Bauen in der Zukunft

Prof. Werner Sobek
Foto: Rene Mueller

Das Erste Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes ist ein (schon lang überfälliger) Schritt hin zu einer ganzheitliychen Betrachtung der durch das Bauwesen induzierten klimaschädlichen Emissionen. Es wird die Bewertung der Nachhaltigkeitsqualität von Bauwerken wesentlich verändern. Die seit dem Jahr 2021 gesetzlich vorgegebene Kontingentierung der Emissionen von einzelnen Sektoren wird in absehbarer Zeit zu einer Nachweispflicht der während Herstellung, Betrieb sowie Um- und Rückbau von Bauwerken entstehenden Emissionen führen. Gleichzeitig erfordert die Kontingentierung, also die Mengenbeschränkung für vorgegebene Zeiträume, eine Neuinterpretation von gewohnten Begrifflichkeiten wie bspw. die CO2-Neutralität bestimmter Baustoffe. Das auf eine Emissionsreduktion abzielende Klimaschutzgesetz kollidiert zum Teil mit dem Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz) und den darin geforderten Maßnahmen. Dies erfordert eine neue Bilanzierungsweise, insbesondere bei Maßnahmen zur energetischen Sanierung.

1 Einleitung

Das Erste Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes [1] (auch Klimaschutzgesetz genannt) wird für das Bauwesen erhebliche Auswirkungen sowohl im Bereich der Planung wie auch der Herstellung, des Betreibens sowie des Um- und Rückbaus von Gebäuden und von Infrastrukturbauwerken haben. Das Gesetz fordert für den Sektor Gebäude bis zum Jahr 2030 Emissionseinsparungen gegenüber den im Jahr 2020 getätigten Emissionen von 43 %. Unter Emissionen werden dabei nachfolgend stets klimaschädliche Emissionen verstanden. Die Einsparungen, die bei Errichtung, Um- und Rückbau zu leisten sind, werden im Gesetz nicht genau spezifiziert. Legt man den Durchschnittswert der im Gesetz für alle Sektoren geforderten Einsparungen zugrunde, dann belaufen sich diese auf 65 % gegenüber dem Referenzjahr 1990 bzw. 46 % gegenüber den Emissionen im Jahr 2020. Dies bedeutet, dass das Bauwesen, wenn es die von ihm derzeit eingesetzten Technologien nicht grundlegend verändert, in acht Jahren nur noch knapp die Hälfte des Volumens von 2020 bauen darf.

Das Klimaschutzgesetz stellt den Übergang von einer ausschließlich auf Energieeffizienz fokussierenden Betrachtung hin zur Berücksichtigung der eigentlichen Ursache der Erderwärmung, also den (klimaschädlichen) Emissionen dar. Es ist insofern ein richtiger und wesentlicher Schritt. Das bereits von der Bundesregierung angekündigte Gesetz zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen wird diesen Schritt ergänzen.

Wenn ein Baum ­gefällt wird, dann ist dafür zu sorgen, dass ein neuer Baum ­gepflanzt wird. Das alleine ist aber noch nicht nachhaltig in unserem modernen Sinn.

2 Nachhaltigkeit I

Der Begriff der Nachhaltigkeit in seinem ursprünglichen, von Hans Carl von Carlowitz [2] geprägten Sinn beschreibt ein Handlungsprinzip: Durch Aufrechterhaltung der Regenerationsfähigkeit eines Systems, wie bspw. eines Waldes, soll eine dauerhafte Befriedigung menschlicher Bedürfnisse sichergestellt werden. Bei einer Entnahme aus einem System muss also sichergestellt werden, dass sich das System bis zum Zeitpunkt einer weiteren Entnahme vollständig selbst oder auch durch Rückführung bereits entnommener Substanzen regeneriert hat. Auf die Wälder bezogen und in einfachen Worten ausgedrückt könnte man sagen: Wenn ein Baum gefällt wird, dann ist dafür zu sorgen, dass ein neuer Baum gepflanzt wird. Es geht darum, ein System, oder zumindest Teile eines Systems, über lange Zeiträume hin für den Menschen verfügbar zu halten. Nachhaltigkeit in der auf Carlowitz zurückgehenden Auffassung ist also eine auf den Menschen fokussierende und damit eine anthropozentrisch geprägte, konsumorientierte Betrachtungsweise.

3 Nachhaltigkeit II

Es war das Verdienst der Brundtland-Kommission, Umweltfragen mit Entwicklungsfragen erstmals systematisch und in globaler Perspektive aufeinander zu beziehen und dabei die Verbindung von intra- und intergenerativer Gerechtigkeit deutlich zu machen [3]. Während intragenerative Gerechtigkeit auf den Ausgleich innerhalb einer globalen Gesellschaft und

damit auch auf den Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern fokussiert, zielt die Forderung nach intergenerativer Gerechtigkeit auf das Wohl zukünftiger Generationen ab – ein Problemfeld, das bereits im ersten Bericht des Club of Rome thematisiert wurde [4]. Das Konzept der Nachhaltigkeit im Sinn der Brundtland-Kommission, das als Geburtsurkunde der modernen Nachhaltigkeitsauffassung angesehen werden kann [5], basiert auf der Wertschätzung des anderen und der uns umgebenden Natur. Es ist also nicht anthropozentrisch orientiert. Zudem ist es grundsätzlich normativ ausgerichtet.

