungsphasen dieses ewigen Prozesses umgerechnet werden. Tut man das nicht, erhöht das zwar kurzfristig den Wohlstand (wie aktuell gegeben). Dies geschieht aber zulasten künftiger Generationen, quasi als Kredit. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass die Preise für den Werkstoff Stahl, aber auch für Energie, gemessen an ihrem Wert für die Umwelt trotz der jüngsten Preisentwicklung noch zu günstig sind. Erst wenn der komplette Kreislauf eingepreist ist, entsprechen sich Preis und Wert.


Literatur

  1. Hahner, B. (2022) Weiter so – ausgeschlossen: Wie die Stahlbaufertigung sich verändern wird. Stahlbau 91, H. 4, S. 253–257.

Autor

Bernhard Hahner
bernhard.hahner@hahner-technik.de
Hahner Technik
www.hahner-technik.de

Nächster ArtikelMaterialgeschichten