Holztragwerke – ­Struktur und Natur

224 Seiten, Softcover,
54,90 Euro
Edition DETAIL München, 2021

Vorwärts ins Holzzeitalter, so geht das Buch in großen Lettern los und startet in den ersten Teil Forschung und Technik mit einer Reminiszenz an die Multihalle Mannheim, die 1975 mithilfe von Frei Otto entstanden ist. Das ist inspirierend, aber doch ein Blick zurück. Ein aktueller Holzbautrend ist hingegen der Einsatz von Laubholz, insbesondere Buche und Esche, aber auch Ahorn, Eiche, Pappel und Birke. Nachteilen, wie erhöhtes feuchtigkeitsabhängiges Quell- und Schwindverhalten, werden Lösungswege, wie reduzierte Vollholzquerschnitte und Lamellendicken oder Materialmodifikationen zur verringerten Feuchteaufnahme, entgegengesetzt. Auf den gezielten Einsatz höherfester Laubhölzer für hoch belastete schlanke stabförmige Tragglieder oder als formschlüssige Verbindungsmittel wird kurz eingegangen. Dann kommt wieder die Multihalle, auch wenn es diesmal mit modernen Gitterstrukturen weitergeht. Die erinnern ein wenig an die Gewächshäuser in Taiyuan von Delugan Meissl und Bollinger+Grohmann, sind aber bestimmt keine Standardkonstruktion. Der nachfolgende Beitrag Praxisgerechte Holzbauplanung ist der perfekte Gegensatz dazu. Allerdings ist ein gestalterisch schönes Hybridtragwerk durchaus zu hinterfragen, wenn die Stahlhauptträger am Ende eine BSH-Verkleidung bekommen. Hier wird der gerne überhöhte ökologische Anspruch der Holzbauweise als schöne Dekoration geerdet. Ehrlicher geht es bei den prototypischen integralen Stuttgarter Holzbrücken zu. Hier wird die Hauptkon­struktion aus massivem, blockverleimtem Brettschichtholz materialgerecht durch einen überstehenden Gehbelag aus Textilbetonfertigteilplatten vor direkter Bewitterung geschützt. Und dann Betonkern, Holzbetonverbunddecken und Stützen aus Buche – so geht in einem Satz ein 60 m hoher Geschossbau.

Der zweite Teil des Buchs widmet sich zwölf verschiedenen Dachstrukturen. Los geht es recht poetisch in Japan mit einer kleinteiligen Struktur für eine Bogenschießhalle und einer Kapelle, die faktisch nur aus steil aufgestellten Sparren besteht. Das Stadiondach Nizza ist eine hybride, netzartige Stahl-Holzkonstruktion, durch die 3000 t CO2 eingespart worden sein sollen. Über welchen Zeitraum das gerechnet wurde, bleibt unerwähnt und es scheint eher, dass hier der Wunsch nach sichtbarem Holz wieder der Vater des Gedanken war. Mehrere Hallenkonstruktionen zeigen überzeugendere Holzkonstruktionen. Interessant ist eine Fassade mit 36 cm starken OSB-Kastenelementen, die mit Strohballen gefüllt wurden. Wie mögen hier Nutzungsdauer und Austauschbarkeit sein? Eine Blockhaushalle aus ineinandergesteckten Leimholzbindern scheint nur dann nicht auf dem Holzweg zu sein, wenn das Motto lauten soll: Je mehr Holz, umso besser – mit Nachhaltigkeit hat dies weniger zu tun. An Nervis Palazzetto dello Sport erinnert die Pfarrkirche St. Josef in Holzkirchen entfernt. Die aufgelöste, sichtbare Schalenkon­struktion besteht aus BSH-Streben und zusätzlichen Ringbalken und ist im doppelten Sinne ein schönes Holzbaubeispiel. Ein Großteil der Knoten ist mit Formstücken aus Buchen-Furnierschichtholz ausgeführt. Weiter gibt es ein Holzfachwerk mit zusätzlicher Unterspannung, schöne Holzgitterschalen, die von Stahlrahmen getragen werden, sowie verschiedene Holzleimbindervarianten.

Pfarrkirche St. Josef in Holzkirchen
Quelle: Jakob Schoof

Im dritten Teil werden sieben Hoch- und Geschossbauten gezeigt. Über das Skaio ist schon genug geschrieben worden, der Konferenzsaal in Genf geht mit Megafachwerken und Hohlkastenträgern an die Grenzen des Machbaren und das Hochhaus in Brumunddal ist mit 18 Geschossen das höchste Holzgebäude weltweit. Das Buch Holztragwerke – Struktur und Natur greift einige strukturelle Trends wie den Einsatz von Laubhölzern auf, ohne in die Tiefe zu gehen. Ansonsten ist es ein Kaleidoskop an unterschiedlichen Dach- und Hochbaukon­struktionen Inspiration und Einstiegsinformation. Das angekündigte Thema Natur erschöpft sich weitgehend in der offensichtlichen Verwendung von Holz – weitergehende Nachhaltigkeitsthemen werden kaum thematisiert. Da ist der aktuelle Holzbau eigentlich weiter.

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