Seit dem Brundtland-Bericht wird Nachhaltigkeit (aufgeteilt auf die Bereiche ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit) im sogenannten Drei-Säulen-Modell strukturiert. Das Drei-Säulen-Modell ist ein holistischer Ansatz, der eine einfache Betrachtung seiner einzelnen Subkategorien erlaubt. Im Bauwesen führte dies zunächst dazu, dass über mehrere Jahrzehnte hin eine Fokussierung auf die Subkategorie Reduktion des Energieverbrauchs, häufig auch (eigentlich unzutreffend) als Energieeffizienz bezeichnet, stattfand. Diese Konzentration wurde anfänglich, als Reaktion auf die erste (1972) und die zweite (1979/80) Ölpreiskrise (häufig verkürzt als Ölkrise bezeichnet), versorgungs- und damit wirtschaftsstrategisch begründet. Im Verlauf der Zeit erhielt sie eine zweite, später dominierende Begründung, die zunächst in vergleichsweise diffuser Kommunikation als Notwendigkeit von Umweltschutz, später als Beitrag zur notwendigen Reduktion klimaschädlicher Emissionen begründet wurde. Mit der einseitigen Fokussierung auf Energieeffizienz geriet der holistische Ansatz der Arbeit der Brundtland-Kommission aufseiten der Gesetzgebung, aber auch der Wissenschaft wie der Industrie aus dem Fokus. Dies änderte sich in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts durch die Einführung von Zertifizierungssystemen für Gebäude. Insbesondere im Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB fand das Drei-Säulen-Modell eine weitreichende Berücksichtigung. Ähnlich wie bei der zwischenzeitlich etablierten Methode der Lebenszyklusanalyse [6] soll mit diesen Zertifizierungssystemen eine Messbarkeit von Nachhaltigkeit auf der Basis einer Quantifizierung aller als relevant betrachteten Faktoren und Prozesse herbeigeführt werden. Neben ihrer wichtigen Funktion als Planungshilfe besteht das eigentliche Ziel der Zertifizierungssysteme sowie der häufig in diese eingebetteten Lebenszyklusanalysen im Nachweis eines Nachhaltigkeits-Zielerreichungsgrads (Gold, Silber, Bronze etc.).

4 Energieeffizienz

Die teilweise als „Schock“ bezeichneten Erfahrungen der ersten Ölpreiskrise führten in Deutschland zu intensiven Bemühungen der Politik, einerseits die Abhängigkeit von den in der OPEC zusammenarbeitenden Lieferländern und andererseits den Verbrauch an erdölbasierter Energie zu reduzieren. Das 1976 eingeführte Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden [7] (häufig als Energieeinsparungsgesetz (EnEG) bezeichnet) war eine der ersten Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zur Reduzierung des Energieverbrauchs. Das EnEG ermächtigte die Bundesregierung, Fragen des baulichen Wärmeschutzes durch eine Energieeinsparverordnungso zu regeln, dass beim Heizen und Kühlen vermeidbare Energieverluste unterbleiben (§ 1 Abs. 1 EnEG). Das Energieeinsparungsgesetz wurde mehrfach angepasst und schließlich mit der Energieeinsparverordnung und dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz im Gebäudeenergiegesetz (GEG) [8] zusammengefasst, das seit dem 1. November 2020 in Kraft ist.

Vom EnEG in seiner allerersten Fassung bis hin zum aktuellen GEG haben die deutschen Gesetzgeber stets auf Energieeinsparung bzw. Energieeffizienz, nicht aber auf Emissionseinsparung fokussiert. Dies wird in § 1 (2) des GEG klar formuliert: „Unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit soll das Gesetz im Interesse des Klimaschutzes, der Schonung fossiler Ressourcen und der Minderung der Abhängigkeit von Energieimporten dazu beitragen, die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung sowie eine weitere Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte zu erreichen und eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen.“ Interessant an dieser Fokussierung sind mehrere Aspekte:

Erstens: Die Erfüllung der Forderungen des GEG wird aufgrund planerischer Vorhersagen über das energetische Verhalten eines Gebäudes überprüft; dies erfolgt nicht, obwohl es technisch leicht zu realisieren wäre, durch Messung des tatsächlichen Energieverbrauchs in der Nutzungsphase, sondern basiert auf Simulationswerten.

Zweitens: Die gesamte sich vom EnEG bis zum GEG spannende Gesetzgebung beinhaltet keine Emissionsbeschränkungen. Ein Gesetz, das alle durch das Bauwesen induzierten und nicht nur die vom KSG für die Nutzungsphase eingeschränkten Emissionen betrifft, liegt bis heute nicht vor. Zwar gibt es im GEG §103 (1) eine Innovationsklausel, nach der von § 10 (2) des GEG befreit werden kann, wenn „… a) ein Wohngebäude so errichtet wird, dass die Treibhausgasemissionen des Gebäudes gleichwertig begrenzt werden und der Höchstwert des Jahres-Endenergiebedarfs für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung, Kühlung und eingebaute Beleuchtung …“ einen bestimmten Betrag nicht überschreitet; eine Klausel also, die in der Tat einen Innovationsraum geöffnet hätte. Warum diese aber nur bis zum 31. Dezember 2023 gilt, bleibt unverständlich.

Drittens: Die Argumentation, dass mit der Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger auch eine Reduktion der Treibhausgasemissionen verbunden sei, ist prinzipiell richtig. Diese Emissionseinsparungen sind jedoch nur bedingt hinreichend quantifizierbar, da es nur bedingt eine strenge Korrelation zwischen der Menge des verbrannten Energieträgers und der Menge und der Zusammensetzung der dabei entstehenden klimaschädlichen Gase gibt.

Viertens: Alle Energieeinspargesetze einschließlich der zugehörigen deutschen Förderlandschaft (z. B. die Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW) im Bereich Wohngebäude haben als Bezugsgröße den Energieverbrauch pro Quadratmeter Fläche, nicht jedoch den Energieverbrauch pro Kopf. Die in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten mit viel Aufwand erreichte Halbierung des Energieverbrauchs pro Quadratmeter wurde durch eine Verdoppelung der Wohnfläche per capita im selben Zeitraum neutralisiert. Der Energieverbrauch für Raumwärme und Warmwasser blieb also pro Kopf, trotz aller Einsparbemühungen, derselbe.

Es ist evident, dass mit einer Reduktion des Verbrauchs an fossilen Energieträgern und/oder Biomasse zur Aufbereitung von Warmwasser und Raumwärme auch eine Reduktion klimaschädlicher Emissionen einhergeht. Eine konsequente Betrachtung des Problems würde aber dazu führen, dass ein Gebäude bei Vorliegen einer vollständigen Eigenversorgung durch Erzeugung entsprechender Mengen an „erneuerbarer“ Energie auch ohne jedwede Anforderung an Wärmedämm- oder Luftdichtigkeitsmaßnahmen gebaut werden könnte. Die Einsparmaßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die schwer zu rezyklierenden Wärmedämmverbundsysteme, wären enorm. Warum der Gesetzgeber dies aber nicht erlaubt, sondern mit § 23 Absatz 2 des GEG eine signifikante Einschränkung der anrechenbaren Mengen selbst erzeugter Energie und, damit verbunden, entsprechende Wärmedämm- und Luftdichtigkeitsmaßnahmen vorschreibt, bleibt unverständlich angesichts der Einfachheit der Problemformulierung: Es geht um das vollständige Vermeiden der durch Verbrennungsprozesse induzierten klimaschädlichen Emissionen und eine Reduktion des Materialverbrauchs einschließlich der vollständigen Vermeidung von Abfällen. Das Erreichen dieses Ziels wird durch das GEG aber weder angestrebt noch indirekt bewirkt.

Mit dem ersten ­Bericht des IPCC war klar, dass die Menschheit ihre Überlebens­fähigkeit nur durch eine Reduk­tion der anthropo­genen Treibhausgas­emissionen sichern kann.

5 Emissionsreduktion I

Neben den ersten, sicherlich nur Tendenzen, nicht aber Konsequenzen beschreibenden Aussagen von Swante Arrhenius [9] zu einer durch die Emission von Treibhausgasen bedingten Erderwärmung im Jahr 1896 ist spätestens seit Beginn der 1980er-Jahre bekannt, wie sich die Erderwärmung zu entwickeln droht – und auf welche vielfältige und fundamentale Weise dies unser aller Existenz bedroht. Bereits mit dem ersten Bericht des IPCC im Jahr 1990 [10] war klar ersichtlich, dass die Menschheit ihre Überlebensfähigkeit in der Zukunft nur noch durch eine signifikante und umgehende Reduktion der anthropogenen Treibhausgasemissionen sichern kann.

Das Bauwesen hat an der Gesamtheit klimaschädlicher anthropogener Emissionen einen Anteil von mehr als 50 % [11]. Die häufig kommunizierte Aussage, der Anteil des Bauwesens belaufe sich auf 38 %, umfasst nur die Gebäude, nicht aber die Summe aller Bauwerke. Sie basiert zudem auf einer unvollständigen Erfassung der Emissionen in der Herstellungs- und der Rückbauphase sowie der durch die Materialtransporte induzierten Emissionen. Unabhängig davon, ob der Anteil des Bauwesens nun 38 % oder, wie vom Autor an anderer Stelle nachgewiesen, mehr als 50 % der klimaschädlichen Emissionen beträgt: Es wäre naheliegend, die Forschung, aber auch die Gesetzgebung für das Bauwesen umgehend auf das Thema der Emissionsreduktion zu fokussieren. Dies ist über viele Jahre so gut wie nicht

geschehen. Der Autor hat deshalb bereits 1998 mit der Formulierung des Triple-Zero-Prinzips für das Bauwesen die elementaren Forderungen nach zero fossile-based energy, zero emissions und zero waste eingeführt. Die Forderung nach zero emissions wurde dabei zunächst auf die Emissionen in der Nutzungsphase der Gebäude bezogen, jedoch bereits im Jahr 2001 auf die Herstellungs- wie auf die Um- und Rückbauphase erweitert. Die Forderung nach zero waste und somit einer Null-Abfallstrategie nahm die von Braungart und Mitchell unter dem Begriff cradle-to-cradle in [12] formulierte Idee des ewigen Kreislaufprinzips aller (Bau-)Stoffe vorweg.

Wollte man die ­Reduktion der ­Emissionen lediglich durch den Austausch dieser gebäude­eigenen Systeme ­bewirken, so würde dies, überschlägig ­berechnet, einer jährlichen Rückbau­leistung von ca. 644.000 Heizsystemen entsprechen.

6 Emissionsreduktion II

Als notwendige Folge der Verordnung der EU zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Jahr 2018 [13] reagierte der deutsche Gesetzgeber mit der Verabschiedung des (ersten) Klimaschutzgesetzes KSG, das zum 18. Dezember 2019 in Kraft trat, jedoch bereits 2021 vom Bundesgerichtshof BHG in einem Aufsehen erregenden Urteil für verfassungswidrig erklärt wurde. Das Erste Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes, das zum30. August 2021 in Kraft trat, berücksichtigt nun die im Urteil des BHG gemachten Forderungen. Es legt für die sechs Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges verbindliche Emissionshöchstmengenfür die Jahre 2020–2030 vor. Die bis zum Jahr 2030 einzusparenden klimaschädlichen, in CO2-Äquivalenten beschriebenen Emissionen belaufen sich auf 65 % des Werts des Referenzjahres 1990. Die in den einzelnen Sektoren einzusparenden prozentualen Mengen sind nicht identisch. Der Sektor Gebäude hat zwischen 2020 und 2030 ein Reduktionsziel von 57 % zu erfüllen, was, in absoluten Zahlen ausgedrückt, einen Rückgang der Emissionen von 118 Mio. t CO im Jahr 2020 auf 67 Mio. t CO im Jahr 2030 bedeutet.

Ein „normaler Bürger“ (und wahrscheinlich auch ein erheblicher Anteil der Bauschaffenden) wird unter dem Begriff Emissionen des Gebäudesektors die Summe aller in der Herstellungs-, Nutzungs- sowie Rückbauphase entstehenden Emissionen vermuten. Dies wäre allerdings eine Fehlinterpretation, denn definitionsgemäß umfasst der Sektor Gebäude lediglich diejenigen Emissionen, die infolge der Bereitstellung von Raumwärme, Warmwasser und Strom entstehen. Emissionen, die durch die Bereitstellung von Fernwärme ent­stehen, werden dem Sektor Energiewirtschaft zugerechnet. Die Emissionen aus der Herstellungs- und der Rückbauphase und damit knapp die Hälfte aller durch das Errichten und Betreiben von Gebäuden entstehenden Emissionen werden weder im Gesetz noch im Gesetzeskontext explizit erwähnt, sondern in einer häufig schwer nachvollziehbaren Weise in die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Mobilität sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges verbucht.

Das Gros der imSektor Gebäude derzeit getätigten Emissionen geht auf die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser zurück, die im Wesentlichen auf Ölheizungen, Gasheizungen und Pelletheizungen basiert. Im Jahr 2020 gab es in Deutschland 4,640 Mio. Öl- [14], 6,804 Mio. Gas- [15] und 546.000 Pellet- [16], insgesamt somit ca. 11,990 Mio. Heizungen, die auf Verbrennungsprozessen basieren. Wollte man die im KSG festgeschriebene Reduktion der Emission klimaschädlicher Gase von 2020 bis 2030 lediglich durch den Austausch dieser gebäudeeigenen Systeme bewirken wollen, so würde dies, überschlägig berechnet, in den bis 2030 verbleibenden acht Jahren einer jährlichen Rückbauleistung von ca. 644.000 Heizsystemen entsprechen. Dieses Volumen ist von den deutschen Heizungs- und Sanitärfachbetrieben nicht leistbar. Die Reduktion der Emissionen kann also nur in Kombination mit einer Absenkung der Raumtemperaturen und/oder Maßnahmen zur Wärmedämmung erfolgen. Letztere aber sind stets mit klimaschädlichen Emissionen verbunden, sei es infolge von Demontage, Abtransport und Recycling bestehender Baustoffe und Bauteile oder durch Herstellung, Antransport und Montage neuer Baustoffe und Bauteile. Alle diese Emissionen müssen, konsequenterweise, mit den durch die beschriebenen Maßnahmen eingesparten Emissionen verrechnet werden.

7 Reduktion des Energieverbrauchs vs. Reduktion von Emissionen

Die im vorherigen Abschnitt gemachten Überlegungen decken einen Konflikt auf: In den bisherigen Betrachtungen von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz wurden die eingesparten Energiemengen, wenn überhaupt, nur mit den zur Durchführung der Maß

nahmen erforderlichen Energiemengen abgeglichen. Ein derartiger Abgleich hat die Qualität einer Energiebilanz. Beide beschriebenen Energiemengen sind typischerweise auch mit Emissionen behaftet. Eine Energiebilanz erlaubt aber keine Ableitung einer Emissionsbilanz, da sich aus einer Energiemengenbetrachtung lediglich die energiebedingten Emissionen abschätzen lassen.

Ein Umstieg auf die einzig sinnvolle Ebene der Emissionsbetrachtung erfordert den Abgleich der eingesparten Emissionen mit den bei der Durchführung der Maßnahmen getätigten Emissionen. Beide Emissionsmengen setzen sich typischerweise aus energiebedingten und prozessbedingten Emissionen zusammen. Die prozessbedingten Emissionen, die bspw. infolge chemischer Reaktionen bei der Herstellung von Zement oder beim Verrotten von Holzresten im Wald entstehen (und die in beiden Fällen zur Freisetzung von Kohlendioxid führen), haben sehr häufig einen erheblichen Anteil an den Gesamtemissionen einer baulichen Maßnahme.

Die Sinnhaftigkeit einer baulichen Maßnahme zur Steigerung der Energieeffizienz kann also, wissenschaftlich betrachtet, nur folgendermaßen bewiesen werden: Die Summe der über einen zu definierenden Zeitraum durch eine bauliche Maßnahme eingesparten energiebedingten Emissionen (infolge Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser) EGebäude, eingespart, Zeitraum muss größer sein als die Summe aus allen energiebedingten und prozessbedingten Emissionen EMaßnahmen, die infolge der Durchführung der Maßnahme entstehen.

EGebäude, eingespart, Zeitraum EMaßnahmen(1)

Gl. (1) könnte man auch als die neue Grundgleichung für alle Maßnahmen zur energetischen Sanierung bezeichnen. Mit ihr wird das Bauen auf die Betrachtungsebene der Emissionen angehoben. Der Maßnahmenkatalog des GEG wird durch die Grundgleichung in eine mit dem KSG kompatible Zielformulierung überführt, die das GEG letztlich überflüssig macht.

Der Zeitraum, über den die auf der linken Seite der Gl. (1) beschriebenen eingesparten Emissionen zu integrieren sind, endet mit dem Jahr, mit dem der Gesetzgeber Emissionsfreiheit fordert. Die derzeitigen Äußerungen aus dem politischen Raum deuten darauf hin, dass dies spätestens 2045 sein wird. Aus Gl. (1) ist ablesbar, dass Maßnahmen zur energetischen Sanierung immer weniger sinnvoll werden, je mehr man sich dem Jahr 2045 nähert. Ab dem Jahr 2045 müssen alle Anlagen zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser emissionsfrei arbeiten. Wärmedämmungsmaßnahmen haben ab diesem Zeitpunkt lediglich noch einen Einfluss auf die Dimensionierung dieser Anlagen bzw. auf die Höhe des Verbrauchs von Energie, die nicht auf der Basis von Verbrennungsprozessen bereitgestellt wird. Zu beachten ist im geschilderten Zusammenhang, dass nach 2045 auch die Wärmedämmungsmaßnahmen nicht mit Emissionen behaftet sein dürfen.

8 Kontingentierung der Emissionen

Die mit zeitlichen Vorgaben verbundene Reduktion klimaschädlicher Emissionen ist mit einer Kontingentierung dieser Emissionen gleichzusetzen. Die für den Sektor Gebäude zur Verfügung stehenden, jährlich abnehmenden Kontingente wurden dabei bis zum Jahr 2040 durch das KSG festgelegt. Insofern besteht für alle Bauschaffenden Planungssicherheit. Ob die Reduktionsziele durch einen Umstieg auf emissionsfreie Heizsysteme, eine Absenkung der Raumtemperaturen und/oder durch Wärmedämmmaßnahmen erzielt werden, wird vom KSG freigestellt.

Die für den Sektor Gebäude zulässigen Emissionen haben der Gl. (2) zu folgen:

EGebäude, Betrieb bis 2050 < EGebäude,zulässig(2)

mit

EGebäude, zulässig 2030 = 0,43 x EGebäude, 2020(3)

und

EGebäude, zulässig 2040 = 0,18 x EGebäude, 2020(4)

sowie, politisch verkündet, aber nicht Bestandteil des KSG

EGebäude, zulässig 2045 = 0(5)

Unverständlich ist in diesem Zusammenhang, warum das GEG selbst für solche Gebäude, die im Betrieb keinerlei Emissionen abgeben, die Einhaltung bestimmter Wärmedämmstandards und damit emissionsbehafteter materieller Aufwendungen fordert.

9 Herstellung, Um- und Rückbau

Die bei der Herstellung, dem Um- und Rückbau sowie dem Recycling von Gebäuden entstehenden Emissionen werden, wie bereits beschrieben, nicht im Sektor Gebäude, sondern in anderen Sektoren verbucht. Dies erschwert die Planung von Gebäuden, da die zu einem Baustoff oder einem Bauteil gehörigen Emissionen in den jeweiligen Sektoren identifiziert und danach betragsmäßig zusammengesetzt werden müssen. Eine environmental product declaration EPD oder vergleichbare Umweltdeklarationen können dabei nur bereichsweise zu einer Arbeitserleichterung führen, da sie erstens nicht alle Transportvorgänge bzw. die damit behafteten Emissionen berücksichtigen und zweitens aus Kostengründen typischerweise nur für Serienprodukte erstellt werden.

Der soeben geschilderte Sachverhalt bedeutet, dass bei der Planung von Gebäuden zwar nach wie vor die auf den Gebäudebetrieb beschränkten Gln. (2)–(5) gelten, es aber für die Herstellungsphase wie auch für die Um- und Rückbauphase, die sich jeweils aus einer Summe von einzelnen Emissionspaketen zusammensetzen, keinen einzuhaltenden Grenzwert gibt. Bis zu einer abschließenden gesetzlichen Regelung empfiehlt der Autor ein Reduktionsziel, das sich an dem für den Sektor Gebäude orientiert, also ab 2020 bis 2030 linear degressiv um 57 % abnehmend.

Die zu den einzelnen Baustoffen oder Bauteilen gehörigen Emissionen entstammen jeweils bestimmten Teilsektoren der einzelnen Sektoren. Ein Sektor kann die Reduktionsvorgaben erfüllen, ohne dass alle seine Teilsektoren dies tun. Wenn bei der Planung von Neubauvorhaben Produkte aus unterschiedlichen Sektoren kombiniert und damit Emissionen aus unterschiedlichen Teilsektoren aufzusummieren sind, kann dies dazu führen, dass die Summe aller dieser Emissionen höher ist als das über alle Sektoren gemittelte Reduktionsziel. Dieses Problem lässt sich nur dadurch umgehen, dass ein Sektor Bauwesen mit eigenen, sektorenspezifischen Einsparvorgaben eingeführt wird. Die Erreichung von Einsparzielen bei den anderen Sektoren würde hierdurch erleichtert werden, auch weil sie um ggf. übermäßig belastende Emissionen, die dem Bauwesen zuzuordnen sind, entlastet werden würden.

Als CO2-neutral ­werden alle über einen bestimmten Zeitraum ablaufenden Prozesse bezeichnet, bei denen sich der ganzheitliche ­Anteil an CO2 in der Atmosphäre nicht verändert.

10 CO2-Neutralität und Bilanzierungsgrenzen

Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bedeutet die Einhaltung eines Emissionskontingents von derzeit noch ca. 290 Mrd. t CO2. Bei einem „Weiter so“, d. h. bei einer Aufrechterhaltung der aktuellen Emissionsrate von ca. 1.340 t sec-1, ist dieses Kontingent in ca. 7,5 Jahren aufgebraucht. Gelingt es, die Emissionen linear degressiv zu reduzieren, so verbleibt hierfür ein Zeitraum von 15 Jahren. Alle in diesen Zeiträumen emittierten klimaschädlichen Gase sind auf dieses Kontingent anzurechnen.

Die Bilanzierungsgrenze, d. h. der Zeitpunkt, ab dem die Verrechnung der Emissionen mit dem verbleibenden Kontingent zu erfolgen hat, ist 2022, also der Zeitpunkt, an dem das Kontingent von 290 Mrd. t CO2 festgestellt wurde. Nicht anzurechnen (aber trotzdem zu vermeiden) sind lediglich Emissionen, die durch Kreislaufprozesse, die innerhalb der genannten Zeiträume stattfinden, entstehen. Zu derartigen Kreislaufprozessen gehört bspw. das Ernten und Verbrennen biobasierter Brennstoffe wie Mais, Hanf etc. Bau- oder Brennstoffe, die vor der Bilanzierungsgrenze aufgewachsen sind, müssen von dieser Regel logischerweise ausgenommen werden. Das beim Verrotten oder beim Verbrennen von Holz entstehende CO2 muss also auf das jeweils noch verbleibende Kontingent angerechnet werden.

Die vorstehend festgestellte Notwendigkeit steht nicht im Wiederspruch zu der Aussage, der Baustoff Holz sei in toto CO2-neutral. Als CO2-neutral werden alle über einen bestimmten Zeitraum ablaufenden Prozesse bezeichnet, bei denen sich der ganzheitliche Anteil an CO2 in der Atmosphäre nicht verändert. Neben der Qualität des Prozesses als solchem ist der Zeitraum, in dem dieser stattfindet, zu beachten. Der CO2-Kreislauf eines Baums, der durch Aufwachsen, Ernten, Benutzen und thermische Verwertung gekennzeichnet ist, schließt sich erst nach mehreren Jahrzehnten, teilweise erst nach mehr als 100 Jahren. Bis zu 50 % und mehr der Masse eines geernteten Baums werden aber bereits vor dem Schlie

ßen dieses Kreislaufs in Form von im Wald zurückgelassenen und sodann verrottenden Teilen sowie bei der thermischen Verwertung von Abfall- bzw. Nebenprodukten der Säge- und Holz verarbeitenden Industrie vorab in den Kreislauf zurückgeführt. Die dabei in die Atmosphäre freigesetzten Mengen an CO2 sind erheblich. Sie können bei einer Bilanzierung mit den jeweils noch zur Verfügung stehenden Kontingenten nicht vernachlässigt werden. Die sofortige Anpflanzung eines neuen Baums anstelle eines gefällten kann diese negativen Auswirkungen auf die Atmosphäre nur unwesentlich reduzieren, da der Zeitpunkt, bis zu dem er die Mengen des infolge der Verrottung der im Wald zurückgelassenen Teile und des bei der thermischen Verwertung von Abfall- bzw. Nebenprodukten der Säge- und Holz verarbeitenden Industrie freigesetzten CO2 aufgenommen hat, nach dem Zeitpunkt liegt, der zur Einhaltung des 1,5- bzw. des 2-Grad-Ziels nicht überschritten werden darf.

11 Elektrische Stadt

Der Umstieg von den gebäudeeigenen Verbrennungsanlagen zu elektrisch betriebenen Wärmepumpen u. Ä. wird den Übergang zur elektrischen Stadt beschleunigen. Er steigert die Nachfrage nach elektrischem Strom durch den Sektor Gebäude genauso wie die zunehmende E-Mobilität und die Umstellung industrieller Prozesse. Die Zunahme der Nachfrage ist mehr oder weniger deckungsgleich mit den vom KSG geforderten Emissionsreduktionen. Die zukünftige Nachfrage nach elektrischem Strom kann nur durch einen schnellen Ausbau der Wasserstofftechnologie, der Windenergieanlagen sowie der PV-Anlagen gedeckt werden. Dieser Ausbau ist kein technisches und auch kein finanzielles, sehr wohl aber ein durch bestehende Rechtsvorschriften hervorgerufenes Problem. Es ist auch ein Problem, das durch die nicht hinreichende Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte für den Bau der erforderlichen Anlagen gekennzeichnet ist. Sollte es nicht gelingen, die Probleme hinsichtlich Rechtslage und Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte umgehend zu lösen, dann drohen in den kommenden Jahren Stromausfälle und/oder (Zwangs-)Regulierungen bei der Stromversorgung.

Angesichts des soeben geschilderten Szenarios wächst der häuslichen, der quartiers- und der stadtteilbezogenen wie auch einer stadtnahen Energieerzeugung und -speicherung eine besondere Bedeutung zu. Der konsequenten, architektonisch gekonnten Integration von PV-Systemen in die Gebäudeoberflächen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Ähnliches gilt für die umfassende, landschaftsplanerisch gekonnte Installation von PV-Anlagen entlang unserer Verkehrswege. Im Gegensatz zu bisher erfolgt die gesamte Energiegewinnung zukünftig also im unmittelbaren Aufenthaltsbereich der Bewohner. Sie ist damit nicht nur technischen, sondern in hohem Maß gestalterischen Anforderungen unterworfen. Sie wird hierdurch integraler Bestandteil von Gebäuden und Infrastruktur und damit wesentlicher Teil der Planungstätigkeit von Architekten und Ingenieuren.

Beim Umstieg auf verbrennungsfrei bereitgestellte Energie ist die Nutzung einer möglichen Verbrauchsreduktion durch eine Reduktion der genutzten Flächen, intelligente Energiemanagementsysteme und/oder hohe Wärmedämmqualitäten naheliegend. Wie bereits erwähnt, ist die Anordnung hoher Wärmedämmqualitäten mit einer entsprechenden Emissionsbilanz zu begründen.

Eine Kombination effizient miteinander gekoppelter lokaler Speichersysteme für Strom, Wärme und Kälte kann witterungsbedingte Lücken in der Erzeugung von Strom und Wärme überbrücken.

Ein Gleichgewicht zwischen Bereitstellung von Sekundärbaustoffen und der Nachfrage von Baustoffen kann sich ­einstellen, wenn die ­Gesamtmasse der ­gebauten Umwelt einen ­konstanten Wert ­erreicht hat.

12 Materialverfügbarkeiten

Das Bauschaffen steht heute für ca. 50–60 % des weltweiten Materialverbrauchs. Betrachtet man lediglich den Verbrauch an mineralischen Stoffen, dann beträgt die Ziffer sogar ca. 80 %. Damit steht die Baubranche in der Liste der materialverbrauchenden Industrien weltweit an erster Stelle. Entsprechend groß ist deren bislang zumeist noch nicht wahrgenommene, zukünftig aber zwingend einzufordernde Verantwortung, wenn es darum geht, Materialnachfragen und Materialverfügbarkeiten auf unserer Welt in Deckung zu bringen (nn1). Auch in Deutschland sind in den vergangenen Jahren erste Versorgungsengpässe insbesondere bei dem wichtigen Baustoff Kies aufgetreten. Ein „Weiter so“ wird in Zukunft zu deutlichen Versorgungsengpässen und entsprechenden Preissteigerungen führen.

Die mit der Bereitstellung von Baustoffen einhergehenden Emissionen, seien es Emissionen bei der Herstellung von Zement oder Stahl, dem Verbrennen von Holzabfällen oder die bei den häufig sehr langen Transportdistanzen auftretenden Emissionen, sind von signifikanter Größenordnung. Durch das KSG werden sie in Zukunft dramatisch zu reduzieren sein, was, mit Blick auf den Materialeinsatz, zu deutlich sparsameren Bauweisen führen wird. Seitens der Transportvorgänge wird es zu einer Regionalisierung der eingesetzten Baustoffe führen. Der Antransport von Granit aus China oder von Baustahl aus Indien wird zukünftig einer Emissionsbilanzierung kaum noch standhalten können.

Mit einer Regionalisierung der eingesetzten Baustoffe muss ein vermehrter Einsatz von ­Sekundärbaustoffen (Rezyklaten) einhergehen. Dies führt zu einer begrüßenswerten Reduktion des Aufkommens an Bauschutt und Bauabfällen. Eine sinnvoll zu betreibende Kreislaufwirtschaft für Baustoffe setzt allerdings ein recyclinggerechtes Konstruieren vo­raus, eine Maßnahme also, die in der bisherigen Bauplanung kaum eine Rolle spielt. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass die derzeit zur Verfügung stehenden Mengen an Rezyklaten die Nachfrage an Baustoffen bei Weitem nicht befriedigen können. Ein Gleichgewicht zwischen Bereitstellung von Sekundärbaustoffen und der Nachfrage von Baustoffen kann sich erst dann einstellen, wenn die Gesamtmasse der gebauten Umwelt einen konstanten Wert erreicht hat.

13 In summa

Das Bauen in der Zukunft muss auf den Ebenen Baustoffe, Energie und Emissionen neue Wege gehen. Hinzu kommen die hier nicht diskutierten, aber ebenso wichtigen soziokulturellen und ökonomischen Aspekte.

Auf der Betrachtungsebene Energiemuss das Bestreben nach Energieeffizienz abgelöst werden durch ein Streben nach Energieeffektivität sowie eine alle Entscheidungen dominierende Bilanzierung der damit einhergehenden Emissionen. Hinzu kommt eine Regionalisierung der Erzeugung, der Speicherung und der Bereitstellung von Energie. Vor allem die Integration der Erzeugung von Energie mithilfe von PV wird (insbesondere gestalterisch) wesentlicher Bestandteil aller zukünftigen Bauplanungen sein.

Auf der Ebene der Emissionen wird eine Bilanzierung bei der Herstellung, dem Betrieb, dem Um- und Rückbau sowie dem Recycling bereits in naher Zukunft zwingend werden.

Auf der Ebene der Baustoffe wird die Zukunft durch den Einsatz von wesentlich weniger Material, von recyclinggerechten Bauweisen, dem vollständigen Rezyklieren des Um- und Abbauabbruchmaterials sowie dem vermehrten Einsatz von Sekundärbaustoffen (Rezyklaten) gekennzeichnet sein.


Literatur

  1. Erstes Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes KSG vom 18.08.2021.
  2. von Carlowitz, H. C. (1713) Sylvicultura oeconomica. Leipzig: Braun.
  3. Hauff, V. [Hrsg.] (1987) Unsere gemeinsame Zukunft : Der Brundtland-Bericht der Welt­kommission für Umwelt und Entwicklung. Greven: Eggenkamp.
  4. Meadows, D. L. et al. (1972) Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt.
  5. Corsten, H.; Roth, S. (2012) Nachhaltigkeit als integriertes Konzept. Wiesbaden: Springer Gabler.
  6. ISO 21930 (2017) Nachhaltigkeit von Bauwerken – Grundregeln für die Umweltdeklaration von in Bauwerken verwendeten Bauprodukten und technischen Anlagen. International Organization for Standardization (ISO), Genf.
  7. Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden (EnEG) vom 20.07.1976.
  8. Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG) vom 08.08.2020.
  9. Arrhenius, S. (1896) On the Influence of Carbonic Acid in the Air upon the Temperature of the Ground. Philosophical Magazine and Journal of Science 41, No. 5, pp. 237–276.
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Autor

Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek,
werner.sobek@wernersobek.com
Universität Stuttgart
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren
www.ilek.uni-stuttgart.de

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